Du sollst ferner das Brod in hohen Ehren halten; es nicht verunreinigen; keine Schüssel oder dergleichen darauf setzen; nichts davon unter den Teller legen; es nicht verachten oder gar darauf schelten; besonders aber sollst du kein Krümchen auf die Erde fallen lassen, und es mit Füßen treten; denn wer irgend eins von Allen diesen Dingen thut, der wird in große Dürftigkeit gerathen. Der En- gel Nabel ist von dem heiligen, hochgelobten Gott dazu bestellt, diejenigen in Unglück und Armuth zu bringen, die sich jener Uebertretungen schuldig ma- chen. Dieser Engel faßte einst einen tödtlichen Haß gegen einen sehr frommen Mann, und wünschte ihn ins Elend zu stürzen. Allenthalben schlich er demselben nach, und lauerte auf, ob er nicht ir- gendwo ein Krümchen Brod fallen ließe, und es mit den Füßen träte; aber vergebens. Endlich setzte der Mann sich einmal im Felde auf hochgewachse- nes Gras nieder und aß. Da freuete sich der En- gel und frohlockte: nun soll er mir gewiß nicht entkommen! Allein, als der Fromme gegessen hatte, nahm er eine Schaufel, grub die Rasen mit allen Brosamen aus, und warf sie ins Wasser, damit die Fische die Brodkrümchen aufäßen. Wie der Engel dies sahe, rief er aus der Höhe, so daß jener es hörte: Wehe mir, wehe mir, dieser Ge- rechte hat mich aus meiner Wohnung vergebens
Du ſollſt ferner das Brod in hohen Ehren halten; es nicht verunreinigen; keine Schuͤſſel oder dergleichen darauf ſetzen; nichts davon unter den Teller legen; es nicht verachten oder gar darauf ſchelten; beſonders aber ſollſt du kein Kruͤmchen auf die Erde fallen laſſen, und es mit Fuͤßen treten; denn wer irgend eins von Allen dieſen Dingen thut, der wird in große Duͤrftigkeit gerathen. Der En- gel Nabel iſt von dem heiligen, hochgelobten Gott dazu beſtellt, diejenigen in Ungluͤck und Armuth zu bringen, die ſich jener Uebertretungen ſchuldig ma- chen. Dieſer Engel faßte einſt einen toͤdtlichen Haß gegen einen ſehr frommen Mann, und wuͤnſchte ihn ins Elend zu ſtuͤrzen. Allenthalben ſchlich er demſelben nach, und lauerte auf, ob er nicht ir- gendwo ein Kruͤmchen Brod fallen ließe, und es mit den Fuͤßen traͤte; aber vergebens. Endlich ſetzte der Mann ſich einmal im Felde auf hochgewachſe- nes Gras nieder und aß. Da freuete ſich der En- gel und frohlockte: nun ſoll er mir gewiß nicht entkommen! Allein, als der Fromme gegeſſen hatte, nahm er eine Schaufel, grub die Raſen mit allen Broſamen aus, und warf ſie ins Waſſer, damit die Fiſche die Brodkruͤmchen aufaͤßen. Wie der Engel dies ſahe, rief er aus der Hoͤhe, ſo daß jener es hoͤrte: Wehe mir, wehe mir, dieſer Ge- rechte hat mich aus meiner Wohnung vergebens
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Du ſollſt ferner das Brod in hohen Ehren
halten; es nicht verunreinigen; keine Schuͤſſel oder
dergleichen darauf ſetzen; nichts davon unter den
Teller legen; es nicht verachten oder gar darauf
ſchelten; beſonders aber ſollſt du kein Kruͤmchen auf
die Erde fallen laſſen, und es mit Fuͤßen treten;
denn wer irgend eins von Allen dieſen Dingen thut,
der wird in große Duͤrftigkeit gerathen. Der En-
gel Nabel iſt von dem heiligen, hochgelobten Gott
dazu beſtellt, diejenigen in Ungluͤck und Armuth zu
bringen, die ſich jener Uebertretungen ſchuldig ma-
chen. Dieſer Engel faßte einſt einen toͤdtlichen Haß
gegen einen ſehr frommen Mann, und wuͤnſchte
ihn ins Elend zu ſtuͤrzen. Allenthalben ſchlich er
demſelben nach, und lauerte auf, ob er nicht ir-
gendwo ein Kruͤmchen Brod fallen ließe, und es
mit den Fuͤßen traͤte; aber vergebens. Endlich ſetzte
der Mann ſich einmal im Felde auf hochgewachſe-
nes Gras nieder und aß. Da freuete ſich der En-
gel und frohlockte: nun ſoll er mir gewiß nicht
entkommen! Allein, als der Fromme gegeſſen hatte,
nahm er eine Schaufel, grub die Raſen mit allen
Broſamen aus, und warf ſie ins Waſſer, damit
die Fiſche die Brodkruͤmchen aufaͤßen. Wie der
Engel dies ſahe, rief er aus der Hoͤhe, ſo daß
jener es hoͤrte: Wehe mir, wehe mir, dieſer Ge-
rechte hat mich aus meiner Wohnung vergebens
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 2. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule02_1822/157>, abgerufen am 23.11.2024.
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