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Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785.

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Obfstn. Wenn ich auch wollte -- nein, ich kann es
wahrhaftig nicht zugeben -- ich kann nicht.
Pastor. Gute Frau -- veraltetes Vorurtheil ist
nicht Gewissen. Wer Eigensinn Religion nennt, ver-
sündigt sich.
Obfstn. Versündigen --
Pastor. Auf Alles, was Elternliebe thun kann,
haben Sie ihr einmal Anspruch gegeben. Sie können
sie jezt ganz glücklich machen -- und wollen es nicht.
Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirath --
so muß Friedrike aus dem Hause.
Obfstn. (gerührt.) Wenn es dahin kommen sollte --
so soll es ihr doch an nichts fehlen.
Pastor. An nichts fehlen? -- O wir sind arme
Menschen, wenn man uns das Bedürfnis unsres Her-
zens nimmt! Ihr Sohn? -- der junge Mensch ist hef-
tig, -- Sie entreissen ihm ein tugendhaftes Mädchen,
das er innig liebt. Sie sind eine gute Mutter. Woll-
ten Sie alles das auf Ihr Gewissen nehmen, wozu hef-
tiger Schmerz den Jüngling verleiten könnte?
Obfstn. (die Hände ringend.) Ach Gott, wie quälen
Sie mich!
F 2
Obfſtn. Wenn ich auch wollte — nein, ich kann es
wahrhaftig nicht zugeben — ich kann nicht.
Paſtor. Gute Frau — veraltetes Vorurtheil iſt
nicht Gewiſſen. Wer Eigenſinn Religion nennt, ver-
ſuͤndigt ſich.
Obfſtn. Verſuͤndigen —
Paſtor. Auf Alles, was Elternliebe thun kann,
haben Sie ihr einmal Anſpruch gegeben. Sie koͤnnen
ſie jezt ganz gluͤcklich machen — und wollen es nicht.
Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirath —
ſo muß Friedrike aus dem Hauſe.
Obfſtn. (geruͤhrt.) Wenn es dahin kommen ſollte —
ſo ſoll es ihr doch an nichts fehlen.
Paſtor. An nichts fehlen? — O wir ſind arme
Menſchen, wenn man uns das Beduͤrfnis unſres Her-
zens nimmt! Ihr Sohn? — der junge Menſch iſt hef-
tig, — Sie entreiſſen ihm ein tugendhaftes Maͤdchen,
das er innig liebt. Sie ſind eine gute Mutter. Woll-
ten Sie alles das auf Ihr Gewiſſen nehmen, wozu hef-
tiger Schmerz den Juͤngling verleiten koͤnnte?
Obfſtn. (die Haͤnde ringend.) Ach Gott, wie quaͤlen
Sie mich!
F 2
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[83/0089] Obfſtn. Wenn ich auch wollte — nein, ich kann es wahrhaftig nicht zugeben — ich kann nicht. Paſtor. Gute Frau — veraltetes Vorurtheil iſt nicht Gewiſſen. Wer Eigenſinn Religion nennt, ver- ſuͤndigt ſich. Obfſtn. Verſuͤndigen — Paſtor. Auf Alles, was Elternliebe thun kann, haben Sie ihr einmal Anſpruch gegeben. Sie koͤnnen ſie jezt ganz gluͤcklich machen — und wollen es nicht. Bedenken Sie die Folgen. Verbieten Sie die Heirath — ſo muß Friedrike aus dem Hauſe. Obfſtn. (geruͤhrt.) Wenn es dahin kommen ſollte — ſo ſoll es ihr doch an nichts fehlen. Paſtor. An nichts fehlen? — O wir ſind arme Menſchen, wenn man uns das Beduͤrfnis unſres Her- zens nimmt! Ihr Sohn? — der junge Menſch iſt hef- tig, — Sie entreiſſen ihm ein tugendhaftes Maͤdchen, das er innig liebt. Sie ſind eine gute Mutter. Woll- ten Sie alles das auf Ihr Gewiſſen nehmen, wozu hef- tiger Schmerz den Juͤngling verleiten koͤnnte? Obfſtn. (die Haͤnde ringend.) Ach Gott, wie quaͤlen Sie mich! F 2

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Zitationshilfe: Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/iffland_jaeger_1785/89>, abgerufen am 26.04.2024.