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Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206.

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Besteigung des Chimborazo.
Luisa, dann, nach einem nicht sehr steilen Ansteigen
von kaum 5000 Fuss Länge, gelangten wir in die
Hochebene (Llano) von Sisgun. Die erste Stufe ist
10200, die zweite 11700 Fuss hoch. Diese mit Gras
bewachsenen Ebenen erreichen also die eine den
höchsten Gipfel der Pyrenäen (den Pic Nethou), die
andere den Gipfel des Vulkans von Teneriffa. Die
vollkommene Söligkeit (Horizontalität) dieser Hoch-
ebenen lassen auf einen langen Aufenthalt stehender
Wasser schliessen. Man glaubt einen Seeboden zu
sehen. An dem Abhange der Schweizer Alpen be-
merkt man bisweilen auch dies Phänomen stufen-
weise übereinander liegender kleiner Ebenen, welche
wie abgelaufene Becken von Alpenseen jetzt durch
enge offene Pässe verbunden sind. Die weit ausge-
dehnten Grasfluren (los Pajonales) sind am Chimbo-
razo, wie überall um die hohen Gipfel der Andeskette,
so einförmig, dass die Familie der Gräser (Arten von
Paspalum, Andropogon, Bromus, Dejeuxia, Stipa) sel-
ten von Kräutern dicotyledonischer Pflanzen unter-
brochen werden. Es ist fast die Steppennatur, die
ich in dem dürren Theile des nördlichen Asiens ge-
sehen habe. Die Flora des Chimborazo hat uns über-
haupt minder reich geschienen als die Flora der andern
Schneeberge, welche die Stadt Quito umgeben. Nur
wenige Calceolarien, Compositen, (Bidens, Eupatorium,
Dumerilia paniculata, Werneria nubigena) und Gentia-
nen, unter denen die schöne Gentiana cernua mit
purpurrothen Blüthen hervorleuchtet, erheben sich in
der Hochebene von Sisgun zwischen den gesellig
wachsenden Gräsern. Diese gehören, der grössten
Zahl nach, nordeuropäischen Geschlechtern an. Die
Lufttemperatur, die gewöhnlich in dieser Region der

Besteigung des Chimborazo.
Luisa, dann, nach einem nicht sehr steilen Ansteigen
von kaum 5000 Fuss Länge, gelangten wir in die
Hochebene (Llano) von Sisgun. Die erste Stufe ist
10200, die zweite 11700 Fuss hoch. Diese mit Gras
bewachsenen Ebenen erreichen also die eine den
höchsten Gipfel der Pyrenäen (den Pic Nethou), die
andere den Gipfel des Vulkans von Teneriffa. Die
vollkommene Söligkeit (Horizontalität) dieser Hoch-
ebenen lassen auf einen langen Aufenthalt stehender
Wasser schliessen. Man glaubt einen Seeboden zu
sehen. An dem Abhange der Schweizer Alpen be-
merkt man bisweilen auch dies Phänomen stufen-
weise übereinander liegender kleiner Ebenen, welche
wie abgelaufene Becken von Alpenseen jetzt durch
enge offene Pässe verbunden sind. Die weit ausge-
dehnten Grasfluren (los Pajonales) sind am Chimbo-
razo, wie überall um die hohen Gipfel der Andeskette,
so einförmig, dass die Familie der Gräser (Arten von
Paspalum, Andropogon, Bromus, Dejeuxia, Stipa) sel-
ten von Kräutern dicotyledonischer Pflanzen unter-
brochen werden. Es ist fast die Steppennatur, die
ich in dem dürren Theile des nördlichen Asiens ge-
sehen habe. Die Flora des Chimborazo hat uns über-
haupt minder reich geschienen als die Flora der andern
Schneeberge, welche die Stadt Quito umgeben. Nur
wenige Calceolarien, Compositen, (Bidens, Eupatorium,
Dumerilia paniculata, Werneria nubigena) und Gentia-
nen, unter denen die schöne Gentiana cernua mit
purpurrothen Blüthen hervorleuchtet, erheben sich in
der Hochebene von Sisgun zwischen den gesellig
wachsenden Gräsern. Diese gehören, der grössten
Zahl nach, nordeuropäischen Geschlechtern an. Die
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[185/0012] Besteigung des Chimborazo. Luisa, dann, nach einem nicht sehr steilen Ansteigen von kaum 5000 Fuss Länge, gelangten wir in die Hochebene (Llano) von Sisgun. Die erste Stufe ist 10200, die zweite 11700 Fuss hoch. Diese mit Gras bewachsenen Ebenen erreichen also die eine den höchsten Gipfel der Pyrenäen (den Pic Nethou), die andere den Gipfel des Vulkans von Teneriffa. Die vollkommene Söligkeit (Horizontalität) dieser Hoch- ebenen lassen auf einen langen Aufenthalt stehender Wasser schliessen. Man glaubt einen Seeboden zu sehen. An dem Abhange der Schweizer Alpen be- merkt man bisweilen auch dies Phänomen stufen- weise übereinander liegender kleiner Ebenen, welche wie abgelaufene Becken von Alpenseen jetzt durch enge offene Pässe verbunden sind. Die weit ausge- dehnten Grasfluren (los Pajonales) sind am Chimbo- razo, wie überall um die hohen Gipfel der Andeskette, so einförmig, dass die Familie der Gräser (Arten von Paspalum, Andropogon, Bromus, Dejeuxia, Stipa) sel- ten von Kräutern dicotyledonischer Pflanzen unter- brochen werden. Es ist fast die Steppennatur, die ich in dem dürren Theile des nördlichen Asiens ge- sehen habe. Die Flora des Chimborazo hat uns über- haupt minder reich geschienen als die Flora der andern Schneeberge, welche die Stadt Quito umgeben. Nur wenige Calceolarien, Compositen, (Bidens, Eupatorium, Dumerilia paniculata, Werneria nubigena) und Gentia- nen, unter denen die schöne Gentiana cernua mit purpurrothen Blüthen hervorleuchtet, erheben sich in der Hochebene von Sisgun zwischen den gesellig wachsenden Gräsern. Diese gehören, der grössten Zahl nach, nordeuropäischen Geschlechtern an. Die Lufttemperatur, die gewöhnlich in dieser Region der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber zwei Versuche den Chimborazo zu besteigen. In: Jahrbuch für 1837. Herausgegeben von H. C. Schumacher. Stuttgart und Tübingen, 1837, S. 176-206, hier S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuche_1837/12>, abgerufen am 23.04.2024.