lich von Männern stammen würde, die es von ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie, die, wie Rosa Mayreder1) zutreffend bemerkt, als Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy- sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische und psychische Zwangsmittel über die Frau ver- hängen, von denen die doppelte Moral, die dem Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste gebunden wird, das stärkste ist.
Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un- eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch- stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine solche brutale und ungerechte Behandlung der Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.
1) "Mutterschaft", München 1912.
lich von Männern stammen würde, die es von ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie, die, wie Rosa Mayreder1) zutreffend bemerkt, als Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy- sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische und psychische Zwangsmittel über die Frau ver- hängen, von denen die doppelte Moral, die dem Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste gebunden wird, das stärkste ist.
Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un- eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch- stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine solche brutale und ungerechte Behandlung der Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.
1) „Mutterschaft“, München 1912.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0299"n="295"/>
lich von Männern stammen würde, die es von<lb/>
ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer<lb/>
fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden<lb/>
für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr<lb/>
eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie,<lb/>
die, wie Rosa Mayreder<noteplace="foot"n="1)">„Mutterschaft“, München 1912.</note> zutreffend bemerkt, als<lb/>
Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als<lb/>
Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der<lb/>
Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy-<lb/>
sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen<lb/>
ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische<lb/>
und psychische Zwangsmittel über die Frau ver-<lb/>
hängen, von denen die doppelte Moral, die dem<lb/>
Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste<lb/>
gebunden wird, das stärkste ist.</p><lb/><p>Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der<lb/>
Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man<lb/>
begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche<lb/>
Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten<lb/>
Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un-<lb/>
eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß<lb/>
selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den<lb/>
Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem<lb/>
Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch-<lb/>
stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine<lb/>
solche brutale und ungerechte Behandlung der<lb/>
Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[295/0299]
lich von Männern stammen würde, die es von
ihrem Geschlechtsstandpunkt aus viel bequemer
fanden, der Frau die Verantwortung aufzubürden
für eine Handlung, die ausschließlich auf ihr
eigenes Konto zu setzen ist. Außerdem wollten sie,
die, wie Rosa Mayreder 1) zutreffend bemerkt, als
Geschlechtswesen völlig frei und ungebunden, als
Väter aber von der Treue und Zuverlässigkeit der
Mütter ihrer Kinder abhängig sind, kraft der phy-
sischen und psychischen Überlegenheit, die ihnen
ihre sexuelle Ungebundenheit gewährt, physische
und psychische Zwangsmittel über die Frau ver-
hängen, von denen die doppelte Moral, die dem
Manne Freiheit sichert, wo das Weib auf das engste
gebunden wird, das stärkste ist.
Die außereheliche Mutterschaft ist ja bei der
Majorität der Völker eine dornenvolle. Aber man
begreift es eher, daß bei wilden, keine sittliche
Hemmung kennenden, auf dem denkbar tiefsten
Niveau stehenden Naturvölkern, die werdende un-
eheliche Mutter schon dem Tode verfallen ist, daß
selbst bei anderen, höher stehenden, wie bei den
Arabern und Kabylen das uneheliche Kind dem
Untergange geweiht ist, als daß bei einem hoch-
stehenden Kulturvolk, wie bei dem unsrigen, eine
solche brutale und ungerechte Behandlung der
Schutz- und Hilfsbedürftigsten möglich ist.
1) „Mutterschaft“, München 1912.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: gekennzeichnet;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/299>, abgerufen am 31.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.