Iffland, August Wilhelm: Die Jäger. Berlin, 1785. Kordelchen. Für ein Mädchen von solchem Stande ist sie doch fast zu vornehm erzogen. Obfstn. Sie verlohr ihre armen Eltern früh. Ich bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war sie ge- lehrig und brav; mein Mann hatte denn so seine Freude an ihr -- darum haben wir gethan, was wir konnten, ohne uns weh zu thun. Sie ist übrigens bescheiden und gut -- und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus. Kordelchen. (gleichsam zutraulich.) Das ist auch das Allerbeste. Daher riethe ich auch -- doch ohne Ihnen vorzugreifen -- sie ließe die Stadtkünste hier weg. Solche Dinge gehören in keine Landhaushaltung. Tan- zen? -- Je nun -- Sonntags wohl, aber sonst wahr- haftig nicht. Das Singen sollten Sie ihr als unan- ständig verbieten -- Obfstn. Ei, das Haus ist groß -- die Kehle ist ihr. Wird es mir zu viel -- so ziehe ich die Stubenthür zu. Meine Buchfinken schreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht höre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir müssen Menschen und Vieh lustig sein; sonst sind sie krank, oder haben ein böses Gewissen. Kordelchen. Nur alles mit Maaß. Obfstn. Ja, das versteht sich. Kordelchen. Fuͤr ein Maͤdchen von ſolchem Stande iſt ſie doch faſt zu vornehm erzogen. Obfſtn. Sie verlohr ihre armen Eltern fruͤh. Ich bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war ſie ge- lehrig und brav; mein Mann hatte denn ſo ſeine Freude an ihr — darum haben wir gethan, was wir konnten, ohne uns weh zu thun. Sie iſt uͤbrigens beſcheiden und gut — und wir wollen auch nicht etwa hoch mit ihr hinaus. Kordelchen. (gleichſam zutraulich.) Das iſt auch das Allerbeſte. Daher riethe ich auch — doch ohne Ihnen vorzugreifen — ſie ließe die Stadtkuͤnſte hier weg. Solche Dinge gehoͤren in keine Landhaushaltung. Tan- zen? — Je nun — Sonntags wohl, aber ſonſt wahr- haftig nicht. Das Singen ſollten Sie ihr als unan- ſtaͤndig verbieten — Obfſtn. Ei, das Haus iſt groß — die Kehle iſt ihr. Wird es mir zu viel — ſo ziehe ich die Stubenthuͤr zu. Meine Buchfinken ſchreien den ganzen Tag, daß ich mein eignes Wort nicht hoͤre; ich verbiete es ihnen doch nicht. Bei mir muͤſſen Menſchen und Vieh luſtig ſein; ſonſt ſind ſie krank, oder haben ein boͤſes Gewiſſen. Kordelchen. Nur alles mit Maaß. Obfſtn. Ja, das verſteht ſich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0060" n="54"/> <sp who="#KOR"> <speaker>Kordelchen.</speaker> <p>Fuͤr ein Maͤdchen von <hi rendition="#g">ſolchem</hi><lb/> Stande iſt ſie doch faſt zu vornehm erzogen.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <p>Sie verlohr ihre armen Eltern fruͤh. Ich<lb/> bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war ſie ge-<lb/> lehrig und brav; mein Mann hatte denn ſo ſeine Freude<lb/> an ihr — darum haben wir gethan, was wir konnten,<lb/> ohne uns weh zu thun. Sie iſt uͤbrigens beſcheiden<lb/> und gut — und wir wollen auch nicht etwa hoch mit<lb/> ihr hinaus.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOR"> <speaker>Kordelchen.</speaker> <stage>(gleichſam zutraulich.)</stage> <p>Das iſt auch das<lb/> Allerbeſte. Daher riethe ich auch — doch ohne Ihnen<lb/> vorzugreifen — ſie ließe die Stadtkuͤnſte hier weg.<lb/> Solche Dinge gehoͤren in keine Landhaushaltung. Tan-<lb/> zen? — Je nun — Sonntags wohl, aber ſonſt wahr-<lb/> haftig nicht. Das Singen ſollten Sie ihr als unan-<lb/> ſtaͤndig verbieten —</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <p>Ei, das Haus iſt groß — die Kehle iſt ihr.<lb/> Wird es mir zu viel — ſo ziehe ich die Stubenthuͤr zu.<lb/> Meine Buchfinken ſchreien den ganzen Tag, daß ich<lb/> mein eignes Wort nicht hoͤre; ich verbiete es ihnen doch<lb/> nicht. Bei mir muͤſſen Menſchen und Vieh luſtig ſein;<lb/> ſonſt ſind ſie krank, oder haben ein boͤſes Gewiſſen.</p> </sp><lb/> <sp who="#KOR"> <speaker>Kordelchen.</speaker> <p>Nur alles mit Maaß.</p> </sp><lb/> <sp who="#OBEI"> <speaker>Obfſtn.</speaker> <p>Ja, das verſteht ſich.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0060]
Kordelchen. Fuͤr ein Maͤdchen von ſolchem
Stande iſt ſie doch faſt zu vornehm erzogen.
Obfſtn. Sie verlohr ihre armen Eltern fruͤh. Ich
bin Pathe zu ihr. Von Kindesbeinen an war ſie ge-
lehrig und brav; mein Mann hatte denn ſo ſeine Freude
an ihr — darum haben wir gethan, was wir konnten,
ohne uns weh zu thun. Sie iſt uͤbrigens beſcheiden
und gut — und wir wollen auch nicht etwa hoch mit
ihr hinaus.
Kordelchen. (gleichſam zutraulich.) Das iſt auch das
Allerbeſte. Daher riethe ich auch — doch ohne Ihnen
vorzugreifen — ſie ließe die Stadtkuͤnſte hier weg.
Solche Dinge gehoͤren in keine Landhaushaltung. Tan-
zen? — Je nun — Sonntags wohl, aber ſonſt wahr-
haftig nicht. Das Singen ſollten Sie ihr als unan-
ſtaͤndig verbieten —
Obfſtn. Ei, das Haus iſt groß — die Kehle iſt ihr.
Wird es mir zu viel — ſo ziehe ich die Stubenthuͤr zu.
Meine Buchfinken ſchreien den ganzen Tag, daß ich
mein eignes Wort nicht hoͤre; ich verbiete es ihnen doch
nicht. Bei mir muͤſſen Menſchen und Vieh luſtig ſein;
ſonſt ſind ſie krank, oder haben ein boͤſes Gewiſſen.
Kordelchen. Nur alles mit Maaß.
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