Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

schwerlich befolgt worden seyn. Jm Vertrauen auf
den unendlich liebevollen gütigen Vater würden die
verderbten Jsraeliten sich nach wie vor, in Schan-
de und Laster gewälzt haben, und wären vielleicht
in gänzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß-
te er ihnen Gott immer so zeigen, wie sie selbst ihn
sich dachten: als einen starken, eifrigen und rach-
gierigen Gott, der die Sünden der Väter heimsucht
an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der
nicht um das Beßte seiner Menschen zu fördern,
sondern aus bloßer Willkühr Gesetze giebt, denen
man blindlings gehorchen müsse. Seine Dogmatik
war übrigens -- die Opfer, Fasten, Speiseverbote
und Reinigungen bei Seite gesetzt, -- die einfach-
ste, welche jemals erfunden ward. Sie kannte
weder Himmel, noch Hölle, noch Fegfeuer, noch
irgend einen andern Zustand der Vergeltung und
Veredlung nach diesem Leben. Selbst das größte
Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunst,
von dessen Annahme doch, wie ich glaube, die künf-
tige Seligkeit aller Sterblichen abhängt, die Drei-
einigkeit Gottes, vermissen wir ganz; ja es wird
demselben sogar ausdrücklich widersprochen; denn
allenthalben ist nur von einem einigen, nie von
einem dreieinigen Gott die Rede.

Auffallend scheint es zwar, daß Moses blos
zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes seinen
Jsraeliten als Beweggründe zur Frömmigkeit auf-
stellte, und daß er nichts von einem Leben nach

ſchwerlich befolgt worden ſeyn. Jm Vertrauen auf
den unendlich liebevollen guͤtigen Vater wuͤrden die
verderbten Jſraeliten ſich nach wie vor, in Schan-
de und Laſter gewaͤlzt haben, und waͤren vielleicht
in gaͤnzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß-
te er ihnen Gott immer ſo zeigen, wie ſie ſelbſt ihn
ſich dachten: als einen ſtarken, eifrigen und rach-
gierigen Gott, der die Suͤnden der Vaͤter heimſucht
an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der
nicht um das Beßte ſeiner Menſchen zu foͤrdern,
ſondern aus bloßer Willkuͤhr Geſetze giebt, denen
man blindlings gehorchen muͤſſe. Seine Dogmatik
war uͤbrigens — die Opfer, Faſten, Speiſeverbote
und Reinigungen bei Seite geſetzt, — die einfach-
ſte, welche jemals erfunden ward. Sie kannte
weder Himmel, noch Hoͤlle, noch Fegfeuer, noch
irgend einen andern Zuſtand der Vergeltung und
Veredlung nach dieſem Leben. Selbſt das groͤßte
Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunſt,
von deſſen Annahme doch, wie ich glaube, die kuͤnf-
tige Seligkeit aller Sterblichen abhaͤngt, die Drei-
einigkeit Gottes, vermiſſen wir ganz; ja es wird
demſelben ſogar ausdruͤcklich widerſprochen; denn
allenthalben iſt nur von einem einigen, nie von
einem dreieinigen Gott die Rede.

Auffallend ſcheint es zwar, daß Moſes blos
zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes ſeinen
Jſraeliten als Beweggruͤnde zur Froͤmmigkeit auf-
ſtellte, und daß er nichts von einem Leben nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0081" n="47"/>
&#x017F;chwerlich befolgt worden &#x017F;eyn. Jm Vertrauen auf<lb/>
den unendlich liebevollen gu&#x0364;tigen Vater wu&#x0364;rden die<lb/>
verderbten J&#x017F;raeliten &#x017F;ich nach wie vor, in Schan-<lb/>
de und La&#x017F;ter gewa&#x0364;lzt haben, und wa&#x0364;ren vielleicht<lb/>
in ga&#x0364;nzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß-<lb/>
te er ihnen Gott immer &#x017F;o zeigen, wie &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t ihn<lb/>
&#x017F;ich dachten: als einen &#x017F;tarken, eifrigen und rach-<lb/>
gierigen Gott, der die Su&#x0364;nden der Va&#x0364;ter heim&#x017F;ucht<lb/>
an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der<lb/>
nicht um das Beßte &#x017F;einer Men&#x017F;chen zu fo&#x0364;rdern,<lb/>
&#x017F;ondern aus bloßer Willku&#x0364;hr Ge&#x017F;etze giebt, denen<lb/>
man blindlings gehorchen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Seine Dogmatik<lb/>
war u&#x0364;brigens &#x2014; die Opfer, Fa&#x017F;ten, Spei&#x017F;everbote<lb/>
und Reinigungen bei Seite ge&#x017F;etzt, &#x2014; die einfach-<lb/>
&#x017F;te, welche jemals erfunden ward. Sie kannte<lb/>
weder Himmel, noch Ho&#x0364;lle, noch Fegfeuer, noch<lb/>
irgend einen andern Zu&#x017F;tand der Vergeltung und<lb/>
Veredlung nach die&#x017F;em Leben. Selb&#x017F;t das gro&#x0364;ßte<lb/>
Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkun&#x017F;t,<lb/>
von de&#x017F;&#x017F;en Annahme doch, wie ich glaube, die ku&#x0364;nf-<lb/>
tige Seligkeit aller Sterblichen abha&#x0364;ngt, die Drei-<lb/>
einigkeit Gottes, vermi&#x017F;&#x017F;en wir ganz; ja es wird<lb/>
dem&#x017F;elben &#x017F;ogar ausdru&#x0364;cklich wider&#x017F;prochen; denn<lb/>
allenthalben i&#x017F;t nur von einem <hi rendition="#g">einigen,</hi> nie von<lb/>
einem <hi rendition="#g">dreieinigen</hi> Gott die Rede.</p><lb/>
        <p>Auffallend &#x017F;cheint es zwar, daß Mo&#x017F;es blos<lb/>
zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes &#x017F;einen<lb/>
J&#x017F;raeliten als Beweggru&#x0364;nde zur Fro&#x0364;mmigkeit auf-<lb/>
&#x017F;tellte, und daß er nichts von einem Leben nach<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0081] ſchwerlich befolgt worden ſeyn. Jm Vertrauen auf den unendlich liebevollen guͤtigen Vater wuͤrden die verderbten Jſraeliten ſich nach wie vor, in Schan- de und Laſter gewaͤlzt haben, und waͤren vielleicht in gaͤnzlichen Atheismus gerathen. Deßhalb muß- te er ihnen Gott immer ſo zeigen, wie ſie ſelbſt ihn ſich dachten: als einen ſtarken, eifrigen und rach- gierigen Gott, der die Suͤnden der Vaͤter heimſucht an Kindern und Kindeskindern; als einen Gott, der nicht um das Beßte ſeiner Menſchen zu foͤrdern, ſondern aus bloßer Willkuͤhr Geſetze giebt, denen man blindlings gehorchen muͤſſe. Seine Dogmatik war uͤbrigens — die Opfer, Faſten, Speiſeverbote und Reinigungen bei Seite geſetzt, — die einfach- ſte, welche jemals erfunden ward. Sie kannte weder Himmel, noch Hoͤlle, noch Fegfeuer, noch irgend einen andern Zuſtand der Vergeltung und Veredlung nach dieſem Leben. Selbſt das groͤßte Geheimniß der Glaubenslehre und der Rechenkunſt, von deſſen Annahme doch, wie ich glaube, die kuͤnf- tige Seligkeit aller Sterblichen abhaͤngt, die Drei- einigkeit Gottes, vermiſſen wir ganz; ja es wird demſelben ſogar ausdruͤcklich widerſprochen; denn allenthalben iſt nur von einem einigen, nie von einem dreieinigen Gott die Rede. Auffallend ſcheint es zwar, daß Moſes blos zeitliche Strafen und Belohnungen Gottes ſeinen Jſraeliten als Beweggruͤnde zur Froͤmmigkeit auf- ſtellte, und daß er nichts von einem Leben nach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/81
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/81>, abgerufen am 22.11.2024.