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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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für Jugendfürsorge gibt es in Deutschland in 256
Orten 1245 Horte mit 84241 Kindern. Da die
Zahl der im Hauptberuf tätigen deutschen Ehe-
frauen, die in der Regel ihre Kinder nicht gut be-
aufsichtigen können, 4 1/2 Millionen beträgt, die
Zahl der unbeaufsichtigten Kinder mithin auch in
die Millionen gehen dürfte, so ist es also nur ein
kleiner Teil, der vorerst in den Horten Unterkunft
gefunden hat, und es verbleibt für das Reich eine
noch viel größere Armee der Arbeitsscheuen und
Verbrecher, als für die Reichshauptstadt. Diese
Riesenarmee zu nützlichen Mitgliedern der Gesell-
schaft heranzuziehen, ist nicht allein ein Gebot der
Menschenpflicht und Nächstenliebe, sondern auch
der Selbsterhaltung, denn als Arbeitsscheue und
Verbrecher sind sie eine Gefahr für die Gesellschaft.

Wie günstig die bereits bestehenden Horte
wirken, darüber konnte eine ihrer rührigsten
leitenden Persönlichkeiten, Frau Anna Plothow,
auf der Fürsorgekonferenz mit Freuden berichten
und zeigen, wieviel Volkserziehungsarbeit in
ihnen bereits geleistet wird, wie ganze Familien
wieder Halt gewannen dadurch, daß der Hort ihnen
ein bis zwei Kinder abnahm. Aber solange sie nur
privater Jnitiative entspringen, können sie nicht
entfernt all die Kinder umfassen, die ihres Schutzes
so nötig bedürfen, ja, bilden sie nur einen Tropfen
im Meere.

für Jugendfürsorge gibt es in Deutschland in 256
Orten 1245 Horte mit 84241 Kindern. Da die
Zahl der im Hauptberuf tätigen deutschen Ehe-
frauen, die in der Regel ihre Kinder nicht gut be-
aufsichtigen können, 4 ½ Millionen beträgt, die
Zahl der unbeaufsichtigten Kinder mithin auch in
die Millionen gehen dürfte, so ist es also nur ein
kleiner Teil, der vorerst in den Horten Unterkunft
gefunden hat, und es verbleibt für das Reich eine
noch viel größere Armee der Arbeitsscheuen und
Verbrecher, als für die Reichshauptstadt. Diese
Riesenarmee zu nützlichen Mitgliedern der Gesell-
schaft heranzuziehen, ist nicht allein ein Gebot der
Menschenpflicht und Nächstenliebe, sondern auch
der Selbsterhaltung, denn als Arbeitsscheue und
Verbrecher sind sie eine Gefahr für die Gesellschaft.

Wie günstig die bereits bestehenden Horte
wirken, darüber konnte eine ihrer rührigsten
leitenden Persönlichkeiten, Frau Anna Plothow,
auf der Fürsorgekonferenz mit Freuden berichten
und zeigen, wieviel Volkserziehungsarbeit in
ihnen bereits geleistet wird, wie ganze Familien
wieder Halt gewannen dadurch, daß der Hort ihnen
ein bis zwei Kinder abnahm. Aber solange sie nur
privater Jnitiative entspringen, können sie nicht
entfernt all die Kinder umfassen, die ihres Schutzes
so nötig bedürfen, ja, bilden sie nur einen Tropfen
im Meere.

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[223/0227] für Jugendfürsorge gibt es in Deutschland in 256 Orten 1245 Horte mit 84241 Kindern. Da die Zahl der im Hauptberuf tätigen deutschen Ehe- frauen, die in der Regel ihre Kinder nicht gut be- aufsichtigen können, 4 ½ Millionen beträgt, die Zahl der unbeaufsichtigten Kinder mithin auch in die Millionen gehen dürfte, so ist es also nur ein kleiner Teil, der vorerst in den Horten Unterkunft gefunden hat, und es verbleibt für das Reich eine noch viel größere Armee der Arbeitsscheuen und Verbrecher, als für die Reichshauptstadt. Diese Riesenarmee zu nützlichen Mitgliedern der Gesell- schaft heranzuziehen, ist nicht allein ein Gebot der Menschenpflicht und Nächstenliebe, sondern auch der Selbsterhaltung, denn als Arbeitsscheue und Verbrecher sind sie eine Gefahr für die Gesellschaft. Wie günstig die bereits bestehenden Horte wirken, darüber konnte eine ihrer rührigsten leitenden Persönlichkeiten, Frau Anna Plothow, auf der Fürsorgekonferenz mit Freuden berichten und zeigen, wieviel Volkserziehungsarbeit in ihnen bereits geleistet wird, wie ganze Familien wieder Halt gewannen dadurch, daß der Hort ihnen ein bis zwei Kinder abnahm. Aber solange sie nur privater Jnitiative entspringen, können sie nicht entfernt all die Kinder umfassen, die ihres Schutzes so nötig bedürfen, ja, bilden sie nur einen Tropfen im Meere.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/227>, abgerufen am 23.11.2024.