apokryphischen Bücher verwiesen wurde, sind die einzigen Denkmale altjüdischer Philosophie, das Ein- zige, was die Jsraeliten selbst werth hielten, auf- zubewahren. Viele dieser Sittensprüche kann man von jedem Mütterchen am Spinnrocken hören. Mit Ausschluß mehrerer Abschnitte im Sirach (m. s. zum Beispiel Kapitel 41) findet man in keinem der übri- gen etwas tief und zusammenhängend Gedachtes; nirgend herrscht auch nur ein Schatten von syste- matischer Ordnung; alles liegt so bunt durch ein- ander, wie die alten Kleider in der Bude eines jüdischen Trödlers. Hiemit bestreite ich übrigens keinesweges die Göttlichkeit und Vortrefflichkeit die- ser Bücher. Sie enthalten eine Menge herrlicher, gemeinfaßlicher Aussprüche, viele recht zweckmäßige Vorschriften für das bürgerliche und sittliche Leben, und manche treffende feine Bemerkungen; allein ich betrachte sie in der gegenwärtigen Beziehung und im jetzigen Augenblick auch nicht als göttliche Bücher, wofür ich sie übrigens von Herzen gern anerkenne, sondern als blos menschliche Denkmale der jüdischen Art zu philosophiren.
Leset hingegen die Werke eines Plato und Ari- stoteles, eines Cicero und selbst eines Seneca, die theils ganze Systeme philosophischer Wissenschaften, theils zusammenhängende Abhandlungen einzelner Theile derselben schrieben! Welche Richtigkeit in der Folge ihrer Gedanken und Schlüsse! Welch' eine schöne Verbindung, welche Ordnung in ihren Wer-
apokryphiſchen Buͤcher verwieſen wurde, ſind die einzigen Denkmale altjuͤdiſcher Philoſophie, das Ein- zige, was die Jſraeliten ſelbſt werth hielten, auf- zubewahren. Viele dieſer Sittenſpruͤche kann man von jedem Muͤtterchen am Spinnrocken hoͤren. Mit Ausſchluß mehrerer Abſchnitte im Sirach (m. ſ. zum Beiſpiel Kapitel 41) findet man in keinem der uͤbri- gen etwas tief und zuſammenhaͤngend Gedachtes; nirgend herrſcht auch nur ein Schatten von ſyſte- matiſcher Ordnung; alles liegt ſo bunt durch ein- ander, wie die alten Kleider in der Bude eines juͤdiſchen Troͤdlers. Hiemit beſtreite ich uͤbrigens keinesweges die Goͤttlichkeit und Vortrefflichkeit die- ſer Buͤcher. Sie enthalten eine Menge herrlicher, gemeinfaßlicher Ausſpruͤche, viele recht zweckmaͤßige Vorſchriften fuͤr das buͤrgerliche und ſittliche Leben, und manche treffende feine Bemerkungen; allein ich betrachte ſie in der gegenwaͤrtigen Beziehung und im jetzigen Augenblick auch nicht als goͤttliche Buͤcher, wofuͤr ich ſie uͤbrigens von Herzen gern anerkenne, ſondern als blos menſchliche Denkmale der juͤdiſchen Art zu philoſophiren.
Leſet hingegen die Werke eines Plato und Ari- ſtoteles, eines Cicero und ſelbſt eines Seneca, die theils ganze Syſteme philoſophiſcher Wiſſenſchaften, theils zuſammenhaͤngende Abhandlungen einzelner Theile derſelben ſchrieben! Welche Richtigkeit in der Folge ihrer Gedanken und Schluͤſſe! Welch’ eine ſchoͤne Verbindung, welche Ordnung in ihren Wer-
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apokryphiſchen Buͤcher verwieſen wurde, ſind die
einzigen Denkmale altjuͤdiſcher Philoſophie, das Ein-
zige, was die Jſraeliten ſelbſt werth hielten, auf-
zubewahren. Viele dieſer Sittenſpruͤche kann man
von jedem Muͤtterchen am Spinnrocken hoͤren. Mit
Ausſchluß mehrerer Abſchnitte im Sirach (m. ſ. zum
Beiſpiel Kapitel 41) findet man in keinem der uͤbri-
gen etwas tief und zuſammenhaͤngend Gedachtes;
nirgend herrſcht auch nur ein Schatten von ſyſte-
matiſcher Ordnung; alles liegt ſo bunt durch ein-
ander, wie die alten Kleider in der Bude eines
juͤdiſchen Troͤdlers. Hiemit beſtreite ich uͤbrigens
keinesweges die Goͤttlichkeit und Vortrefflichkeit die-
ſer Buͤcher. Sie enthalten eine Menge herrlicher,
gemeinfaßlicher Ausſpruͤche, viele recht zweckmaͤßige
Vorſchriften fuͤr das buͤrgerliche und ſittliche Leben,
und manche treffende feine Bemerkungen; allein ich
betrachte ſie in der gegenwaͤrtigen Beziehung und
im jetzigen Augenblick auch nicht als goͤttliche
Buͤcher, wofuͤr ich ſie uͤbrigens von Herzen gern
anerkenne, ſondern als blos menſchliche Denkmale
der juͤdiſchen Art zu philoſophiren.
Leſet hingegen die Werke eines Plato und Ari-
ſtoteles, eines Cicero und ſelbſt eines Seneca, die
theils ganze Syſteme philoſophiſcher Wiſſenſchaften,
theils zuſammenhaͤngende Abhandlungen einzelner
Theile derſelben ſchrieben! Welche Richtigkeit in der
Folge ihrer Gedanken und Schluͤſſe! Welch’ eine
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 1. Jerusalem [i. e. Aarau], 1822, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule01_1822/105>, abgerufen am 22.11.2024.
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