nebst einer kleinen Schüssel mit Essig müssen wir uns erinnern, daß unsere Väter in Aegypten bit- tere Kräuter aßen." Ein hartgebratenes Ey und Salz vertreten die Stelle der Opfer.
Wenn es die Verhältnisse irgend erlauben, setzt man für Jeden, vom großen Hausherrn und der dicken stattlichen Hausmama an bis zu dem kleinen Messias in der Wiege und dem lieblich duftenden Blümchen in den Windeln herab einen Becher mit Wein auf den Tisch. Jn der Mitte steht der größte von allen, der Becher des Propheten Elias. Be- denkt man die ungeheure Menge ähnlicher Becher, die dem guten Propheten während dieses Festes eingeschenkt werden, so sollte man fast an seiner Nüchternheit zweifeln! Allein Propheten und Poe- ten haben große Rechte und gewöhnlich starken Durst.
Die Hausfrau zündet drei Feiertagslichter an, löscht sie wieder aus, und spricht, wenn sie zum zweiten Mal brennen, den Segen darüber. Die Kinder empfangen, so wie am Sabbath, gleichfalls den Segen von beiden Eltern. Zum Essen erscheint Jeder in seinem Todtenhemde; wer keines hat, muß ein anderes weißes Gewand anlegen. Mit den stolzen Worten: Jetzt sind wir Könige in Jsrael! setzt sich der Hausherr auf sein Königsbette. Als König darf er weder sich noch einem Andern Wein einschenken; das muß ein Dritter thun. Jm Noth-
nebſt einer kleinen Schuͤſſel mit Eſſig muͤſſen wir uns erinnern, daß unſere Vaͤter in Aegypten bit- tere Kraͤuter aßen.« Ein hartgebratenes Ey und Salz vertreten die Stelle der Opfer.
Wenn es die Verhaͤltniſſe irgend erlauben, ſetzt man fuͤr Jeden, vom großen Hausherrn und der dicken ſtattlichen Hausmama an bis zu dem kleinen Meſſias in der Wiege und dem lieblich duftenden Bluͤmchen in den Windeln herab einen Becher mit Wein auf den Tiſch. Jn der Mitte ſteht der groͤßte von allen, der Becher des Propheten Elias. Be- denkt man die ungeheure Menge aͤhnlicher Becher, die dem guten Propheten waͤhrend dieſes Feſtes eingeſchenkt werden, ſo ſollte man faſt an ſeiner Nuͤchternheit zweifeln! Allein Propheten und Poe- ten haben große Rechte und gewoͤhnlich ſtarken Durſt.
Die Hausfrau zuͤndet drei Feiertagslichter an, loͤſcht ſie wieder aus, und ſpricht, wenn ſie zum zweiten Mal brennen, den Segen daruͤber. Die Kinder empfangen, ſo wie am Sabbath, gleichfalls den Segen von beiden Eltern. Zum Eſſen erſcheint Jeder in ſeinem Todtenhemde; wer keines hat, muß ein anderes weißes Gewand anlegen. Mit den ſtolzen Worten: Jetzt ſind wir Koͤnige in Jſrael! ſetzt ſich der Hausherr auf ſein Koͤnigsbette. Als Koͤnig darf er weder ſich noch einem Andern Wein einſchenken; das muß ein Dritter thun. Jm Noth-
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nebſt einer kleinen Schuͤſſel mit Eſſig muͤſſen wir
uns erinnern, daß unſere Vaͤter in Aegypten bit-
tere Kraͤuter aßen.« Ein hartgebratenes Ey und
Salz vertreten die Stelle der Opfer.
Wenn es die Verhaͤltniſſe irgend erlauben, ſetzt
man fuͤr Jeden, vom großen Hausherrn und der
dicken ſtattlichen Hausmama an bis zu dem kleinen
Meſſias in der Wiege und dem lieblich duftenden
Bluͤmchen in den Windeln herab einen Becher mit
Wein auf den Tiſch. Jn der Mitte ſteht der groͤßte
von allen, der Becher des Propheten Elias. Be-
denkt man die ungeheure Menge aͤhnlicher Becher,
die dem guten Propheten waͤhrend dieſes Feſtes
eingeſchenkt werden, ſo ſollte man faſt an ſeiner
Nuͤchternheit zweifeln! Allein Propheten und Poe-
ten haben große Rechte und gewoͤhnlich ſtarken
Durſt.
Die Hausfrau zuͤndet drei Feiertagslichter an,
loͤſcht ſie wieder aus, und ſpricht, wenn ſie zum
zweiten Mal brennen, den Segen daruͤber. Die
Kinder empfangen, ſo wie am Sabbath, gleichfalls
den Segen von beiden Eltern. Zum Eſſen erſcheint
Jeder in ſeinem Todtenhemde; wer keines hat, muß
ein anderes weißes Gewand anlegen. Mit den
ſtolzen Worten: Jetzt ſind wir Koͤnige in Jſrael!
ſetzt ſich der Hausherr auf ſein Koͤnigsbette. Als
Koͤnig darf er weder ſich noch einem Andern Wein
einſchenken; das muß ein Dritter thun. Jm Noth-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/308>, abgerufen am 22.11.2024.
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