plaudern konnte; er durfte nicht mehr befürchten, an dem Ideenreichthume, den die Journale in ihm her- vorbrachten, zu ersticken.
Freilich war, wie wir im Anfange dieses Capi- tels sagten, der Schulmeister nur eine Birne für den Durst. Ueber Geschichten und Anecdoten konnte sein Gönner mit ihm verhandeln, und des lebhaftesten Gespräches sicher seyn, wenn er wichtige Punkte der Historie zur Sprache brachte, wie zum Beispiel: Ob Brutus Recht gehabt habe, Cäsar'n zu erstechen, was aus der Welt geworden seyn möchte, wenn die Fran- zosen die Revolution nicht zu Stande gebracht hätten, oder wenn Friedrich der Große und Napo- leon Zeitgenossen gewesen wären, und was der- gleichen mehr war. Dagegen fehlte dem vermeint- lichen Abkömmlinge des Königs von Lacedämon aller Sinn für die Curiositäten aus der Länder- und Völkerkunde, und aus dem Gebiete der Erfin- dungen, Handels- und Gewerbsverhältnisse, denen der Baron gerade am leidenschaftlichsten sich zuneigte.
Mit dem Fräulein hatte der Schulmeister man- chen Streit und sie duldete ihn eigentlich nur ihres Vaters wegen. Er war ihr besonders durch eine feurige Rede verhaßt geworden, in welcher er die
plaudern konnte; er durfte nicht mehr befürchten, an dem Ideenreichthume, den die Journale in ihm her- vorbrachten, zu erſticken.
Freilich war, wie wir im Anfange dieſes Capi- tels ſagten, der Schulmeiſter nur eine Birne für den Durſt. Ueber Geſchichten und Anecdoten konnte ſein Gönner mit ihm verhandeln, und des lebhafteſten Geſpräches ſicher ſeyn, wenn er wichtige Punkte der Hiſtorie zur Sprache brachte, wie zum Beiſpiel: Ob Brutus Recht gehabt habe, Cäſar’n zu erſtechen, was aus der Welt geworden ſeyn möchte, wenn die Fran- zoſen die Revolution nicht zu Stande gebracht hätten, oder wenn Friedrich der Große und Napo- leon Zeitgenoſſen geweſen wären, und was der- gleichen mehr war. Dagegen fehlte dem vermeint- lichen Abkömmlinge des Königs von Lacedämon aller Sinn für die Curioſitäten aus der Länder- und Völkerkunde, und aus dem Gebiete der Erfin- dungen, Handels- und Gewerbsverhältniſſe, denen der Baron gerade am leidenſchaftlichſten ſich zuneigte.
Mit dem Fräulein hatte der Schulmeiſter man- chen Streit und ſie duldete ihn eigentlich nur ihres Vaters wegen. Er war ihr beſonders durch eine feurige Rede verhaßt geworden, in welcher er die
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plaudern konnte; er durfte nicht mehr befürchten,
an dem Ideenreichthume, den die Journale in ihm her-
vorbrachten, zu erſticken.
Freilich war, wie wir im Anfange dieſes Capi-
tels ſagten, der Schulmeiſter nur eine Birne für den
Durſt. Ueber Geſchichten und Anecdoten konnte ſein
Gönner mit ihm verhandeln, und des lebhafteſten
Geſpräches ſicher ſeyn, wenn er wichtige Punkte der
Hiſtorie zur Sprache brachte, wie zum Beiſpiel: Ob
Brutus Recht gehabt habe, Cäſar’n zu erſtechen, was
aus der Welt geworden ſeyn möchte, wenn die Fran-
zoſen die Revolution nicht zu Stande gebracht
hätten, oder wenn Friedrich der Große und Napo-
leon Zeitgenoſſen geweſen wären, und was der-
gleichen mehr war. Dagegen fehlte dem vermeint-
lichen Abkömmlinge des Königs von Lacedämon
aller Sinn für die Curioſitäten aus der Länder-
und Völkerkunde, und aus dem Gebiete der Erfin-
dungen, Handels- und Gewerbsverhältniſſe, denen
der Baron gerade am leidenſchaftlichſten ſich zuneigte.
Mit dem Fräulein hatte der Schulmeiſter man-
chen Streit und ſie duldete ihn eigentlich nur ihres
Vaters wegen. Er war ihr beſonders durch eine
feurige Rede verhaßt geworden, in welcher er die
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/167>, abgerufen am 27.11.2024.
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