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Humboldt, Alexander von: Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1842, S. 233-244.

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volle 30 t. kleiner ausfällt als das Resultat für Frankreich. Ohne
länger durch Zahlen ermüden zu wollen, füge ich nur die, für
eine allgemeine geognostische Ansicht nicht ganz unwichtige Be-
trachtung hinzu, dass Massen-Erhebungen von ganzen Ländern
als Hochebenen einen ganz anderen Effect auf Erhöhung der
Schwerpunkte des Volums hervorbringen als Bergketten, wenn
sie auch noch so beträchtlich an Länge und Höhe sind. Wäh-
rend die Pyrenäen auf ganz Europa kaum den Effect von 1 Toise,
das Alpensystem, dessen Grundfläche die der Pyrenäen fast vier-
mal übertrifft, den Effect von 31/2 t. hervorbringen, bewirkt die
iberische Halbinsel mit ihrer compacten Plateau-Masse von 300 t.
Höhe einen Effect von 12 t. Das iberische Plateau wirkt dem-
nach auf ganz Europa viermal so viel als das Alpensystem. Das
Resultat der Rechnungen ist meist so befremdend, dass es sich
aller Vorausbestimmung zu entziehen scheint.

Über die Gestaltung von Asien ist in den neuesten Zeiten
viel Licht verbreitet worden. Der Effect der südlichen colossalen
Erhebungs-Massen wird dadurch vermindert, dass 1/3 des ganzen
Continents von Asien, ein Theil Sibiriens, der selbst um 1/3 den
Flächeninhalt von Europa übertrifft, nicht 40 t. Normal-Höhe
hat. Das ist selbst noch die Höhe von Orenburg an dem nörd-
lichen Rande der caspischen und turanischen Senkung. Tobolsk
hat nicht die Hälfte dieser Höhe; und Kasan, das 5 mal entfernter
von dem Littoral des Eismeeres liegt als Berlin von der Ostsee,
hat kaum die Hälfte der Höhe unserer Stadt. Am oberen Irtysch
zwischen Buktormensy und dem Saysan-See, an einem Punkte,
wo man dem indischen Meere näher als dem Eismeere ist, fan-
den wir die Ebene noch nicht 800 Fuss hoch, ein sogenanntes
Central-Plateau Inner-Asiens, das noch nicht die Hälfte der Er-
hebung des Strassenpflasters von München über dem Niveau des
Meeres hat. Das einst so berühmte Plateau zwischen dem Baikal-
See und der chinesischen Mauer (die steinige Wüste Gobi oder
Cha-mo), das die russischen Akademiker Bunge und Fuss baro-
metrisch gemessen, hat nur die mittlere Höhe von 660 t. (3960
F.), als setze man die Müggelsberge auf den Gipfel des Brocken;
ja das Plateau hat in seiner Mitte, wo Ergi liegt (Br. 45° 31'),
eine muldenartige Vertiefung, wo der Boden bis 400 t. (2400 F.),
fast bis zur Höhe von Madrid, herabsinkt. "Diese Senkung," sagt

volle 30 t. kleiner ausfällt als das Resultat für Frankreich. Ohne
länger durch Zahlen ermüden zu wollen, füge ich nur die, für
eine allgemeine geognostische Ansicht nicht ganz unwichtige Be-
trachtung hinzu, daſs Massen-Erhebungen von ganzen Ländern
als Hochebenen einen ganz anderen Effect auf Erhöhung der
Schwerpunkte des Volums hervorbringen als Bergketten, wenn
sie auch noch so beträchtlich an Länge und Höhe sind. Wäh-
rend die Pyrenäen auf ganz Europa kaum den Effect von 1 Toise,
das Alpensystem, dessen Grundfläche die der Pyrenäen fast vier-
mal übertrifft, den Effect von 3½ t. hervorbringen, bewirkt die
iberische Halbinsel mit ihrer compacten Plateau-Masse von 300 t.
Höhe einen Effect von 12 t. Das iberische Plateau wirkt dem-
nach auf ganz Europa viermal so viel als das Alpensystem. Das
Resultat der Rechnungen ist meist so befremdend, daſs es sich
aller Vorausbestimmung zu entziehen scheint.

Über die Gestaltung von Asien ist in den neuesten Zeiten
viel Licht verbreitet worden. Der Effect der südlichen colossalen
Erhebungs-Massen wird dadurch vermindert, daſs ⅓ des ganzen
Continents von Asien, ein Theil Sibiriens, der selbst um ⅓ den
Flächeninhalt von Europa übertrifft, nicht 40 t. Normal-Höhe
hat. Das ist selbst noch die Höhe von Orenburg an dem nörd-
lichen Rande der caspischen und turanischen Senkung. Tobolsk
hat nicht die Hälfte dieser Höhe; und Kasan, das 5 mal entfernter
von dem Littoral des Eismeeres liegt als Berlin von der Ostsee,
hat kaum die Hälfte der Höhe unserer Stadt. Am oberen Irtysch
zwischen Buktormensy und dem Saysan-See, an einem Punkte,
wo man dem indischen Meere näher als dem Eismeere ist, fan-
den wir die Ebene noch nicht 800 Fuſs hoch, ein sogenanntes
Central-Plateau Inner-Asiens, das noch nicht die Hälfte der Er-
hebung des Straſsenpflasters von München über dem Niveau des
Meeres hat. Das einst so berühmte Plateau zwischen dem Baikal-
See und der chinesischen Mauer (die steinige Wüste Gobi oder
Cha-mo), das die russischen Akademiker Bunge und Fuſs baro-
metrisch gemessen, hat nur die mittlere Höhe von 660 t. (3960
F.), als setze man die Müggelsberge auf den Gipfel des Brocken;
ja das Plateau hat in seiner Mitte, wo Ergi liegt (Br. 45° 31′),
eine muldenartige Vertiefung, wo der Boden bis 400 t. (2400 F.),
fast bis zur Höhe von Madrid, herabsinkt. „Diese Senkung,“ sagt

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[239/0008] volle 30 t. kleiner ausfällt als das Resultat für Frankreich. Ohne länger durch Zahlen ermüden zu wollen, füge ich nur die, für eine allgemeine geognostische Ansicht nicht ganz unwichtige Be- trachtung hinzu, daſs Massen-Erhebungen von ganzen Ländern als Hochebenen einen ganz anderen Effect auf Erhöhung der Schwerpunkte des Volums hervorbringen als Bergketten, wenn sie auch noch so beträchtlich an Länge und Höhe sind. Wäh- rend die Pyrenäen auf ganz Europa kaum den Effect von 1 Toise, das Alpensystem, dessen Grundfläche die der Pyrenäen fast vier- mal übertrifft, den Effect von 3½ t. hervorbringen, bewirkt die iberische Halbinsel mit ihrer compacten Plateau-Masse von 300 t. Höhe einen Effect von 12 t. Das iberische Plateau wirkt dem- nach auf ganz Europa viermal so viel als das Alpensystem. Das Resultat der Rechnungen ist meist so befremdend, daſs es sich aller Vorausbestimmung zu entziehen scheint. Über die Gestaltung von Asien ist in den neuesten Zeiten viel Licht verbreitet worden. Der Effect der südlichen colossalen Erhebungs-Massen wird dadurch vermindert, daſs ⅓ des ganzen Continents von Asien, ein Theil Sibiriens, der selbst um ⅓ den Flächeninhalt von Europa übertrifft, nicht 40 t. Normal-Höhe hat. Das ist selbst noch die Höhe von Orenburg an dem nörd- lichen Rande der caspischen und turanischen Senkung. Tobolsk hat nicht die Hälfte dieser Höhe; und Kasan, das 5 mal entfernter von dem Littoral des Eismeeres liegt als Berlin von der Ostsee, hat kaum die Hälfte der Höhe unserer Stadt. Am oberen Irtysch zwischen Buktormensy und dem Saysan-See, an einem Punkte, wo man dem indischen Meere näher als dem Eismeere ist, fan- den wir die Ebene noch nicht 800 Fuſs hoch, ein sogenanntes Central-Plateau Inner-Asiens, das noch nicht die Hälfte der Er- hebung des Straſsenpflasters von München über dem Niveau des Meeres hat. Das einst so berühmte Plateau zwischen dem Baikal- See und der chinesischen Mauer (die steinige Wüste Gobi oder Cha-mo), das die russischen Akademiker Bunge und Fuſs baro- metrisch gemessen, hat nur die mittlere Höhe von 660 t. (3960 F.), als setze man die Müggelsberge auf den Gipfel des Brocken; ja das Plateau hat in seiner Mitte, wo Ergi liegt (Br. 45° 31′), eine muldenartige Vertiefung, wo der Boden bis 400 t. (2400 F.), fast bis zur Höhe von Madrid, herabsinkt. „Diese Senkung,“ sagt

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Versuch die mittlere Höhe der Continente zu bestimmen. In: Bericht über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhandlungen der Königl. Preuss. Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1842, S. 233-244, hier S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_versuch_1842/8>, abgerufen am 19.04.2024.