Keine Nation beweist besser als die Juden, in welche unzerstörbare Fesseln eine abgöttisch verehrte Priesterkaste den menschlichen Geist auf Jahrtau- sende zu schmieden vermag. Der Aberglaube er- scheint einem so befangenen Volke um so heiliger, je älter er ist; er verwächst mit dem ganzen We- sen desselben, wie der Polyp mit dem Herzen. Wo er recht tief sich eingekrallt hat, da ist bloße Ver- nunft ein unzureichendes Werkzeug, seine Eulen- klauen zu lösen, und durch gewaltsames Ausreißen derselben würde man die edelsten Theile verletzen. Pflicht ist es aber, ihn so unschädlich zu machen, wie möglich, und ihn, wenn nicht mit einmal, doch allmählig durch Spott und beizende Mittel zu zwingen, seine Beute fahren zu lassen. Alle übri- gen Völker wechselten häufig ihre Mythologieen und die äußern Formen ihrer Gottesverehrung, ob mit Vortheil? ist freilich eine Frage. Die Juden ha- ben -- wenigstens in dieser Hinsicht -- niemals gewechselt. Einzelne Abfälle zum heidnischen Kul- tus kann man hieher nicht rechnen, da die Mehr- zahl immer bei der Nationalreligion blieb, und auch die Abgefallenen bald wieder zu derselben zu- rückkehrten. Das war natürlich, denn ihr ursprüng- licher religiöser Glaube fand ein sehr fruchtbares Feld in dem unbändigen Hange zum Geheimniß- vollen und Wunderbaren, der von ihren Priestern oder Leviten mit Abentheuerlichkeiten und Grübeleien jeglicher Art reichlich genährt ward, und in ihrer
Keine Nation beweist beſſer als die Juden, in welche unzerſtoͤrbare Feſſeln eine abgoͤttiſch verehrte Prieſterkaſte den menſchlichen Geiſt auf Jahrtau- ſende zu ſchmieden vermag. Der Aberglaube er- ſcheint einem ſo befangenen Volke um ſo heiliger, je aͤlter er iſt; er verwaͤchst mit dem ganzen We- ſen deſſelben, wie der Polyp mit dem Herzen. Wo er recht tief ſich eingekrallt hat, da iſt bloße Ver- nunft ein unzureichendes Werkzeug, ſeine Eulen- klauen zu loͤſen, und durch gewaltſames Ausreißen derſelben wuͤrde man die edelſten Theile verletzen. Pflicht iſt es aber, ihn ſo unſchaͤdlich zu machen, wie moͤglich, und ihn, wenn nicht mit einmal, doch allmaͤhlig durch Spott und beizende Mittel zu zwingen, ſeine Beute fahren zu laſſen. Alle uͤbri- gen Voͤlker wechſelten haͤufig ihre Mythologieen und die aͤußern Formen ihrer Gottesverehrung, ob mit Vortheil? iſt freilich eine Frage. Die Juden ha- ben — wenigſtens in dieſer Hinſicht — niemals gewechſelt. Einzelne Abfaͤlle zum heidniſchen Kul- tus kann man hieher nicht rechnen, da die Mehr- zahl immer bei der Nationalreligion blieb, und auch die Abgefallenen bald wieder zu derſelben zu- ruͤckkehrten. Das war natuͤrlich, denn ihr urſpruͤng- licher religioͤſer Glaube fand ein ſehr fruchtbares Feld in dem unbaͤndigen Hange zum Geheimniß- vollen und Wunderbaren, der von ihren Prieſtern oder Leviten mit Abentheuerlichkeiten und Gruͤbeleien jeglicher Art reichlich genaͤhrt ward, und in ihrer
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Keine Nation beweist beſſer als die Juden, in
welche unzerſtoͤrbare Feſſeln eine abgoͤttiſch verehrte
Prieſterkaſte den menſchlichen Geiſt auf Jahrtau-
ſende zu ſchmieden vermag. Der Aberglaube er-
ſcheint einem ſo befangenen Volke um ſo heiliger,
je aͤlter er iſt; er verwaͤchst mit dem ganzen We-
ſen deſſelben, wie der Polyp mit dem Herzen. Wo
er recht tief ſich eingekrallt hat, da iſt bloße Ver-
nunft ein unzureichendes Werkzeug, ſeine Eulen-
klauen zu loͤſen, und durch gewaltſames Ausreißen
derſelben wuͤrde man die edelſten Theile verletzen.
Pflicht iſt es aber, ihn ſo unſchaͤdlich zu machen,
wie moͤglich, und ihn, wenn nicht mit einmal,
doch allmaͤhlig durch Spott und beizende Mittel zu
zwingen, ſeine Beute fahren zu laſſen. Alle uͤbri-
gen Voͤlker wechſelten haͤufig ihre Mythologieen und
die aͤußern Formen ihrer Gottesverehrung, ob mit
Vortheil? iſt freilich eine Frage. Die Juden ha-
ben — wenigſtens in dieſer Hinſicht — niemals
gewechſelt. Einzelne Abfaͤlle zum heidniſchen Kul-
tus kann man hieher nicht rechnen, da die Mehr-
zahl immer bei der Nationalreligion blieb, und
auch die Abgefallenen bald wieder zu derſelben zu-
ruͤckkehrten. Das war natuͤrlich, denn ihr urſpruͤng-
licher religioͤſer Glaube fand ein ſehr fruchtbares
Feld in dem unbaͤndigen Hange zum Geheimniß-
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oder Leviten mit Abentheuerlichkeiten und Gruͤbeleien
jeglicher Art reichlich genaͤhrt ward, und in ihrer
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/137>, abgerufen am 24.11.2024.
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