Als Gott, die Erde und Alles, was darauf lebet, webet und kriecht, geschaffen hatte, da machte er auch ein Männlein und ein gnädiges Fräu- lein, beide von altem turnier- und stiftsfähigem Adel, und setzte sie ein zu Herrschern über die Erde. Die Leckerhaftigkeit der Ahnfrau Eva, der wir die Erbfünde und das Dogma verdanken, daß Gott geoffenbart wurde im Fleisch, brachte uns um un- ser Stamm- und Rittergut Gan-Eden, und der Herr verurtheilte uns, obgleich wir vom Apfel gar nicht mitgenascht hatten, ganz unschuldiger Weise zu arbeiten und im Schweiß unsers Angesichts Brod zu essen und -- Wasser zu trinken. Weil den Herrn aber nachmals, wie dies bekanntlich, laut der hei- ligen Schrift, sehr oft der Fall war, gereuete, was er gethan hatte, so hörte er auf, die Erde zu verfluchen um des Menschen willen, und schuf Bürger und Bauern, die wir kantschuen, peinigen, beherrschen, und die für uns arbeiten sollten.
Späterhin kamen die Kinder Gottes, die hei- ligen Engel oder Prinzen vom Himmel und sahen die Töchter der Menschen, wie sie so schön waren und sich so reizend geschmückt hatten. Sie nahmen zu Gemahlinnen von ihnen, welche sie wollten, (1 B. Mos. Kap. 6.), und zeugten mit ihnen große und gewaltige Helden, welche die Ahnherren aller jetzigen irdischen Herrgötter sind, bei denen die Edelleute von Rechtswegen die Stelle der Seraphim
Als Gott, die Erde und Alles, was darauf lebet, webet und kriecht, geſchaffen hatte, da machte er auch ein Maͤnnlein und ein gnaͤdiges Fraͤu- lein, beide von altem turnier- und ſtiftsfaͤhigem Adel, und ſetzte ſie ein zu Herrſchern uͤber die Erde. Die Leckerhaftigkeit der Ahnfrau Eva, der wir die Erbfuͤnde und das Dogma verdanken, daß Gott geoffenbart wurde im Fleiſch, brachte uns um un- ſer Stamm- und Rittergut Gan-Eden, und der Herr verurtheilte uns, obgleich wir vom Apfel gar nicht mitgenaſcht hatten, ganz unſchuldiger Weiſe zu arbeiten und im Schweiß unſers Angeſichts Brod zu eſſen und — Waſſer zu trinken. Weil den Herrn aber nachmals, wie dies bekanntlich, laut der hei- ligen Schrift, ſehr oft der Fall war, gereuete, was er gethan hatte, ſo hoͤrte er auf, die Erde zu verfluchen um des Menſchen willen, und ſchuf Buͤrger und Bauern, die wir kantſchuen, peinigen, beherrſchen, und die fuͤr uns arbeiten ſollten.
Spaͤterhin kamen die Kinder Gottes, die hei- ligen Engel oder Prinzen vom Himmel und ſahen die Toͤchter der Menſchen, wie ſie ſo ſchoͤn waren und ſich ſo reizend geſchmuͤckt hatten. Sie nahmen zu Gemahlinnen von ihnen, welche ſie wollten, (1 B. Moſ. Kap. 6.), und zeugten mit ihnen große und gewaltige Helden, welche die Ahnherren aller jetzigen irdiſchen Herrgoͤtter ſind, bei denen die Edelleute von Rechtswegen die Stelle der Seraphim
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Als Gott, die Erde und Alles, was darauf lebet,
webet und kriecht, geſchaffen hatte, da machte er
auch ein Maͤnnlein und ein gnaͤdiges Fraͤu-
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Adel, und ſetzte ſie ein zu Herrſchern uͤber die Erde.
Die Leckerhaftigkeit der Ahnfrau Eva, der wir die
Erbfuͤnde und das Dogma verdanken, daß Gott
geoffenbart wurde im Fleiſch, brachte uns um un-
ſer Stamm- und Rittergut Gan-Eden, und der
Herr verurtheilte uns, obgleich wir vom Apfel gar
nicht mitgenaſcht hatten, ganz unſchuldiger Weiſe
zu arbeiten und im Schweiß unſers Angeſichts Brod
zu eſſen und — Waſſer zu trinken. Weil den Herrn
aber nachmals, wie dies bekanntlich, laut der hei-
ligen Schrift, ſehr oft der Fall war, gereuete,
was er gethan hatte, ſo hoͤrte er auf, die Erde
zu verfluchen um des Menſchen willen, und ſchuf
Buͤrger und Bauern, die wir kantſchuen, peinigen,
beherrſchen, und die fuͤr uns arbeiten ſollten.
Spaͤterhin kamen die Kinder Gottes, die hei-
ligen Engel oder Prinzen vom Himmel und ſahen
die Toͤchter der Menſchen, wie ſie ſo ſchoͤn waren
und ſich ſo reizend geſchmuͤckt hatten. Sie nahmen
zu Gemahlinnen von ihnen, welche ſie wollten,
(1 B. Moſ. Kap. 6.), und zeugten mit ihnen große
und gewaltige Helden, welche die Ahnherren aller
jetzigen irdiſchen Herrgoͤtter ſind, bei denen die
Edelleute von Rechtswegen die Stelle der Seraphim
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/335>, abgerufen am 22.11.2024.
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