dachten sie ihren Gott sich gleichfalls. Er hatte Ar- me und Beine, einen Mund zum Sprechen, eine Nase zum Riechen der Opfer, die man ihm brach- te. Was er heute gethan, das gereute, nach ih- ren Ansichten, ihn morgen; was er gestern geseg- net hatte, das verfluchte er heute. Wie sie ihre Feinde haßten und verfolgten; so haßte und ver- folgte er, nach ihrer Meinung, die Seinigen. Sein Zorn konnte nur, gleich dem ihrigen, durch blutige Opfer beschworen werden; war es nicht das Blut des Beleidigers, so mußte es das Blut eines un- schuldigen Thieres, oder wohl gar eines Menschen seyn, welches man vergoß, um den Grimm des Höchsten zu versöhnen. Daß ein wirklich ge- rechter Gott so wenig, wie ein gerechter Rich- ter einen Schuldlosen, statt eines Schuldigen stra- fen könne, um seiner beleidigten Gerechtigkeit ein genügendes Opfer zu bringen, fiel ihnen nicht ein. Gott hatte, wie sie wähnten, seine Gesetze nicht zum Beßten der Menschen, sondern aus bloßer Willkühr gegeben, und ihre Uebertretung mit harten Strafen verpönt. Er mußte also seiner Wahrhaftigkeit und seiner Gerechtigkeit genügen; er mußte strafen, weil er einmal Strafe gedrohet, und als wahrhaftiger Gott seine Drohung erfüllen mußte; gleichviel, ob seine Strafe den Schuldigen oder einen Unschuldigen traf. Sie machten es ja gleichfalls so! Mußte doch gar oft bei ihnen, wenn sie Rache geschworen hatten, der arme Säugling
dachten ſie ihren Gott ſich gleichfalls. Er hatte Ar- me und Beine, einen Mund zum Sprechen, eine Naſe zum Riechen der Opfer, die man ihm brach- te. Was er heute gethan, das gereute, nach ih- ren Anſichten, ihn morgen; was er geſtern geſeg- net hatte, das verfluchte er heute. Wie ſie ihre Feinde haßten und verfolgten; ſo haßte und ver- folgte er, nach ihrer Meinung, die Seinigen. Sein Zorn konnte nur, gleich dem ihrigen, durch blutige Opfer beſchworen werden; war es nicht das Blut des Beleidigers, ſo mußte es das Blut eines un- ſchuldigen Thieres, oder wohl gar eines Menſchen ſeyn, welches man vergoß, um den Grimm des Hoͤchſten zu verſoͤhnen. Daß ein wirklich ge- rechter Gott ſo wenig, wie ein gerechter Rich- ter einen Schuldloſen, ſtatt eines Schuldigen ſtra- fen koͤnne, um ſeiner beleidigten Gerechtigkeit ein genuͤgendes Opfer zu bringen, fiel ihnen nicht ein. Gott hatte, wie ſie waͤhnten, ſeine Geſetze nicht zum Beßten der Menſchen, ſondern aus bloßer Willkuͤhr gegeben, und ihre Uebertretung mit harten Strafen verpoͤnt. Er mußte alſo ſeiner Wahrhaftigkeit und ſeiner Gerechtigkeit genuͤgen; er mußte ſtrafen, weil er einmal Strafe gedrohet, und als wahrhaftiger Gott ſeine Drohung erfuͤllen mußte; gleichviel, ob ſeine Strafe den Schuldigen oder einen Unſchuldigen traf. Sie machten es ja gleichfalls ſo! Mußte doch gar oft bei ihnen, wenn ſie Rache geſchworen hatten, der arme Saͤugling
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dachten ſie ihren Gott ſich gleichfalls. Er hatte Ar-
me und Beine, einen Mund zum Sprechen, eine
Naſe zum Riechen der Opfer, die man ihm brach-
te. Was er heute gethan, das gereute, nach ih-
ren Anſichten, ihn morgen; was er geſtern geſeg-
net hatte, das verfluchte er heute. Wie ſie ihre
Feinde haßten und verfolgten; ſo haßte und ver-
folgte er, nach ihrer Meinung, die Seinigen. Sein
Zorn konnte nur, gleich dem ihrigen, durch blutige
Opfer beſchworen werden; war es nicht das Blut
des Beleidigers, ſo mußte es das Blut eines un-
ſchuldigen Thieres, oder wohl gar eines Menſchen
ſeyn, welches man vergoß, um den Grimm des
Hoͤchſten zu verſoͤhnen. Daß ein wirklich ge-
rechter Gott ſo wenig, wie ein gerechter Rich-
ter einen Schuldloſen, ſtatt eines Schuldigen ſtra-
fen koͤnne, um ſeiner beleidigten Gerechtigkeit ein
genuͤgendes Opfer zu bringen, fiel ihnen nicht ein.
Gott hatte, wie ſie waͤhnten, ſeine Geſetze nicht
zum Beßten der Menſchen, ſondern aus bloßer
Willkuͤhr gegeben, und ihre Uebertretung mit
harten Strafen verpoͤnt. Er mußte alſo ſeiner
Wahrhaftigkeit und ſeiner Gerechtigkeit genuͤgen;
er mußte ſtrafen, weil er einmal Strafe gedrohet,
und als wahrhaftiger Gott ſeine Drohung erfuͤllen
mußte; gleichviel, ob ſeine Strafe den Schuldigen
oder einen Unſchuldigen traf. Sie machten es ja
gleichfalls ſo! Mußte doch gar oft bei ihnen, wenn
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/79>, abgerufen am 25.11.2024.
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