Die Geschichte des Ausgangs der Jsraeliten aus Aegypten wird aus einem Buche, Manisthana genannt, vorgelesen. Von jedem der, in der Schüs- sel liegenden Gegenstände handelt ein besonderes Kapitel. Wenn eins dieser Dinge beim Lesen er- wähnt wird, zeigt man mit dem Finger darauf. Endlich, nach der eigentlichen Mahlzeit stellt man die Schüssel bedeckt auf den Tisch, und füllt die sämmtlichen, rings um den Kelch des Propheten Elias stehenden Becher zum vierten Mal, singt den 113ten bis 119ten Psalm mit großer Andacht, und trinkt nach gesprochenem Segen den letzten Wein.
Am ersten Ostertage wird der Morgengottes- dienst mit einer Menge von Ceremonien und Gebe- ten gefeiert. Oft hebt man nicht allein ein Gesetz- buch, sondern deren wohl zwei aus der Arche, und fünf Männer werden aufgerufen, um daraus vor- zulesen; fällt der Tag gerade auf einen Sabbath, so müssen es sieben thun. Nachher spricht der Priester (Cohen) mit ausgebreiteten Fingern über das Volk den Segen. Es ist aber ernstlichst verbo- ten, den Priestern oder Cohenim hiebei, auf die Finger zu sehen, weil die Schechinah, die Herr- lichkeit Gottes dann auf ihren Händen ruht, und man durch das Anschauen derselben blind wird *). Tout comme chez nous! Auch unsere Priester
*) Minhagim S. 27; Orachchajim Nr. 484 u. ff.
Die Geſchichte des Ausgangs der Jſraeliten aus Aegypten wird aus einem Buche, Maniſthana genannt, vorgeleſen. Von jedem der, in der Schuͤſ- ſel liegenden Gegenſtaͤnde handelt ein beſonderes Kapitel. Wenn eins dieſer Dinge beim Leſen er- waͤhnt wird, zeigt man mit dem Finger darauf. Endlich, nach der eigentlichen Mahlzeit ſtellt man die Schuͤſſel bedeckt auf den Tiſch, und fuͤllt die ſaͤmmtlichen, rings um den Kelch des Propheten Elias ſtehenden Becher zum vierten Mal, ſingt den 113ten bis 119ten Pſalm mit großer Andacht, und trinkt nach geſprochenem Segen den letzten Wein.
Am erſten Oſtertage wird der Morgengottes- dienſt mit einer Menge von Ceremonien und Gebe- ten gefeiert. Oft hebt man nicht allein ein Geſetz- buch, ſondern deren wohl zwei aus der Arche, und fuͤnf Maͤnner werden aufgerufen, um daraus vor- zuleſen; faͤllt der Tag gerade auf einen Sabbath, ſo muͤſſen es ſieben thun. Nachher ſpricht der Prieſter (Cohen) mit ausgebreiteten Fingern uͤber das Volk den Segen. Es iſt aber ernſtlichſt verbo- ten, den Prieſtern oder Cohenim hiebei, auf die Finger zu ſehen, weil die Schechinah, die Herr- lichkeit Gottes dann auf ihren Haͤnden ruht, und man durch das Anſchauen derſelben blind wird *). Tout comme chez nous! Auch unſere Prieſter
*) Minhagim S. 27; Orachchajim Nr. 484 u. ff.
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Die Geſchichte des Ausgangs der Jſraeliten aus
Aegypten wird aus einem Buche, Maniſthana
genannt, vorgeleſen. Von jedem der, in der Schuͤſ-
ſel liegenden Gegenſtaͤnde handelt ein beſonderes
Kapitel. Wenn eins dieſer Dinge beim Leſen er-
waͤhnt wird, zeigt man mit dem Finger darauf.
Endlich, nach der eigentlichen Mahlzeit ſtellt man
die Schuͤſſel bedeckt auf den Tiſch, und fuͤllt die
ſaͤmmtlichen, rings um den Kelch des Propheten
Elias ſtehenden Becher zum vierten Mal, ſingt den
113ten bis 119ten Pſalm mit großer Andacht, und
trinkt nach geſprochenem Segen den letzten Wein.
Am erſten Oſtertage wird der Morgengottes-
dienſt mit einer Menge von Ceremonien und Gebe-
ten gefeiert. Oft hebt man nicht allein ein Geſetz-
buch, ſondern deren wohl zwei aus der Arche, und
fuͤnf Maͤnner werden aufgerufen, um daraus vor-
zuleſen; faͤllt der Tag gerade auf einen Sabbath,
ſo muͤſſen es ſieben thun. Nachher ſpricht der
Prieſter (Cohen) mit ausgebreiteten Fingern uͤber
das Volk den Segen. Es iſt aber ernſtlichſt verbo-
ten, den Prieſtern oder Cohenim hiebei, auf die
Finger zu ſehen, weil die Schechinah, die Herr-
lichkeit Gottes dann auf ihren Haͤnden ruht, und
man durch das Anſchauen derſelben blind wird *).
Tout comme chez nous! Auch unſere Prieſter
*) Minhagim S. 27; Orachchajim Nr. 484 u. ff.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/320>, abgerufen am 16.02.2025.
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