Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.deren hochherzige Gesinnung innige Hochachtung einflößen muß, Aber freilich läßt der Vortrag, in welchen solche asceti¬ deren hochherzige Geſinnung innige Hochachtung einfloͤßen muß, Aber freilich laͤßt der Vortrag, in welchen ſolche asceti¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0163" n="155"/> deren hochherzige Geſinnung innige Hochachtung einfloͤßen muß,<lb/> wenn auch einzelne Miſſionaͤre als Schwaͤrmer und Fanatiker<lb/> in einem ſehr zweideutigen Lichte erſcheinen. Die Spoͤtter<lb/> uͤber dieſe Angelegenheit vergeſſen es gaͤnzlich, daß noch nie¬<lb/> mals Verſuche zur Entwilderung und geiſtig ſittlichen Cultur<lb/> der rohen Volksſtaͤmme auf andere Weiſe als durch die Aus¬<lb/> breitung des Chriſtenthums unter ihnen gelungen ſind, wel¬<lb/> ches auch dadurch ſeinen goͤttlichen Urſprung deutlich bezeugt,<lb/> daß jedes auf dieſe Weiſe fuͤr die Menſchheit gewonnene Volk<lb/> erſt eine lange Reihe von Entwickelungsſtufen, wie unſre Vor¬<lb/> aͤltern, durchlaufen muß, ehe es von ſeiner urſpruͤnglichen Roh¬<lb/> heit zu dem Genuß der geiſtig ſittlichen Freiheit auf der Grund¬<lb/> lage eines gelaͤuterten Glaubens gelangen kann. Das Chri¬<lb/> ſtenthum kann und ſoll eben wegen ſeiner goͤttlichen Natur<lb/> Allen Alles ſein, ſo daß aus ihm Jeder volle Befriedigung<lb/> zu ſchoͤpfen vermag, der erleuchtetſte, tiefſinnigſte Philoſoph,<lb/> wie der ſchlichteſte Verſtand, deſſen Geſichtskreis nicht uͤber die<lb/> Grenze der engſten Verhaͤltniſſe hinausreicht. Wer darf alſo<lb/> fordern, daß der Gottesdienſt, welcher ſo unendlich verſchiedenen<lb/> Beduͤrfniſſen des Geiſtes und Herzens Befriedigung verſchaffen<lb/> ſoll, uͤberall in der naͤmlichen Form und Faſſung gehalten, in<lb/> einer beſtimmten Begriffsſphaͤre abgeſchloſſen werde? Goͤnnt<lb/> doch den Muͤhſeeligen und Beladenen, welche ſich nicht zu hoͤ¬<lb/> herer Weltbetrachtung aufſchwingen koͤnnen, eine ſchlichte, ihren<lb/> Beduͤrfniſſen angemeſſene chriſtliche Lehre, welche ihnen Muth<lb/> und Troſt einfloͤßt, indem ſie das Leben darſtellt als den Kampf<lb/> des glaͤubigen Gemuͤths gegen die Leiden und Verlockungen die¬<lb/> ſer Welt, als die Nachfolge des Kreuzes Chriſti. Sie haben<lb/> ja hier Noth genug zu erdulden, und wie wollten ſie ſie ertra¬<lb/> gen, wenn nicht auf die Trauerbuͤhne ihres verkuͤmmerten Da¬<lb/> ſeins ein himmliſcher Lichtſtrahl fiele, welcher ihr Bewußtſein<lb/> erleuchtend ſie gegen gaͤnzliches Verdumpfen in Verzweiflung<lb/> uͤber endloſes Erdenweh ſchuͤtzte?</p><lb/> <p>Aber freilich laͤßt der Vortrag, in welchen ſolche asceti¬<lb/> ſche Lehren eingekleidet werden, haͤufig nur allzuviel zu wuͤn¬<lb/> ſchen uͤbrig, da er oft genug nicht aus einem liebevollen Herzen,<lb/> ſondern aus einem fanatiſchen Munde kommt, welcher die ſchon<lb/> geaͤngſtigten Gemuͤther mit den Strafgerichten Gottes uͤber die<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0163]
deren hochherzige Geſinnung innige Hochachtung einfloͤßen muß,
wenn auch einzelne Miſſionaͤre als Schwaͤrmer und Fanatiker
in einem ſehr zweideutigen Lichte erſcheinen. Die Spoͤtter
uͤber dieſe Angelegenheit vergeſſen es gaͤnzlich, daß noch nie¬
mals Verſuche zur Entwilderung und geiſtig ſittlichen Cultur
der rohen Volksſtaͤmme auf andere Weiſe als durch die Aus¬
breitung des Chriſtenthums unter ihnen gelungen ſind, wel¬
ches auch dadurch ſeinen goͤttlichen Urſprung deutlich bezeugt,
daß jedes auf dieſe Weiſe fuͤr die Menſchheit gewonnene Volk
erſt eine lange Reihe von Entwickelungsſtufen, wie unſre Vor¬
aͤltern, durchlaufen muß, ehe es von ſeiner urſpruͤnglichen Roh¬
heit zu dem Genuß der geiſtig ſittlichen Freiheit auf der Grund¬
lage eines gelaͤuterten Glaubens gelangen kann. Das Chri¬
ſtenthum kann und ſoll eben wegen ſeiner goͤttlichen Natur
Allen Alles ſein, ſo daß aus ihm Jeder volle Befriedigung
zu ſchoͤpfen vermag, der erleuchtetſte, tiefſinnigſte Philoſoph,
wie der ſchlichteſte Verſtand, deſſen Geſichtskreis nicht uͤber die
Grenze der engſten Verhaͤltniſſe hinausreicht. Wer darf alſo
fordern, daß der Gottesdienſt, welcher ſo unendlich verſchiedenen
Beduͤrfniſſen des Geiſtes und Herzens Befriedigung verſchaffen
ſoll, uͤberall in der naͤmlichen Form und Faſſung gehalten, in
einer beſtimmten Begriffsſphaͤre abgeſchloſſen werde? Goͤnnt
doch den Muͤhſeeligen und Beladenen, welche ſich nicht zu hoͤ¬
herer Weltbetrachtung aufſchwingen koͤnnen, eine ſchlichte, ihren
Beduͤrfniſſen angemeſſene chriſtliche Lehre, welche ihnen Muth
und Troſt einfloͤßt, indem ſie das Leben darſtellt als den Kampf
des glaͤubigen Gemuͤths gegen die Leiden und Verlockungen die¬
ſer Welt, als die Nachfolge des Kreuzes Chriſti. Sie haben
ja hier Noth genug zu erdulden, und wie wollten ſie ſie ertra¬
gen, wenn nicht auf die Trauerbuͤhne ihres verkuͤmmerten Da¬
ſeins ein himmliſcher Lichtſtrahl fiele, welcher ihr Bewußtſein
erleuchtend ſie gegen gaͤnzliches Verdumpfen in Verzweiflung
uͤber endloſes Erdenweh ſchuͤtzte?
Aber freilich laͤßt der Vortrag, in welchen ſolche asceti¬
ſche Lehren eingekleidet werden, haͤufig nur allzuviel zu wuͤn¬
ſchen uͤbrig, da er oft genug nicht aus einem liebevollen Herzen,
ſondern aus einem fanatiſchen Munde kommt, welcher die ſchon
geaͤngſtigten Gemuͤther mit den Strafgerichten Gottes uͤber die
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