Gesetzen, sondern dem Willen der regierenden Her- ren, und oft sogar ihrer Weiber und Kinder un- terworfen ist. Leider sind noch nicht alle Frei- staaten dieser Art mit Venedig und Genua ausge- storben, und mehrere neuere Vorgänge, in Ländern, wo man dergleichen schwerlich erwarten sollte, ha- ben gezeigt, daß es eben so gut unter einem tür- kischen Sultan, als in mancher Republik sich wohnen läßt. Ein grausamer, stolzer und will- kührlicher Herrscher steigt vielleicht nach wenigen Jahren schon wieder vom Thron ins Grab, und ein edler, gerechter Fürst tritt an seine Stelle; allein wo eine zahlreiche, gebieterische, ehrgeizige und eigennützige Volksklasse erblich regiert, da ist keine Rettung, keine Ruhe, keine Sicherheit anders zu hoffen, als durch die gänzliche Umwälzung oder den Untergang des unglücklichen Staats selbst.
Wenn gleich zu Anfange dieses Aufsatzes ge- sagt ward, daß der weißjüdische Edelmann sich hinsichtlich mancher Untugenden weniger unangenehm auszeichnete, als die christlichen Rabbiner, so kann man doch nicht umhin, dem Erbadel überhaupt sehr viele und große Uebel zuzuschreiben, unter denen die Menschheit schon seit Jahrhunderten geseufzt und geblutet hat. Wie viele Kriege mußte ein Stand nicht anzetteln, dessen einziges Handwerk der Krieg, und dessen höchste Ehre die auf dem Schlachtfelde erworbenen Lorbeeren waren? Freilich hörten die
Geſetzen, ſondern dem Willen der regierenden Her- ren, und oft ſogar ihrer Weiber und Kinder un- terworfen iſt. Leider ſind noch nicht alle Frei- ſtaaten dieſer Art mit Venedig und Genua ausge- ſtorben, und mehrere neuere Vorgaͤnge, in Laͤndern, wo man dergleichen ſchwerlich erwarten ſollte, ha- ben gezeigt, daß es eben ſo gut unter einem tuͤr- kiſchen Sultan, als in mancher Republik ſich wohnen laͤßt. Ein grauſamer, ſtolzer und will- kuͤhrlicher Herrſcher ſteigt vielleicht nach wenigen Jahren ſchon wieder vom Thron ins Grab, und ein edler, gerechter Fuͤrſt tritt an ſeine Stelle; allein wo eine zahlreiche, gebieteriſche, ehrgeizige und eigennuͤtzige Volksklaſſe erblich regiert, da iſt keine Rettung, keine Ruhe, keine Sicherheit anders zu hoffen, als durch die gaͤnzliche Umwaͤlzung oder den Untergang des ungluͤcklichen Staats ſelbſt.
Wenn gleich zu Anfange dieſes Aufſatzes ge- ſagt ward, daß der weißjuͤdiſche Edelmann ſich hinſichtlich mancher Untugenden weniger unangenehm auszeichnete, als die chriſtlichen Rabbiner, ſo kann man doch nicht umhin, dem Erbadel uͤberhaupt ſehr viele und große Uebel zuzuſchreiben, unter denen die Menſchheit ſchon ſeit Jahrhunderten geſeufzt und geblutet hat. Wie viele Kriege mußte ein Stand nicht anzetteln, deſſen einziges Handwerk der Krieg, und deſſen hoͤchſte Ehre die auf dem Schlachtfelde erworbenen Lorbeeren waren? Freilich hoͤrten die
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Geſetzen, ſondern dem Willen der regierenden Her-
ren, und oft ſogar ihrer Weiber und Kinder un-
terworfen iſt. Leider ſind noch nicht alle Frei-
ſtaaten dieſer Art mit Venedig und Genua ausge-
ſtorben, und mehrere neuere Vorgaͤnge, in Laͤndern,
wo man dergleichen ſchwerlich erwarten ſollte, ha-
ben gezeigt, daß es eben ſo gut unter einem tuͤr-
kiſchen Sultan, als in mancher Republik ſich
wohnen laͤßt. Ein grauſamer, ſtolzer und will-
kuͤhrlicher Herrſcher ſteigt vielleicht nach wenigen
Jahren ſchon wieder vom Thron ins Grab, und
ein edler, gerechter Fuͤrſt tritt an ſeine Stelle;
allein wo eine zahlreiche, gebieteriſche, ehrgeizige
und eigennuͤtzige Volksklaſſe erblich regiert, da iſt
keine Rettung, keine Ruhe, keine Sicherheit anders
zu hoffen, als durch die gaͤnzliche Umwaͤlzung oder
den Untergang des ungluͤcklichen Staats ſelbſt.
Wenn gleich zu Anfange dieſes Aufſatzes ge-
ſagt ward, daß der weißjuͤdiſche Edelmann ſich
hinſichtlich mancher Untugenden weniger unangenehm
auszeichnete, als die chriſtlichen Rabbiner, ſo kann
man doch nicht umhin, dem Erbadel uͤberhaupt ſehr
viele und große Uebel zuzuſchreiben, unter denen
die Menſchheit ſchon ſeit Jahrhunderten geſeufzt und
geblutet hat. Wie viele Kriege mußte ein Stand
nicht anzetteln, deſſen einziges Handwerk der Krieg,
und deſſen hoͤchſte Ehre die auf dem Schlachtfelde
erworbenen Lorbeeren waren? Freilich hoͤrten die
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/365>, abgerufen am 25.11.2024.
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