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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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dernen Kulturmenschheit, der Probierstein für jede
höhere Ethik der zukünftigen Gesellschaft ist.

Ohne Erstarkung der Macht der Frau, ohne
ihr wachsendes Verantwortlich-
keitsgefühl, ihr soziales Verständ-
nis, ihre Höherentwicklung
würde
diese höhere Ethik wohl nie erreicht werden. Hat
dieser Krebsschaden der Gesellschaft sich doch durch
Jahrtausende als letzter Rest primitiver Sexualität
erhalten, so lange die Frau in Abhängigkeit vom
Manne blieb und von ihm nur als Geschlechtswesen
bewertet, zweifelsohne Mißachtung erfuhr.

Erst die organisierte Frauenbewegung hat den
Mut gehabt, mit der Konvention zu brechen, die
den anständigen Frauen bis dahin überhaupt ver-
bot, von diesen Dingen etwas zu wissen, wieviel
mehr davon zu reden. Es gehörte ein großer Mut
dazu, denn die Bahnbrecherinnen in der Sittlich-
keitsfrage mußten kolossale Anfeindungen über
sich ergehen lassen, und beliebt macht man sich auch
heute noch nicht mit Aufklärungsversuchen auf
diesem Gebiete. Das hinderte aber die Frauen doch
nicht, diese Pestbeule der Menschheit aufzudecken
und die Finger in die Wunde zu legen, zu zeigen,
wie der Staat eine doppelte Moral und eine
doppelte Justiz für Mann und Frau ins Leben ge-
rufen hat, die dem Manne einen Freibrief zur Un-
sittlichkeit ausstellte, während er die Frau "zu

dernen Kulturmenschheit, der Probierstein für jede
höhere Ethik der zukünftigen Gesellschaft ist.

Ohne Erstarkung der Macht der Frau, ohne
ihr wachsendes Verantwortlich-
keitsgefühl, ihr soziales Verständ-
nis, ihre Höherentwicklung
würde
diese höhere Ethik wohl nie erreicht werden. Hat
dieser Krebsschaden der Gesellschaft sich doch durch
Jahrtausende als letzter Rest primitiver Sexualität
erhalten, so lange die Frau in Abhängigkeit vom
Manne blieb und von ihm nur als Geschlechtswesen
bewertet, zweifelsohne Mißachtung erfuhr.

Erst die organisierte Frauenbewegung hat den
Mut gehabt, mit der Konvention zu brechen, die
den anständigen Frauen bis dahin überhaupt ver-
bot, von diesen Dingen etwas zu wissen, wieviel
mehr davon zu reden. Es gehörte ein großer Mut
dazu, denn die Bahnbrecherinnen in der Sittlich-
keitsfrage mußten kolossale Anfeindungen über
sich ergehen lassen, und beliebt macht man sich auch
heute noch nicht mit Aufklärungsversuchen auf
diesem Gebiete. Das hinderte aber die Frauen doch
nicht, diese Pestbeule der Menschheit aufzudecken
und die Finger in die Wunde zu legen, zu zeigen,
wie der Staat eine doppelte Moral und eine
doppelte Justiz für Mann und Frau ins Leben ge-
rufen hat, die dem Manne einen Freibrief zur Un-
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[272/0276] dernen Kulturmenschheit, der Probierstein für jede höhere Ethik der zukünftigen Gesellschaft ist. Ohne Erstarkung der Macht der Frau, ohne ihr wachsendes Verantwortlich- keitsgefühl, ihr soziales Verständ- nis, ihre Höherentwicklung würde diese höhere Ethik wohl nie erreicht werden. Hat dieser Krebsschaden der Gesellschaft sich doch durch Jahrtausende als letzter Rest primitiver Sexualität erhalten, so lange die Frau in Abhängigkeit vom Manne blieb und von ihm nur als Geschlechtswesen bewertet, zweifelsohne Mißachtung erfuhr. Erst die organisierte Frauenbewegung hat den Mut gehabt, mit der Konvention zu brechen, die den anständigen Frauen bis dahin überhaupt ver- bot, von diesen Dingen etwas zu wissen, wieviel mehr davon zu reden. Es gehörte ein großer Mut dazu, denn die Bahnbrecherinnen in der Sittlich- keitsfrage mußten kolossale Anfeindungen über sich ergehen lassen, und beliebt macht man sich auch heute noch nicht mit Aufklärungsversuchen auf diesem Gebiete. Das hinderte aber die Frauen doch nicht, diese Pestbeule der Menschheit aufzudecken und die Finger in die Wunde zu legen, zu zeigen, wie der Staat eine doppelte Moral und eine doppelte Justiz für Mann und Frau ins Leben ge- rufen hat, die dem Manne einen Freibrief zur Un- sittlichkeit ausstellte, während er die Frau „zu

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/276>, abgerufen am 23.11.2024.