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Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444.

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den Seiten brechen die Laven aus. Auch sind dort die klei-
nen Craters, die vor 2 Jahren die ganze Insel erleuchteten.
Zwei Monate lang hörte man ein unterirdisches Canonen-
feuer, und Häuser-grosse Steine wurden 4000 Fuß in die
Luft geschleudert. Ich habe hier sehr wichtige mineralogi-
sche Beobachtungen gemacht. Dieser Pic ist ein Basaltberg,
auf dem Porphirschiefer und Obsidian-Porphir aufgesezt ist.
In ihm wüthet Feuer und Wasser. Ueberall sah ich Was-
serdämpfe ausbrechen; fast alle Laven sind geschmolzener
Basalt; der Bimstein ist aus dem Obsidian-Porphir entstan-
den; ich habe Stüke, die beides noch halb sind. Vor dem
Crater, unter Stämmen, die man la stanza de las Ingleses
nennt, am Fuß eines Lavastroms brachten wir eine Nacht
im Freien zu. Um 2 Uhr Nachts sezten wir uns schon in
Marsch nach dem lezten Kegel. Der Himmel war vollkom-
men sternhell, und der Mond schien sanft; aber diese schö-
nen Zeiten sollten uns nicht bleiben. Der Sturm fieng hef-
tig an, um die Gipfel zu brausen; wir mußten uns fast an
den Kranz des Craters anklammern; donnerähnlich tobte
die Luft in den Klüften, und eine Wolkenhülle schied uns
von der belebten Welt. Wir klimmten den Kegel hinab,
einsam über den Dünsten, einsam, wie ein Schiff auf dem
Meere. Dieser schnelle Uebergang von der schönen heitern
Mondhelle zu der Finsterniß und die Oede des Nebels mach-
ten einen rührenden Eindruk.

In der Villa Orotava ist ein Drachenbaum (Dracaena
Draco) 45 Fuß im Umfang. Vor 400 Jahren war er schon
so dik, als jezt. Fast mit Thränen reise ich ab; ich möch-
te mich hier ansiedeln, und kaum bin ich weg vom europäi-

schen

den Seiten brechen die Laven aus. Auch ſind dort die klei-
nen Craters, die vor 2 Jahren die ganze Inſel erleuchteten.
Zwei Monate lang hörte man ein unterirdiſches Canonen-
feuer, und Häuſer-groſſe Steine wurden 4000 Fuß in die
Luft geſchleudert. Ich habe hier ſehr wichtige mineralogi-
ſche Beobachtungen gemacht. Dieſer Pic iſt ein Baſaltberg,
auf dem Porphirſchiefer und Obſidian-Porphir aufgeſezt iſt.
In ihm wüthet Feuer und Waſſer. Ueberall ſah ich Waſ-
ſerdämpfe ausbrechen; faſt alle Laven ſind geſchmolzener
Baſalt; der Bimſtein iſt aus dem Obſidian-Porphir entſtan-
den; ich habe Stüke, die beides noch halb ſind. Vor dem
Crater, unter Stämmen, die man la ſtanza de las Ingleſes
nennt, am Fuß eines Lavaſtroms brachten wir eine Nacht
im Freien zu. Um 2 Uhr Nachts ſezten wir uns ſchon in
Marſch nach dem lezten Kegel. Der Himmel war vollkom-
men ſternhell, und der Mond ſchien ſanft; aber dieſe ſchö-
nen Zeiten ſollten uns nicht bleiben. Der Sturm fieng hef-
tig an, um die Gipfel zu brauſen; wir mußten uns faſt an
den Kranz des Craters anklammern; donnerähnlich tobte
die Luft in den Klüften, und eine Wolkenhülle ſchied uns
von der belebten Welt. Wir klimmten den Kegel hinab,
einſam über den Dünſten, einſam, wie ein Schiff auf dem
Meere. Dieſer ſchnelle Uebergang von der ſchönen heitern
Mondhelle zu der Finſterniß und die Oede des Nebels mach-
ten einen rührenden Eindruk.

In der Villa Orotava iſt ein Drachenbaum (Dracaena
Draco) 45 Fuß im Umfang. Vor 400 Jahren war er ſchon
ſo dik, als jezt. Faſt mit Thränen reiſe ich ab; ich möch-
te mich hier anſiedeln, und kaum bin ich weg vom europäi-

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[440/0004] den Seiten brechen die Laven aus. Auch ſind dort die klei- nen Craters, die vor 2 Jahren die ganze Inſel erleuchteten. Zwei Monate lang hörte man ein unterirdiſches Canonen- feuer, und Häuſer-groſſe Steine wurden 4000 Fuß in die Luft geſchleudert. Ich habe hier ſehr wichtige mineralogi- ſche Beobachtungen gemacht. Dieſer Pic iſt ein Baſaltberg, auf dem Porphirſchiefer und Obſidian-Porphir aufgeſezt iſt. In ihm wüthet Feuer und Waſſer. Ueberall ſah ich Waſ- ſerdämpfe ausbrechen; faſt alle Laven ſind geſchmolzener Baſalt; der Bimſtein iſt aus dem Obſidian-Porphir entſtan- den; ich habe Stüke, die beides noch halb ſind. Vor dem Crater, unter Stämmen, die man la ſtanza de las Ingleſes nennt, am Fuß eines Lavaſtroms brachten wir eine Nacht im Freien zu. Um 2 Uhr Nachts ſezten wir uns ſchon in Marſch nach dem lezten Kegel. Der Himmel war vollkom- men ſternhell, und der Mond ſchien ſanft; aber dieſe ſchö- nen Zeiten ſollten uns nicht bleiben. Der Sturm fieng hef- tig an, um die Gipfel zu brauſen; wir mußten uns faſt an den Kranz des Craters anklammern; donnerähnlich tobte die Luft in den Klüften, und eine Wolkenhülle ſchied uns von der belebten Welt. Wir klimmten den Kegel hinab, einſam über den Dünſten, einſam, wie ein Schiff auf dem Meere. Dieſer ſchnelle Uebergang von der ſchönen heitern Mondhelle zu der Finſterniß und die Oede des Nebels mach- ten einen rührenden Eindruk. In der Villa Orotava iſt ein Drachenbaum (Dracaena Draco) 45 Fuß im Umfang. Vor 400 Jahren war er ſchon ſo dik, als jezt. Faſt mit Thränen reiſe ich ab; ich möch- te mich hier anſiedeln, und kaum bin ich weg vom europäi- ſchen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Aus einem Schreiben Alexanders von Humboldt an seinen Bruder Wilhelm aus Fuero Orotova [d. i. Fuerto Orotava] am Fuß des Pic's von Teneriffa. Am 20ten Jun. 1799; Derselbe aus Cumana in Südamerica den 16ten Jul. 1799. In: Jahrbücher der Berg- und Hüttenkunde, Bd. 4 (1800), S. 437-444, hier S. 440. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_wilhelm_1800/4>, abgerufen am 24.11.2024.