Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

rief ich dem Wirth entgegen. O Gott, meine Reputation! schrie der Mann. Ich polterte heraus, daß ich die Schlüssel nie von mir gethan, sie wenigstens nie aus der Acht gelüsten hätte, die Schlösser müßten mit einem Instrumente geöffnet sein, es müßte ein Hausdieb in seinem Gasthofe stecken. Freilich! freilich! rief der Wirth, das haben der Herr Doctor auch schon gesagt! Denselben ist auch Geld weggekommen, wie dieselben mir heute Morgen sagten. Sackerment! Wo befindet sich diese Canaille unter uns? -- Er war in der größten Angst um den guten Ruf seines Hauses, er bat mich inständigst, vor der Hand still zu sein, er nannte mich Graf und zuletzt Excellenz. Es soll sich vor Eurer Durchlaucht Alles faselnackt ausziehn, Knechte, Mägde, meine Kinder und Alles, wir wollen visitiren, oben und unten, hinten und vorne, im ganzen Hause, nur kein Aufsehen, nur keine Gespräche, damit ich nicht in Mißcredit gerathe, es geht jetzt gerade die beste Zeit an! Niemals hat man sonst in der Regel bei mir gestohlen! Das konnte mir nun freilich in diesem Ausnahmsfalle nicht viel helfen. Ich sagte ihm, er möge seine fünf Sinne zusammennehmen und mir mein Geld wiederschaffen.

In diesem Augenblicke schickt mir der Arzt einen Zettel, die Schrift ist noch feucht; ich lese: So eben sagt mir unsre Schlafende, die ich über Sie ausfrage: Man hat ihm seine Schatulle entwendet, sie liegt aber unter dem großen Wallnußbaum am Hause. Ich schreibe Ihnen diese höchst sonderbare Aeußerung, sehen Sie doch

rief ich dem Wirth entgegen. O Gott, meine Reputation! schrie der Mann. Ich polterte heraus, daß ich die Schlüssel nie von mir gethan, sie wenigstens nie aus der Acht gelüsten hätte, die Schlösser müßten mit einem Instrumente geöffnet sein, es müßte ein Hausdieb in seinem Gasthofe stecken. Freilich! freilich! rief der Wirth, das haben der Herr Doctor auch schon gesagt! Denselben ist auch Geld weggekommen, wie dieselben mir heute Morgen sagten. Sackerment! Wo befindet sich diese Canaille unter uns? — Er war in der größten Angst um den guten Ruf seines Hauses, er bat mich inständigst, vor der Hand still zu sein, er nannte mich Graf und zuletzt Excellenz. Es soll sich vor Eurer Durchlaucht Alles faselnackt ausziehn, Knechte, Mägde, meine Kinder und Alles, wir wollen visitiren, oben und unten, hinten und vorne, im ganzen Hause, nur kein Aufsehen, nur keine Gespräche, damit ich nicht in Mißcredit gerathe, es geht jetzt gerade die beste Zeit an! Niemals hat man sonst in der Regel bei mir gestohlen! Das konnte mir nun freilich in diesem Ausnahmsfalle nicht viel helfen. Ich sagte ihm, er möge seine fünf Sinne zusammennehmen und mir mein Geld wiederschaffen.

In diesem Augenblicke schickt mir der Arzt einen Zettel, die Schrift ist noch feucht; ich lese: So eben sagt mir unsre Schlafende, die ich über Sie ausfrage: Man hat ihm seine Schatulle entwendet, sie liegt aber unter dem großen Wallnußbaum am Hause. Ich schreibe Ihnen diese höchst sonderbare Aeußerung, sehen Sie doch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="6">
        <p><pb facs="#f0039"/>
rief ich dem Wirth entgegen. O Gott, meine Reputation! schrie der      Mann. Ich polterte heraus, daß ich die Schlüssel nie von mir gethan, sie wenigstens nie aus der      Acht gelüsten hätte, die Schlösser müßten mit einem Instrumente geöffnet sein, es müßte ein      Hausdieb in seinem Gasthofe stecken. Freilich! freilich! rief der Wirth, das haben der Herr      Doctor auch schon gesagt! Denselben ist auch Geld weggekommen, wie dieselben mir heute Morgen      sagten. Sackerment! Wo befindet sich diese Canaille unter uns? &#x2014; Er war in der größten Angst um      den guten Ruf seines Hauses, er bat mich inständigst, vor der Hand still zu sein, er nannte      mich Graf und zuletzt Excellenz. Es soll sich vor Eurer Durchlaucht Alles faselnackt ausziehn,      Knechte, Mägde, meine Kinder und Alles, wir wollen visitiren, oben und unten, hinten und vorne,      im ganzen Hause, nur kein Aufsehen, nur keine Gespräche, damit ich nicht in Mißcredit gerathe,      es geht jetzt gerade die beste Zeit an! Niemals hat man sonst in der Regel bei mir gestohlen!      Das konnte mir nun freilich in diesem Ausnahmsfalle nicht viel helfen. Ich sagte ihm, er möge      seine fünf Sinne zusammennehmen und mir mein Geld wiederschaffen.</p><lb/>
        <p>In diesem Augenblicke schickt mir der Arzt einen Zettel, die Schrift ist noch feucht; ich      lese: So eben sagt mir unsre Schlafende, die ich über Sie ausfrage: Man hat ihm seine Schatulle      entwendet, sie liegt aber unter dem großen Wallnußbaum am Hause. Ich schreibe Ihnen diese      höchst sonderbare Aeußerung, sehen Sie doch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] rief ich dem Wirth entgegen. O Gott, meine Reputation! schrie der Mann. Ich polterte heraus, daß ich die Schlüssel nie von mir gethan, sie wenigstens nie aus der Acht gelüsten hätte, die Schlösser müßten mit einem Instrumente geöffnet sein, es müßte ein Hausdieb in seinem Gasthofe stecken. Freilich! freilich! rief der Wirth, das haben der Herr Doctor auch schon gesagt! Denselben ist auch Geld weggekommen, wie dieselben mir heute Morgen sagten. Sackerment! Wo befindet sich diese Canaille unter uns? — Er war in der größten Angst um den guten Ruf seines Hauses, er bat mich inständigst, vor der Hand still zu sein, er nannte mich Graf und zuletzt Excellenz. Es soll sich vor Eurer Durchlaucht Alles faselnackt ausziehn, Knechte, Mägde, meine Kinder und Alles, wir wollen visitiren, oben und unten, hinten und vorne, im ganzen Hause, nur kein Aufsehen, nur keine Gespräche, damit ich nicht in Mißcredit gerathe, es geht jetzt gerade die beste Zeit an! Niemals hat man sonst in der Regel bei mir gestohlen! Das konnte mir nun freilich in diesem Ausnahmsfalle nicht viel helfen. Ich sagte ihm, er möge seine fünf Sinne zusammennehmen und mir mein Geld wiederschaffen. In diesem Augenblicke schickt mir der Arzt einen Zettel, die Schrift ist noch feucht; ich lese: So eben sagt mir unsre Schlafende, die ich über Sie ausfrage: Man hat ihm seine Schatulle entwendet, sie liegt aber unter dem großen Wallnußbaum am Hause. Ich schreibe Ihnen diese höchst sonderbare Aeußerung, sehen Sie doch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/39
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/39>, abgerufen am 27.11.2024.