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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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Wittwe und Waisen des Verstorbenen, durch dessen
Geisteswerke sie sich bereicherten, im Mindesten zu
kümmern. So steht es mit dem Rechtsinn dieser
würdigen Männer! So mit ihrer zärtlichen Be-
sorgniß für das Wohl des Schriftstellers, dessen
geistiges Eigenthum sie ihm so gerne schützen
wollen, und welches sie doch, wenn kaum seine
Augen geschlossen sind, ganz kontraktswidrig
und folglich widerrechtlich seiner nothleidenden
Familie entreißen. Jst der Nachdrucker, der blos
als unbedingter Eigenthümer seines Exemplars und
der darin enthaltenen Worte und Zeichen betrachtet
werden muß, rechtlich nicht verbunden, sich um
die arme Familie des verstorbenen Schriftstellers zu
bekümmern; so ist es doch dahingegen der Verleger,
der sich durch einen Kontrakt dem Verfasser und
dessen Erben verpflichtete, gegen den ihm gestatte-
ten Vortheil des Vordrucks von seinem natürlichen
Rechte des Nachdrucks nicht eher Gebrauch machen
zu wollen, als bis er sich mit dem Schriftsteller
oder dessen Erben wegen des für eine künftige
Auflage zu zahlenden Honorars vereinbart haben
würde.

Nun frage ich nochmal: mit welchem Rechte
können unter diesen Umständen wohl die Vordrucker
einen Nachdrucker eines Diebstahls beschuldigen?
Jst die Vervielfältigung einer, mir zum unbeschränk-
ten Eigenthum durch Verkauf oder auf andere

Wittwe und Waiſen des Verſtorbenen, durch deſſen
Geiſteswerke ſie ſich bereicherten, im Mindeſten zu
kuͤmmern. So ſteht es mit dem Rechtſinn dieſer
wuͤrdigen Maͤnner! So mit ihrer zaͤrtlichen Be-
ſorgniß fuͤr das Wohl des Schriftſtellers, deſſen
geiſtiges Eigenthum ſie ihm ſo gerne ſchuͤtzen
wollen, und welches ſie doch, wenn kaum ſeine
Augen geſchloſſen ſind, ganz kontraktswidrig
und folglich widerrechtlich ſeiner nothleidenden
Familie entreißen. Jſt der Nachdrucker, der blos
als unbedingter Eigenthuͤmer ſeines Exemplars und
der darin enthaltenen Worte und Zeichen betrachtet
werden muß, rechtlich nicht verbunden, ſich um
die arme Familie des verſtorbenen Schriftſtellers zu
bekuͤmmern; ſo iſt es doch dahingegen der Verleger,
der ſich durch einen Kontrakt dem Verfaſſer und
deſſen Erben verpflichtete, gegen den ihm geſtatte-
ten Vortheil des Vordrucks von ſeinem natuͤrlichen
Rechte des Nachdrucks nicht eher Gebrauch machen
zu wollen, als bis er ſich mit dem Schriftſteller
oder deſſen Erben wegen des fuͤr eine kuͤnftige
Auflage zu zahlenden Honorars vereinbart haben
wuͤrde.

Nun frage ich nochmal: mit welchem Rechte
koͤnnen unter dieſen Umſtaͤnden wohl die Vordrucker
einen Nachdrucker eines Diebſtahls beſchuldigen?
Jſt die Vervielfaͤltigung einer, mir zum unbeſchraͤnk-
ten Eigenthum durch Verkauf oder auf andere

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[52/0052] Wittwe und Waiſen des Verſtorbenen, durch deſſen Geiſteswerke ſie ſich bereicherten, im Mindeſten zu kuͤmmern. So ſteht es mit dem Rechtſinn dieſer wuͤrdigen Maͤnner! So mit ihrer zaͤrtlichen Be- ſorgniß fuͤr das Wohl des Schriftſtellers, deſſen geiſtiges Eigenthum ſie ihm ſo gerne ſchuͤtzen wollen, und welches ſie doch, wenn kaum ſeine Augen geſchloſſen ſind, ganz kontraktswidrig und folglich widerrechtlich ſeiner nothleidenden Familie entreißen. Jſt der Nachdrucker, der blos als unbedingter Eigenthuͤmer ſeines Exemplars und der darin enthaltenen Worte und Zeichen betrachtet werden muß, rechtlich nicht verbunden, ſich um die arme Familie des verſtorbenen Schriftſtellers zu bekuͤmmern; ſo iſt es doch dahingegen der Verleger, der ſich durch einen Kontrakt dem Verfaſſer und deſſen Erben verpflichtete, gegen den ihm geſtatte- ten Vortheil des Vordrucks von ſeinem natuͤrlichen Rechte des Nachdrucks nicht eher Gebrauch machen zu wollen, als bis er ſich mit dem Schriftſteller oder deſſen Erben wegen des fuͤr eine kuͤnftige Auflage zu zahlenden Honorars vereinbart haben wuͤrde. Nun frage ich nochmal: mit welchem Rechte koͤnnen unter dieſen Umſtaͤnden wohl die Vordrucker einen Nachdrucker eines Diebſtahls beſchuldigen? Jſt die Vervielfaͤltigung einer, mir zum unbeſchraͤnk- ten Eigenthum durch Verkauf oder auf andere

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/52>, abgerufen am 06.05.2024.