lautes Rufen er den Satan nöthigen wollte, zu erscheinen und ihn in die Hölle zu führen. Einen eintretenden Freund hielt er für den Repräsentanten des Teufels, und warf mit der Bibel nach ihm. Er meinte noch immer es erzwingen zu können, daß die Hölle ihre Flammen aufschlagen ließe, welche einen Weltbrand erzeugen, und durch diesen Alles rei¬ nigen und lautern solle. Satan wollte dies durch Zurückhal¬ ten des Feuers verhindern, deshalb suchte Z. ihn zu reizen durch ein lautes Aufzählen aller Greuel, Schandthaten und Niederträchtigkeiten seit Adam, wobei Religion, Politik, Wis¬ senschaft, Kunst, Handel, Gewerbe, kurz jeder Zweig mensch¬ lichen Wissens und Strebens in Betracht gezogen, und alle merkwürdigen Ereignisse nebst den dabei betheiligten großen Männern genannt wurden.
Den nächsten Tag brachte er in einer beruhigten Stim¬ mung zu, indem er viele Gegenstände exorcisirte, bis am Abend wieder eine größere Aufregung eintrat. Indem er die ihm zur Aufsicht gesetzten Wärter für die Repräsentanten der Ar¬ men dieser Welt hielt, und für sie eine innige Theilnahme empfand, wollte er mit ihnen das heilige Abendmahl mit ei¬ ner Tasse Kaffee und etwas Brot genießen und das Weih¬ nachtsfest feiern, an welchem seine Verwandten, die Armen der Stadt, ja alle lebenden Menschen und zuletzt auch alle Todten, Theil nehmen sollten. Mit heftigem Ungestüm be¬ gehrte er hierauf den Satan zu bannen, damit derselbe ihn in das Todtenreich führe, und er die Gestorbenen in die Ober¬ welt zurückbringen könne. Bald nachher sprang er aus dem Bette, um in der Kirche eine Weihnachtspredigt zu halten, in dem Wahne, er habe als Osterlamm sein Blut für die Welt vergossen. Die ihn zurückhaltenden Wärter sah er als Gesellen des Satans an, welche ihn von seinem Segenswerke abhalten wollten, weshalb er sich mit ihnen in einen langen und harten Kampf einließ, bis er endlich von ihnen über¬ wältigt und ans Bette gefesselt wurde. Eine Menge von Schreckbildern durchkreuzten nun seinen Kopf, bald hielt er seine Wärter für Mörder, gedungen von dem Ortsgeistlichen, welcher von seiner Predigt einen allgemeinen Aufruhr befürch¬
lautes Rufen er den Satan noͤthigen wollte, zu erſcheinen und ihn in die Hoͤlle zu fuͤhren. Einen eintretenden Freund hielt er fuͤr den Repraͤſentanten des Teufels, und warf mit der Bibel nach ihm. Er meinte noch immer es erzwingen zu koͤnnen, daß die Hoͤlle ihre Flammen aufſchlagen ließe, welche einen Weltbrand erzeugen, und durch dieſen Alles rei¬ nigen und lautern ſolle. Satan wollte dies durch Zuruͤckhal¬ ten des Feuers verhindern, deshalb ſuchte Z. ihn zu reizen durch ein lautes Aufzaͤhlen aller Greuel, Schandthaten und Niedertraͤchtigkeiten ſeit Adam, wobei Religion, Politik, Wiſ¬ ſenſchaft, Kunſt, Handel, Gewerbe, kurz jeder Zweig menſch¬ lichen Wiſſens und Strebens in Betracht gezogen, und alle merkwuͤrdigen Ereigniſſe nebſt den dabei betheiligten großen Maͤnnern genannt wurden.
Den naͤchſten Tag brachte er in einer beruhigten Stim¬ mung zu, indem er viele Gegenſtaͤnde exorciſirte, bis am Abend wieder eine groͤßere Aufregung eintrat. Indem er die ihm zur Aufſicht geſetzten Waͤrter fuͤr die Repraͤſentanten der Ar¬ men dieſer Welt hielt, und fuͤr ſie eine innige Theilnahme empfand, wollte er mit ihnen das heilige Abendmahl mit ei¬ ner Taſſe Kaffee und etwas Brot genießen und das Weih¬ nachtsfeſt feiern, an welchem ſeine Verwandten, die Armen der Stadt, ja alle lebenden Menſchen und zuletzt auch alle Todten, Theil nehmen ſollten. Mit heftigem Ungeſtuͤm be¬ gehrte er hierauf den Satan zu bannen, damit derſelbe ihn in das Todtenreich fuͤhre, und er die Geſtorbenen in die Ober¬ welt zuruͤckbringen koͤnne. Bald nachher ſprang er aus dem Bette, um in der Kirche eine Weihnachtspredigt zu halten, in dem Wahne, er habe als Oſterlamm ſein Blut fuͤr die Welt vergoſſen. Die ihn zuruͤckhaltenden Waͤrter ſah er als Geſellen des Satans an, welche ihn von ſeinem Segenswerke abhalten wollten, weshalb er ſich mit ihnen in einen langen und harten Kampf einließ, bis er endlich von ihnen uͤber¬ waͤltigt und ans Bette gefeſſelt wurde. Eine Menge von Schreckbildern durchkreuzten nun ſeinen Kopf, bald hielt er ſeine Waͤrter fuͤr Moͤrder, gedungen von dem Ortsgeiſtlichen, welcher von ſeiner Predigt einen allgemeinen Aufruhr befuͤrch¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0212"n="204"/>
lautes Rufen er den Satan noͤthigen wollte, zu erſcheinen<lb/>
und ihn in die Hoͤlle zu fuͤhren. Einen eintretenden Freund<lb/>
hielt er fuͤr den Repraͤſentanten des Teufels, und warf mit<lb/>
der Bibel nach ihm. Er meinte noch immer es erzwingen<lb/>
zu koͤnnen, daß die Hoͤlle ihre Flammen aufſchlagen ließe,<lb/>
welche einen Weltbrand erzeugen, und durch dieſen Alles rei¬<lb/>
nigen und lautern ſolle. Satan wollte dies durch Zuruͤckhal¬<lb/>
ten des Feuers verhindern, deshalb ſuchte Z. ihn zu reizen<lb/>
durch ein lautes Aufzaͤhlen aller Greuel, Schandthaten und<lb/>
Niedertraͤchtigkeiten ſeit Adam, wobei Religion, Politik, Wiſ¬<lb/>ſenſchaft, Kunſt, Handel, Gewerbe, kurz jeder Zweig menſch¬<lb/>
lichen Wiſſens und Strebens in Betracht gezogen, und alle<lb/>
merkwuͤrdigen Ereigniſſe nebſt den dabei betheiligten großen<lb/>
Maͤnnern genannt wurden.</p><lb/><p>Den naͤchſten Tag brachte er in einer beruhigten Stim¬<lb/>
mung zu, indem er viele Gegenſtaͤnde exorciſirte, bis am Abend<lb/>
wieder eine groͤßere Aufregung eintrat. Indem er die ihm<lb/>
zur Aufſicht geſetzten Waͤrter fuͤr die Repraͤſentanten der Ar¬<lb/>
men dieſer Welt hielt, und fuͤr ſie eine innige Theilnahme<lb/>
empfand, wollte er mit ihnen das heilige Abendmahl mit ei¬<lb/>
ner Taſſe Kaffee und etwas Brot genießen und das Weih¬<lb/>
nachtsfeſt feiern, an welchem ſeine Verwandten, die Armen<lb/>
der Stadt, ja alle lebenden Menſchen und zuletzt auch alle<lb/>
Todten, Theil nehmen ſollten. Mit heftigem Ungeſtuͤm be¬<lb/>
gehrte er hierauf den Satan zu bannen, damit derſelbe ihn<lb/>
in das Todtenreich fuͤhre, und er die Geſtorbenen in die Ober¬<lb/>
welt zuruͤckbringen koͤnne. Bald nachher ſprang er aus dem<lb/>
Bette, um in der Kirche eine Weihnachtspredigt zu halten,<lb/>
in dem Wahne, er habe als Oſterlamm ſein Blut fuͤr die<lb/>
Welt vergoſſen. Die ihn zuruͤckhaltenden Waͤrter ſah er als<lb/>
Geſellen des Satans an, welche ihn von ſeinem Segenswerke<lb/>
abhalten wollten, weshalb er ſich mit ihnen in einen langen<lb/>
und harten Kampf einließ, bis er endlich von ihnen uͤber¬<lb/>
waͤltigt und ans Bette gefeſſelt wurde. Eine Menge von<lb/>
Schreckbildern durchkreuzten nun ſeinen Kopf, bald hielt er<lb/>ſeine Waͤrter fuͤr Moͤrder, gedungen von dem Ortsgeiſtlichen,<lb/>
welcher von ſeiner Predigt einen allgemeinen Aufruhr befuͤrch¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[204/0212]
lautes Rufen er den Satan noͤthigen wollte, zu erſcheinen
und ihn in die Hoͤlle zu fuͤhren. Einen eintretenden Freund
hielt er fuͤr den Repraͤſentanten des Teufels, und warf mit
der Bibel nach ihm. Er meinte noch immer es erzwingen
zu koͤnnen, daß die Hoͤlle ihre Flammen aufſchlagen ließe,
welche einen Weltbrand erzeugen, und durch dieſen Alles rei¬
nigen und lautern ſolle. Satan wollte dies durch Zuruͤckhal¬
ten des Feuers verhindern, deshalb ſuchte Z. ihn zu reizen
durch ein lautes Aufzaͤhlen aller Greuel, Schandthaten und
Niedertraͤchtigkeiten ſeit Adam, wobei Religion, Politik, Wiſ¬
ſenſchaft, Kunſt, Handel, Gewerbe, kurz jeder Zweig menſch¬
lichen Wiſſens und Strebens in Betracht gezogen, und alle
merkwuͤrdigen Ereigniſſe nebſt den dabei betheiligten großen
Maͤnnern genannt wurden.
Den naͤchſten Tag brachte er in einer beruhigten Stim¬
mung zu, indem er viele Gegenſtaͤnde exorciſirte, bis am Abend
wieder eine groͤßere Aufregung eintrat. Indem er die ihm
zur Aufſicht geſetzten Waͤrter fuͤr die Repraͤſentanten der Ar¬
men dieſer Welt hielt, und fuͤr ſie eine innige Theilnahme
empfand, wollte er mit ihnen das heilige Abendmahl mit ei¬
ner Taſſe Kaffee und etwas Brot genießen und das Weih¬
nachtsfeſt feiern, an welchem ſeine Verwandten, die Armen
der Stadt, ja alle lebenden Menſchen und zuletzt auch alle
Todten, Theil nehmen ſollten. Mit heftigem Ungeſtuͤm be¬
gehrte er hierauf den Satan zu bannen, damit derſelbe ihn
in das Todtenreich fuͤhre, und er die Geſtorbenen in die Ober¬
welt zuruͤckbringen koͤnne. Bald nachher ſprang er aus dem
Bette, um in der Kirche eine Weihnachtspredigt zu halten,
in dem Wahne, er habe als Oſterlamm ſein Blut fuͤr die
Welt vergoſſen. Die ihn zuruͤckhaltenden Waͤrter ſah er als
Geſellen des Satans an, welche ihn von ſeinem Segenswerke
abhalten wollten, weshalb er ſich mit ihnen in einen langen
und harten Kampf einließ, bis er endlich von ihnen uͤber¬
waͤltigt und ans Bette gefeſſelt wurde. Eine Menge von
Schreckbildern durchkreuzten nun ſeinen Kopf, bald hielt er
ſeine Waͤrter fuͤr Moͤrder, gedungen von dem Ortsgeiſtlichen,
welcher von ſeiner Predigt einen allgemeinen Aufruhr befuͤrch¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/212>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.