Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

gen zu sprechen, wo er Jahrtausende, und nicht
von Stunden, wo er viele Jahre oder Monate
meinte; denn was nützt mir die Weissagung, deren
Sinn ich nicht verstehe, und die zu einer tausend-
fachen Auslegung sich eignet. Würde der Prophet
jenes nicht wollen; so würde ich ihm nimmermehr
zutrauen, daß er ein wahrer Prophet sey, und
mehr als ich von der Zukunft wisse.

Jch spreche hier nicht von den heiligen Männern
Gottes, denen der heilige Geist selbst den Schleier
der Zukunft lüftete, und die auf seinen Antrieb mit
so großer Klarheit redeten, daß auch der gewöhn-
lichste Mensch sie verstehen kann. Warum sollte
Gott nicht, wenn es in dem Plan seiner Weltre-
gierung liegt, einzelnen Menschen die Ereignisse der
Zukunft enthüllen können, um durch sie ein oder
mehrere Völker, vielleicht die ganze Menschheit zu
ihrem Vortheil auf große und wichtige Begebenhei-
ten aufmerksam zu machen? Dies zu leugnen, liegt
eben so wenig in meinem Zweck, als ich der tau-
sendste seyn will, und bei der Beschränktheit meiner
Kenntnisse seyn kann, welcher es beweist.

Zu allen Zeiten und unter allen Völkern gab
es Weissager, deren Aussprüche häufig in Erfüllung
giengen. Unsere Theologen behaupten: daß diese
nicht auf Antrieb des heiligen Geistes, sondern des
Teufels geredet haben. Jch glaube keines von bei-
den. Ward eine ihrer Weissagungen erfüllt, so
war es ein Zufall. Sollte nicht in einer langen

gen zu ſprechen, wo er Jahrtauſende, und nicht
von Stunden, wo er viele Jahre oder Monate
meinte; denn was nuͤtzt mir die Weiſſagung, deren
Sinn ich nicht verſtehe, und die zu einer tauſend-
fachen Auslegung ſich eignet. Wuͤrde der Prophet
jenes nicht wollen; ſo wuͤrde ich ihm nimmermehr
zutrauen, daß er ein wahrer Prophet ſey, und
mehr als ich von der Zukunft wiſſe.

Jch ſpreche hier nicht von den heiligen Maͤnnern
Gottes, denen der heilige Geiſt ſelbſt den Schleier
der Zukunft luͤftete, und die auf ſeinen Antrieb mit
ſo großer Klarheit redeten, daß auch der gewoͤhn-
lichſte Menſch ſie verſtehen kann. Warum ſollte
Gott nicht, wenn es in dem Plan ſeiner Weltre-
gierung liegt, einzelnen Menſchen die Ereigniſſe der
Zukunft enthuͤllen koͤnnen, um durch ſie ein oder
mehrere Voͤlker, vielleicht die ganze Menſchheit zu
ihrem Vortheil auf große und wichtige Begebenhei-
ten aufmerkſam zu machen? Dies zu leugnen, liegt
eben ſo wenig in meinem Zweck, als ich der tau-
ſendſte ſeyn will, und bei der Beſchraͤnktheit meiner
Kenntniſſe ſeyn kann, welcher es beweist.

Zu allen Zeiten und unter allen Voͤlkern gab
es Weiſſager, deren Ausſpruͤche haͤufig in Erfuͤllung
giengen. Unſere Theologen behaupten: daß dieſe
nicht auf Antrieb des heiligen Geiſtes, ſondern des
Teufels geredet haben. Jch glaube keines von bei-
den. Ward eine ihrer Weiſſagungen erfuͤllt, ſo
war es ein Zufall. Sollte nicht in einer langen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0298" n="264"/>
gen zu &#x017F;prechen, wo er Jahrtau&#x017F;ende, und nicht<lb/>
von Stunden, wo er viele Jahre oder Monate<lb/>
meinte; denn was nu&#x0364;tzt mir die Wei&#x017F;&#x017F;agung, deren<lb/>
Sinn ich nicht ver&#x017F;tehe, und die zu einer tau&#x017F;end-<lb/>
fachen Auslegung &#x017F;ich eignet. Wu&#x0364;rde der Prophet<lb/>
jenes nicht wollen; &#x017F;o wu&#x0364;rde ich ihm nimmermehr<lb/>
zutrauen, daß er ein wahrer Prophet &#x017F;ey, und<lb/>
mehr als ich von der Zukunft wi&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Jch &#x017F;preche hier nicht von den heiligen Ma&#x0364;nnern<lb/>
Gottes, denen der heilige Gei&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t den Schleier<lb/>
der Zukunft lu&#x0364;ftete, und die auf &#x017F;einen Antrieb mit<lb/>
&#x017F;o großer Klarheit redeten, daß auch der gewo&#x0364;hn-<lb/>
lich&#x017F;te Men&#x017F;ch &#x017F;ie ver&#x017F;tehen kann. Warum &#x017F;ollte<lb/>
Gott nicht, wenn es in dem Plan &#x017F;einer Weltre-<lb/>
gierung liegt, einzelnen Men&#x017F;chen die Ereigni&#x017F;&#x017F;e der<lb/>
Zukunft enthu&#x0364;llen ko&#x0364;nnen, um durch &#x017F;ie ein oder<lb/>
mehrere Vo&#x0364;lker, vielleicht die ganze Men&#x017F;chheit zu<lb/>
ihrem Vortheil auf große und wichtige Begebenhei-<lb/>
ten aufmerk&#x017F;am zu machen? Dies zu leugnen, liegt<lb/>
eben &#x017F;o wenig in meinem Zweck, als ich der tau-<lb/>
&#x017F;end&#x017F;te &#x017F;eyn will, und bei der Be&#x017F;chra&#x0364;nktheit meiner<lb/>
Kenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;eyn kann, welcher es beweist.</p><lb/>
        <p>Zu allen Zeiten und unter allen Vo&#x0364;lkern gab<lb/>
es Wei&#x017F;&#x017F;ager, deren Aus&#x017F;pru&#x0364;che ha&#x0364;ufig in Erfu&#x0364;llung<lb/>
giengen. Un&#x017F;ere Theologen behaupten: daß die&#x017F;e<lb/>
nicht auf Antrieb des heiligen Gei&#x017F;tes, &#x017F;ondern des<lb/>
Teufels geredet haben. Jch glaube keines von bei-<lb/>
den. Ward eine ihrer Wei&#x017F;&#x017F;agungen erfu&#x0364;llt, &#x017F;o<lb/>
war es ein Zufall. Sollte nicht in einer langen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0298] gen zu ſprechen, wo er Jahrtauſende, und nicht von Stunden, wo er viele Jahre oder Monate meinte; denn was nuͤtzt mir die Weiſſagung, deren Sinn ich nicht verſtehe, und die zu einer tauſend- fachen Auslegung ſich eignet. Wuͤrde der Prophet jenes nicht wollen; ſo wuͤrde ich ihm nimmermehr zutrauen, daß er ein wahrer Prophet ſey, und mehr als ich von der Zukunft wiſſe. Jch ſpreche hier nicht von den heiligen Maͤnnern Gottes, denen der heilige Geiſt ſelbſt den Schleier der Zukunft luͤftete, und die auf ſeinen Antrieb mit ſo großer Klarheit redeten, daß auch der gewoͤhn- lichſte Menſch ſie verſtehen kann. Warum ſollte Gott nicht, wenn es in dem Plan ſeiner Weltre- gierung liegt, einzelnen Menſchen die Ereigniſſe der Zukunft enthuͤllen koͤnnen, um durch ſie ein oder mehrere Voͤlker, vielleicht die ganze Menſchheit zu ihrem Vortheil auf große und wichtige Begebenhei- ten aufmerkſam zu machen? Dies zu leugnen, liegt eben ſo wenig in meinem Zweck, als ich der tau- ſendſte ſeyn will, und bei der Beſchraͤnktheit meiner Kenntniſſe ſeyn kann, welcher es beweist. Zu allen Zeiten und unter allen Voͤlkern gab es Weiſſager, deren Ausſpruͤche haͤufig in Erfuͤllung giengen. Unſere Theologen behaupten: daß dieſe nicht auf Antrieb des heiligen Geiſtes, ſondern des Teufels geredet haben. Jch glaube keines von bei- den. Ward eine ihrer Weiſſagungen erfuͤllt, ſo war es ein Zufall. Sollte nicht in einer langen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/298
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/298>, abgerufen am 13.05.2024.