Beifall und die Zufriedenheit ihrer Mitbürger sich bewirbt; wo man freisinnige, für das Wohl ihres Vaterlandes arbeitende Männer mit frecher Stirne der Empörung und aufrührischer Absichten beschul- digen und anklagen darf, und gar noch wohl mit Geschenken und Ehrenstellen dafür belohnt wird; wo die Minister die Wahlen der sogenannten De- putirten des Volkes leiten, und durch alle Künste der Bestechung, ja selbst durch Drohungen ihre Schmarotzer und Kreaturen in die Reihen der Volksvertreter einschieben; da ist die Charte oder Verfassung nur noch ein Schatten, ein Blendwerk, womit man das unglückliche geäffte Volk zu täu- schen und zu betrügen sucht. Der Machthaber, der sogar schlecht genug ist, selbst die, ihrer Pflicht noch getreuen Abgeordneten seines Volks durch Drohungen und Strafen einzuschüchtern, oder durch Belohnungen sie zu verleiten, die beschworne Ver- fassung umstürzen zu helfen, und dem Umsturz schweigend mit zuzusehen, handelt, und wenn ihn auch die ganze Welt den allerchristlichsten Mann auf Erden nennte, weit schändlicher, weit gewis- senloser, als der unumschränkte Despot, als ein Nero oder Tiberius, der vom Christenthum nichts weiß, sich durch keine Verträge, durch keine Eide verpflichtet hat, und als wilder Tiger seine Macht zur Qual und Unterdrückung seiner Unterthanen mißbraucht. Aber schrecklich ist das Erwachen der
Beifall und die Zufriedenheit ihrer Mitbuͤrger ſich bewirbt; wo man freiſinnige, fuͤr das Wohl ihres Vaterlandes arbeitende Maͤnner mit frecher Stirne der Empoͤrung und aufruͤhriſcher Abſichten beſchul- digen und anklagen darf, und gar noch wohl mit Geſchenken und Ehrenſtellen dafuͤr belohnt wird; wo die Miniſter die Wahlen der ſogenannten De- putirten des Volkes leiten, und durch alle Kuͤnſte der Beſtechung, ja ſelbſt durch Drohungen ihre Schmarotzer und Kreaturen in die Reihen der Volksvertreter einſchieben; da iſt die Charte oder Verfaſſung nur noch ein Schatten, ein Blendwerk, womit man das ungluͤckliche geaͤffte Volk zu taͤu- ſchen und zu betruͤgen ſucht. Der Machthaber, der ſogar ſchlecht genug iſt, ſelbſt die, ihrer Pflicht noch getreuen Abgeordneten ſeines Volks durch Drohungen und Strafen einzuſchuͤchtern, oder durch Belohnungen ſie zu verleiten, die beſchworne Ver- faſſung umſtuͤrzen zu helfen, und dem Umſturz ſchweigend mit zuzuſehen, handelt, und wenn ihn auch die ganze Welt den allerchriſtlichſten Mann auf Erden nennte, weit ſchaͤndlicher, weit gewiſ- ſenloſer, als der unumſchraͤnkte Despot, als ein Nero oder Tiberius, der vom Chriſtenthum nichts weiß, ſich durch keine Vertraͤge, durch keine Eide verpflichtet hat, und als wilder Tiger ſeine Macht zur Qual und Unterdruͤckung ſeiner Unterthanen mißbraucht. Aber ſchrecklich iſt das Erwachen der
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Beifall und die Zufriedenheit ihrer Mitbuͤrger ſich
bewirbt; wo man freiſinnige, fuͤr das Wohl ihres
Vaterlandes arbeitende Maͤnner mit frecher Stirne
der Empoͤrung und aufruͤhriſcher Abſichten beſchul-
digen und anklagen darf, und gar noch wohl mit
Geſchenken und Ehrenſtellen dafuͤr belohnt wird;
wo die Miniſter die Wahlen der ſogenannten De-
putirten des Volkes leiten, und durch alle Kuͤnſte
der Beſtechung, ja ſelbſt durch Drohungen ihre
Schmarotzer und Kreaturen in die Reihen der
Volksvertreter einſchieben; da iſt die Charte oder
Verfaſſung nur noch ein Schatten, ein Blendwerk,
womit man das ungluͤckliche geaͤffte Volk zu taͤu-
ſchen und zu betruͤgen ſucht. Der Machthaber, der
ſogar ſchlecht genug iſt, ſelbſt die, ihrer Pflicht
noch getreuen Abgeordneten ſeines Volks durch
Drohungen und Strafen einzuſchuͤchtern, oder durch
Belohnungen ſie zu verleiten, die beſchworne Ver-
faſſung umſtuͤrzen zu helfen, und dem Umſturz
ſchweigend mit zuzuſehen, handelt, und wenn ihn
auch die ganze Welt den allerchriſtlichſten Mann
auf Erden nennte, weit ſchaͤndlicher, weit gewiſ-
ſenloſer, als der unumſchraͤnkte Despot, als ein
Nero oder Tiberius, der vom Chriſtenthum nichts
weiß, ſich durch keine Vertraͤge, durch keine Eide
verpflichtet hat, und als wilder Tiger ſeine Macht
zur Qual und Unterdruͤckung ſeiner Unterthanen
mißbraucht. Aber ſchrecklich iſt das Erwachen der
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/176>, abgerufen am 27.11.2024.
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