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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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Jnstitut, welches in seiner vollständigen Ausdeh-
nung dem Geiste der Zeit nicht entsprach, beibehal-
ten und unter bessern Umständen, wieder völlig her-
stellen zu können. Den Zweck hat man jetzt an man-
chen Orten erreicht, und man frägt dort nicht
mehr darnach: ob ein Buch unsittlichen Jnhalts,
sondern ob es gegen das despotische und hierarchi-
sche Prinzip gerichtet sey. Jst nur dies nicht der
Fall, dann wird, es möge übrigens so schändlich
und unsittlich seyn, wie es wolle, dann wird kein
Censor und kein Bischof eine Zeile darin streichen.

Unweit thörichter war der, von den Pfaffen
aufgestellte Beweggrund zur Einführung der Bü-
chercensuren "um die gläubigen Seelen vor Ein-
führung irreligiöser Schriften zu bewahren." Am
Lächerlichsten klingt dieser Vorwand in solchen Staa-
ten, die von verschiedenen Religionssekten bewohnt
werden. Dem strengen Katholiken müssen natürlich
die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines
Arndt, eines Trescho, so orthodox sie auch nach
lutherischen Ansichten sind, als irreligiös erscheinen.
Dem Protestanten werden hingegen die Werke ei-
nes Bossuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligiös
dünken, da sie Dinge enthalten, die dem Augsbur-
gischen Glaubensbekenntnisse geradezu entgegen ge-
setzt sind. Beide, Protestant und Katholik, müssen sich
vollends über die Erbauungsbücher des Juden är-
gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von

Jnſtitut, welches in ſeiner vollſtaͤndigen Ausdeh-
nung dem Geiſte der Zeit nicht entſprach, beibehal-
ten und unter beſſern Umſtaͤnden, wieder voͤllig her-
ſtellen zu koͤnnen. Den Zweck hat man jetzt an man-
chen Orten erreicht, und man fraͤgt dort nicht
mehr darnach: ob ein Buch unſittlichen Jnhalts,
ſondern ob es gegen das despotiſche und hierarchi-
ſche Prinzip gerichtet ſey. Jſt nur dies nicht der
Fall, dann wird, es moͤge uͤbrigens ſo ſchaͤndlich
und unſittlich ſeyn, wie es wolle, dann wird kein
Cenſor und kein Biſchof eine Zeile darin ſtreichen.

Unweit thoͤrichter war der, von den Pfaffen
aufgeſtellte Beweggrund zur Einfuͤhrung der Buͤ-
chercenſuren »um die glaͤubigen Seelen vor Ein-
fuͤhrung irreligioͤſer Schriften zu bewahren.« Am
Laͤcherlichſten klingt dieſer Vorwand in ſolchen Staa-
ten, die von verſchiedenen Religionsſekten bewohnt
werden. Dem ſtrengen Katholiken muͤſſen natuͤrlich
die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines
Arndt, eines Treſcho, ſo orthodox ſie auch nach
lutheriſchen Anſichten ſind, als irreligioͤs erſcheinen.
Dem Proteſtanten werden hingegen die Werke ei-
nes Boſſuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligioͤs
duͤnken, da ſie Dinge enthalten, die dem Augsbur-
giſchen Glaubensbekenntniſſe geradezu entgegen ge-
ſetzt ſind. Beide, Proteſtant und Katholik, muͤſſen ſich
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[210/0210] Jnſtitut, welches in ſeiner vollſtaͤndigen Ausdeh- nung dem Geiſte der Zeit nicht entſprach, beibehal- ten und unter beſſern Umſtaͤnden, wieder voͤllig her- ſtellen zu koͤnnen. Den Zweck hat man jetzt an man- chen Orten erreicht, und man fraͤgt dort nicht mehr darnach: ob ein Buch unſittlichen Jnhalts, ſondern ob es gegen das despotiſche und hierarchi- ſche Prinzip gerichtet ſey. Jſt nur dies nicht der Fall, dann wird, es moͤge uͤbrigens ſo ſchaͤndlich und unſittlich ſeyn, wie es wolle, dann wird kein Cenſor und kein Biſchof eine Zeile darin ſtreichen. Unweit thoͤrichter war der, von den Pfaffen aufgeſtellte Beweggrund zur Einfuͤhrung der Buͤ- chercenſuren »um die glaͤubigen Seelen vor Ein- fuͤhrung irreligioͤſer Schriften zu bewahren.« Am Laͤcherlichſten klingt dieſer Vorwand in ſolchen Staa- ten, die von verſchiedenen Religionsſekten bewohnt werden. Dem ſtrengen Katholiken muͤſſen natuͤrlich die Schriften eines Luther, eines Bengel, eines Arndt, eines Treſcho, ſo orthodox ſie auch nach lutheriſchen Anſichten ſind, als irreligioͤs erſcheinen. Dem Proteſtanten werden hingegen die Werke ei- nes Boſſuet, Jais, Brunner gleichfalls irreligioͤs duͤnken, da ſie Dinge enthalten, die dem Augsbur- giſchen Glaubensbekenntniſſe geradezu entgegen ge- ſetzt ſind. Beide, Proteſtant und Katholik, muͤſſen ſich vollends uͤber die Erbauungsbuͤcher des Juden aͤr- gern, welcher von keiner Dreieinigkeit und von

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/210>, abgerufen am 03.05.2024.