Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebräuche und Einrichtungen, deren Regeln und Vorschriften,
welche, wenn sie einem bestimmten Plane zum Grunde liegen,
man eine Verfassung oder Constitution nennt, und welche
die Kinder des Vaterlandes wie ihre Mutter so leicht lieb
gewinnen, und worin sie ihr Vaterland recht eigentlich erst
lieb gewinnen lernen. Es ist der Beruf des Staatsraths
in Israel, dafür Sorge zu tragen, daß das gemeinschaftliche
Band der Liebe, welches die Kinder Israels immer schöner
und inniger vereinigen soll, rein erhalten werde. Weil aber
der Staatsrath nicht eher in Thätigkeit treten kann, als zu¬
vor das Vaterland bezeichnet ist, und weil dieser Abriß Re¬
geln und Vorschriften voraussetzt, welche dem künftigen Leben
des israelitischen Volkes zur Grundlage dienen, so muß der
Abriß von einem Punkte ausgehen, worin sich das ganze
Vaterland, alle Israeliten, wie eine Mannigfaltigkeit von
Lichtstrahlen in einem Brennpunkte vereinigen. Dieser Ver¬
einigungspunkt sind Wir, Israels König von Gottes Gnaden
und Hoherpriester von Jerusalem, Siegfried Justus I. Kraft
Unseres Amtes und des heiligen Geistes Zebaoth haben Wir
durch einen, den Hohen Mächten mit Unserem Aufrufe im
Monat October vorigen Jahres zugesandten und vorgelegten
Constitutionsentwurf denjenigen Abriß bezeichnet, welcher von
Uns für eine Nation bedacht worden ist, die von der Vorse¬
hung den hohen Beruf hat, durch ihre wunderbare Geschichte
und an ihrem Busen alle Völker und Geschlechter zu er¬
wärmen und zu erleuchten. Was hingegen die besonderen
Verhältnisse des israelischen Volkes betrifft, so steht dieses
bereits durch seine religiösen Institutionen fest, und um so
weit es noch einer Vereinigung bedarf, liegt dies der freien
Wirksamkeit Israels und seiner Landesdeputirten ob. Als
Rechtsgrundlage aller Gesetze, Verordnungen und Vorschriften,
welche gegeben werden, dient das göttliche Recht, d. i. das
Recht der Natur, welches Wir unter dem Titel "die Rechte
Gottes sind die Pflichten der Menschen", dem Reiche Gottes
oder dem vereinigten Fürsten- und Völkerbunde vorlegen wer¬
den. So lange aber die speciellen Gesetze und Bestimmun¬
gen vom Staatsrathe nicht geordnet, vereinigt und Unserer
Beurtheilung vorgelegt werden können, dient im Allgemeinen

Gebraͤuche und Einrichtungen, deren Regeln und Vorſchriften,
welche, wenn ſie einem beſtimmten Plane zum Grunde liegen,
man eine Verfaſſung oder Conſtitution nennt, und welche
die Kinder des Vaterlandes wie ihre Mutter ſo leicht lieb
gewinnen, und worin ſie ihr Vaterland recht eigentlich erſt
lieb gewinnen lernen. Es iſt der Beruf des Staatsraths
in Israel, dafuͤr Sorge zu tragen, daß das gemeinſchaftliche
Band der Liebe, welches die Kinder Israels immer ſchoͤner
und inniger vereinigen ſoll, rein erhalten werde. Weil aber
der Staatsrath nicht eher in Thaͤtigkeit treten kann, als zu¬
vor das Vaterland bezeichnet iſt, und weil dieſer Abriß Re¬
geln und Vorſchriften vorausſetzt, welche dem kuͤnftigen Leben
des israelitiſchen Volkes zur Grundlage dienen, ſo muß der
Abriß von einem Punkte ausgehen, worin ſich das ganze
Vaterland, alle Israeliten, wie eine Mannigfaltigkeit von
Lichtſtrahlen in einem Brennpunkte vereinigen. Dieſer Ver¬
einigungspunkt ſind Wir, Israels Koͤnig von Gottes Gnaden
und Hoherprieſter von Jeruſalem, Siegfried Juſtus I. Kraft
Unſeres Amtes und des heiligen Geiſtes Zebaoth haben Wir
durch einen, den Hohen Maͤchten mit Unſerem Aufrufe im
Monat October vorigen Jahres zugeſandten und vorgelegten
Conſtitutionsentwurf denjenigen Abriß bezeichnet, welcher von
Uns fuͤr eine Nation bedacht worden iſt, die von der Vorſe¬
hung den hohen Beruf hat, durch ihre wunderbare Geſchichte
und an ihrem Buſen alle Voͤlker und Geſchlechter zu er¬
waͤrmen und zu erleuchten. Was hingegen die beſonderen
Verhaͤltniſſe des israeliſchen Volkes betrifft, ſo ſteht dieſes
bereits durch ſeine religioͤſen Inſtitutionen feſt, und um ſo
weit es noch einer Vereinigung bedarf, liegt dies der freien
Wirkſamkeit Israels und ſeiner Landesdeputirten ob. Als
Rechtsgrundlage aller Geſetze, Verordnungen und Vorſchriften,
welche gegeben werden, dient das goͤttliche Recht, d. i. das
Recht der Natur, welches Wir unter dem Titel „die Rechte
Gottes ſind die Pflichten der Menſchen”, dem Reiche Gottes
oder dem vereinigten Fuͤrſten- und Voͤlkerbunde vorlegen wer¬
den. So lange aber die ſpeciellen Geſetze und Beſtimmun¬
gen vom Staatsrathe nicht geordnet, vereinigt und Unſerer
Beurtheilung vorgelegt werden koͤnnen, dient im Allgemeinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0235" n="227"/>
Gebra&#x0364;uche und Einrichtungen, deren Regeln und Vor&#x017F;chriften,<lb/>
welche, wenn &#x017F;ie einem be&#x017F;timmten Plane zum Grunde liegen,<lb/>
man eine Verfa&#x017F;&#x017F;ung oder Con&#x017F;titution nennt, und welche<lb/>
die Kinder des Vaterlandes wie ihre Mutter &#x017F;o leicht lieb<lb/>
gewinnen, und worin &#x017F;ie ihr Vaterland recht eigentlich er&#x017F;t<lb/>
lieb gewinnen lernen. Es i&#x017F;t der Beruf des Staatsraths<lb/>
in Israel, dafu&#x0364;r Sorge zu tragen, daß das gemein&#x017F;chaftliche<lb/>
Band der Liebe, welches die Kinder Israels immer &#x017F;cho&#x0364;ner<lb/>
und inniger vereinigen &#x017F;oll, rein erhalten werde. Weil aber<lb/>
der Staatsrath nicht eher in Tha&#x0364;tigkeit treten kann, als zu¬<lb/>
vor das Vaterland bezeichnet i&#x017F;t, und weil die&#x017F;er Abriß Re¬<lb/>
geln und Vor&#x017F;chriften voraus&#x017F;etzt, welche dem ku&#x0364;nftigen Leben<lb/>
des israeliti&#x017F;chen Volkes zur Grundlage dienen, &#x017F;o muß der<lb/>
Abriß von einem Punkte ausgehen, worin &#x017F;ich das ganze<lb/>
Vaterland, alle Israeliten, wie eine Mannigfaltigkeit von<lb/>
Licht&#x017F;trahlen in einem Brennpunkte vereinigen. Die&#x017F;er Ver¬<lb/>
einigungspunkt &#x017F;ind Wir, Israels Ko&#x0364;nig von Gottes Gnaden<lb/>
und Hoherprie&#x017F;ter von Jeru&#x017F;alem, Siegfried Ju&#x017F;tus <hi rendition="#aq">I</hi>. Kraft<lb/>
Un&#x017F;eres Amtes und des heiligen Gei&#x017F;tes Zebaoth haben Wir<lb/>
durch einen, den Hohen Ma&#x0364;chten mit Un&#x017F;erem Aufrufe im<lb/>
Monat October vorigen Jahres zuge&#x017F;andten und vorgelegten<lb/>
Con&#x017F;titutionsentwurf denjenigen Abriß bezeichnet, welcher von<lb/>
Uns fu&#x0364;r eine Nation bedacht worden i&#x017F;t, die von der Vor&#x017F;<lb/>
hung den hohen Beruf hat, durch ihre wunderbare Ge&#x017F;chichte<lb/>
und an ihrem Bu&#x017F;en alle Vo&#x0364;lker und Ge&#x017F;chlechter zu er¬<lb/>
wa&#x0364;rmen und zu erleuchten. Was hingegen die be&#x017F;onderen<lb/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des israeli&#x017F;chen Volkes betrifft, &#x017F;o &#x017F;teht die&#x017F;es<lb/>
bereits durch &#x017F;eine religio&#x0364;&#x017F;en In&#x017F;titutionen fe&#x017F;t, und um &#x017F;o<lb/>
weit es noch einer Vereinigung bedarf, liegt dies der freien<lb/>
Wirk&#x017F;amkeit Israels und &#x017F;einer Landesdeputirten ob. Als<lb/>
Rechtsgrundlage aller Ge&#x017F;etze, Verordnungen und Vor&#x017F;chriften,<lb/>
welche gegeben werden, dient das go&#x0364;ttliche Recht, d. i. das<lb/>
Recht der Natur, welches Wir unter dem Titel &#x201E;die Rechte<lb/>
Gottes &#x017F;ind die Pflichten der Men&#x017F;chen&#x201D;, dem Reiche Gottes<lb/>
oder dem vereinigten Fu&#x0364;r&#x017F;ten- und Vo&#x0364;lkerbunde vorlegen wer¬<lb/>
den. So lange aber die &#x017F;peciellen Ge&#x017F;etze und Be&#x017F;timmun¬<lb/>
gen vom Staatsrathe nicht geordnet, vereinigt und Un&#x017F;erer<lb/>
Beurtheilung vorgelegt werden ko&#x0364;nnen, dient im Allgemeinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[227/0235] Gebraͤuche und Einrichtungen, deren Regeln und Vorſchriften, welche, wenn ſie einem beſtimmten Plane zum Grunde liegen, man eine Verfaſſung oder Conſtitution nennt, und welche die Kinder des Vaterlandes wie ihre Mutter ſo leicht lieb gewinnen, und worin ſie ihr Vaterland recht eigentlich erſt lieb gewinnen lernen. Es iſt der Beruf des Staatsraths in Israel, dafuͤr Sorge zu tragen, daß das gemeinſchaftliche Band der Liebe, welches die Kinder Israels immer ſchoͤner und inniger vereinigen ſoll, rein erhalten werde. Weil aber der Staatsrath nicht eher in Thaͤtigkeit treten kann, als zu¬ vor das Vaterland bezeichnet iſt, und weil dieſer Abriß Re¬ geln und Vorſchriften vorausſetzt, welche dem kuͤnftigen Leben des israelitiſchen Volkes zur Grundlage dienen, ſo muß der Abriß von einem Punkte ausgehen, worin ſich das ganze Vaterland, alle Israeliten, wie eine Mannigfaltigkeit von Lichtſtrahlen in einem Brennpunkte vereinigen. Dieſer Ver¬ einigungspunkt ſind Wir, Israels Koͤnig von Gottes Gnaden und Hoherprieſter von Jeruſalem, Siegfried Juſtus I. Kraft Unſeres Amtes und des heiligen Geiſtes Zebaoth haben Wir durch einen, den Hohen Maͤchten mit Unſerem Aufrufe im Monat October vorigen Jahres zugeſandten und vorgelegten Conſtitutionsentwurf denjenigen Abriß bezeichnet, welcher von Uns fuͤr eine Nation bedacht worden iſt, die von der Vorſe¬ hung den hohen Beruf hat, durch ihre wunderbare Geſchichte und an ihrem Buſen alle Voͤlker und Geſchlechter zu er¬ waͤrmen und zu erleuchten. Was hingegen die beſonderen Verhaͤltniſſe des israeliſchen Volkes betrifft, ſo ſteht dieſes bereits durch ſeine religioͤſen Inſtitutionen feſt, und um ſo weit es noch einer Vereinigung bedarf, liegt dies der freien Wirkſamkeit Israels und ſeiner Landesdeputirten ob. Als Rechtsgrundlage aller Geſetze, Verordnungen und Vorſchriften, welche gegeben werden, dient das goͤttliche Recht, d. i. das Recht der Natur, welches Wir unter dem Titel „die Rechte Gottes ſind die Pflichten der Menſchen”, dem Reiche Gottes oder dem vereinigten Fuͤrſten- und Voͤlkerbunde vorlegen wer¬ den. So lange aber die ſpeciellen Geſetze und Beſtimmun¬ gen vom Staatsrathe nicht geordnet, vereinigt und Unſerer Beurtheilung vorgelegt werden koͤnnen, dient im Allgemeinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/235
Zitationshilfe: Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/235>, abgerufen am 04.05.2024.