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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
bloss durch den Druck der atmosphärischen Luft ge-
halten und getragen wird.

Die Nebelschichten, die uns hinderten entfernte
Gegenstände zu sehen, schienen plötzlich, trotz der
totalen Windstille, vielleicht durch elektrische Pro-
cesse, zu zerreissen. Wir erkannten einmal wieder,
und zwar ganz nahe, den domförmigen Gipfel des
Chimborazo. Es war ein ernster grossartiger An-
blick. Die Hoffnung, diesen ersehnten Gipfel zu er-
reichen, belebte unsere Kräfte aufs neue. Der Fels-
kamm, der nur hier und da mit dünnen Schneeflocken
bedeckt war, wurde etwas breiter; wir eilten siche-
ren Schrittes vorwärts, als auf einmal eine Art
Thalschlucht von etwa 400 Fuss Tiefe und 60 Fuss
Durchmesser unserem Unternehmen eine unübersteig-
liche Grenze setzte. Wir sahen deutlich jenseits des
Abgrundes unseren Felskamm in derselben Richtung
fortsetzen, doch zweifle ich, dass er bis zum Gipfel
selbst führt. Die Kluft war nicht zu umgehen. Am Anti-
sana konnte freilich Herr Bonpland nach einer sehr
kalten Nacht, eine beträchtliche Strecke des ihn tragen-
den Schnees durchlaufen. Hier war der Versuch nicht
zu wagen, wegen Lockerheit der Masse; auch machte
die Form des Absturzes das Herabklimmen unmöglich.
Es war 1 Uhr Mittags. Wir stellten mit vieler
Sorgfalt das Barometer auf, es zeigte 13 Z. 11 L.
Die Temperatur der Luft war nun 1°,6 unter dem
Gefrierpunkt, aber nach einem mehrjährigen Aufent-
halt in den heissesten Gegenden der Tropenwelt schien
uns diese geringe Kälte erstarrend. Dazu waren

Beckenpfanne von dem Druck der atmosphärischen Luft getragen
wird, vollkommen bestätigt.

Besteigung des Chimborazo.
bloss durch den Druck der atmosphärischen Luft ge-
halten und getragen wird.

Die Nebelschichten, die uns hinderten entfernte
Gegenstände zu sehen, schienen plötzlich, trotz der
totalen Windstille, vielleicht durch elektrische Pro-
cesse, zu zerreissen. Wir erkannten einmal wieder,
und zwar ganz nahe, den domförmigen Gipfel des
Chimborazo. Es war ein ernster grossartiger An-
blick. Die Hoffnung, diesen ersehnten Gipfel zu er-
reichen, belebte unsere Kräfte aufs neue. Der Fels-
kamm, der nur hier und da mit dünnen Schneeflocken
bedeckt war, wurde etwas breiter; wir eilten siche-
ren Schrittes vorwärts, als auf einmal eine Art
Thalschlucht von etwa 400 Fuss Tiefe und 60 Fuss
Durchmesser unserem Unternehmen eine unübersteig-
liche Grenze setzte. Wir sahen deutlich jenseits des
Abgrundes unseren Felskamm in derselben Richtung
fortsetzen, doch zweifle ich, dass er bis zum Gipfel
selbst führt. Die Kluft war nicht zu umgehen. Am Anti-
sana konnte freilich Herr Bonpland nach einer sehr
kalten Nacht, eine beträchtliche Strecke des ihn tragen-
den Schnees durchlaufen. Hier war der Versuch nicht
zu wagen, wegen Lockerheit der Masse; auch machte
die Form des Absturzes das Herabklimmen unmöglich.
Es war 1 Uhr Mittags. Wir stellten mit vieler
Sorgfalt das Barometer auf, es zeigte 13 Z. 11 L.
Die Temperatur der Luft war nun 1°,6 unter dem
Gefrierpunkt, aber nach einem mehrjährigen Aufent-
halt in den heissesten Gegenden der Tropenwelt schien
uns diese geringe Kälte erstarrend. Dazu waren

Beckenpfanne von dem Druck der atmosphärischen Luft getragen
wird, vollkommen bestätigt.
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[194/0021] Besteigung des Chimborazo. bloss durch den Druck der atmosphärischen Luft ge- halten und getragen wird. Die Nebelschichten, die uns hinderten entfernte Gegenstände zu sehen, schienen plötzlich, trotz der totalen Windstille, vielleicht durch elektrische Pro- cesse, zu zerreissen. Wir erkannten einmal wieder, und zwar ganz nahe, den domförmigen Gipfel des Chimborazo. Es war ein ernster grossartiger An- blick. Die Hoffnung, diesen ersehnten Gipfel zu er- reichen, belebte unsere Kräfte aufs neue. Der Fels- kamm, der nur hier und da mit dünnen Schneeflocken bedeckt war, wurde etwas breiter; wir eilten siche- ren Schrittes vorwärts, als auf einmal eine Art Thalschlucht von etwa 400 Fuss Tiefe und 60 Fuss Durchmesser unserem Unternehmen eine unübersteig- liche Grenze setzte. Wir sahen deutlich jenseits des Abgrundes unseren Felskamm in derselben Richtung fortsetzen, doch zweifle ich, dass er bis zum Gipfel selbst führt. Die Kluft war nicht zu umgehen. Am Anti- sana konnte freilich Herr Bonpland nach einer sehr kalten Nacht, eine beträchtliche Strecke des ihn tragen- den Schnees durchlaufen. Hier war der Versuch nicht zu wagen, wegen Lockerheit der Masse; auch machte die Form des Absturzes das Herabklimmen unmöglich. Es war 1 Uhr Mittags. Wir stellten mit vieler Sorgfalt das Barometer auf, es zeigte 13 Z. 11[FORMEL] L. Die Temperatur der Luft war nun 1°,6 unter dem Gefrierpunkt, aber nach einem mehrjährigen Aufent- halt in den heissesten Gegenden der Tropenwelt schien uns diese geringe Kälte erstarrend. Dazu waren * * Beckenpfanne von dem Druck der atmosphärischen Luft getragen wird, vollkommen bestätigt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/21>, abgerufen am 29.03.2024.