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Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über die Staubfäden der Parnassia palustris. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 7-9.

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henden u. s. f. Alles scheint sich hier nach localen Ver-
hältnissen zu richten: Die stamina bewegen sich nicht
allmählig, sondern ruckweise, und zwar, wenn sie
sich dem Germen nähern schnell und auf einmal, wenn
sie sich von demselben entfernen, nach der Befruch-
tung, in drei Absäzen, bis sie über dem Blumenblatt
zurückgebeugt sind.

Im Sommer 1788. fand ich eine Parnassie, in wel-
cher der Fruchtknoten von zwey Staubfäden zugleich
befruchtet wurde. Dieser Umstand schien mir sonderbar
und anomalisch, weil ich das germen für zu wenig ge-
öfnet hielt, um den Saamen zweyer Antheren auf ein-
mal zu empfangen. Durch wiederhohlte und genaue-
re Beobachtung bemerkte ich indess dass diese vermeinte
Anomalie der Oekonomie der Pflanze eigen sey, Wenn
drei stamina nach einander ihren pollen verschüttet ha-
ben, so ist das Germen grösser, für den Saamen em-
pfänglicher
geworden, und dann eilen die zwey noch
übrigen Staubfäden ihr Befruchtungsgeschäft auf einmal
zu verrichten. Beide neigen sich zugleich über das ger-
men, beide entfernen sich zugleich (selten nach einan-
der
, wenn der eine Staubbeutel früher ausgeleert ist)
von demselben.

Für zufällig kann ich diesen sonderbaren Umstand
nicht halten, da ich ihn zu so verschiedenen Zeiten
und an so verschiedenen Orten (zu Tegel bey Berlin,
bei Allmerode im Hessischen Gebirge, am Ufer des Avon
zwischen Beechen-Cliff und Bath, und zulezt noch
bey Mükkenberg in der Lausniz) beobachtete.

Für den philosophischen Naturforscher, der mit den
Erfahrungen der neueren Chemie vertraut, den genauen
Zusammenhang zwischen der thierischen und vegetabi-

henden u. ſ. f. Alles ſcheint ſich hier nach localen Ver-
hältniſſen zu richten: Die ſtamina bewegen ſich nicht
allmählig, ſondern ruckweiſe, und zwar, wenn ſie
ſich dem Germen nähern ſchnell und auf einmal, wenn
ſie ſich von demſelben entfernen, nach der Befruch-
tung, in drei Abſäzen, bis ſie über dem Blumenblatt
zurückgebeugt ſind.

Im Sommer 1788. fand ich eine Parnaſſie, in wel-
cher der Fruchtknoten von zwey Staubfäden zugleich
befruchtet wurde. Dieſer Umſtand ſchien mir ſonderbar
und anomaliſch, weil ich das germen für zu wenig ge-
öfnet hielt, um den Saamen zweyer Antheren auf ein-
mal zu empfangen. Durch wiederhohlte und genaue-
re Beobachtung bemerkte ich indeſs daſs dieſe vermeinte
Anomalie der Oekonomie der Pflanze eigen ſey, Wenn
drei ſtamina nach einander ihren pollen verſchüttet ha-
ben, ſo iſt das Germen gröſſer, für den Saamen em-
pfänglicher
geworden, und dann eilen die zwey noch
übrigen Staubfäden ihr Befruchtungsgeſchäft auf einmal
zu verrichten. Beide neigen ſich zugleich über das ger-
men, beide entfernen ſich zugleich (ſelten nach einan-
der
, wenn der eine Staubbeutel früher ausgeleert iſt)
von demſelben.

Für zufällig kann ich dieſen ſonderbaren Umſtand
nicht halten, da ich ihn zu ſo verſchiedenen Zeiten
und an ſo verſchiedenen Orten (zu Tegel bey Berlin,
bei Allmerode im Heſſiſchen Gebirge, am Ufer des Avon
zwiſchen Beechen-Cliff und Bath, und zulezt noch
bey Mükkenberg in der Lauſniz) beobachtete.

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[8/0002] henden u. ſ. f. Alles ſcheint ſich hier nach localen Ver- hältniſſen zu richten: Die ſtamina bewegen ſich nicht allmählig, ſondern ruckweiſe, und zwar, wenn ſie ſich dem Germen nähern ſchnell und auf einmal, wenn ſie ſich von demſelben entfernen, nach der Befruch- tung, in drei Abſäzen, bis ſie über dem Blumenblatt zurückgebeugt ſind. Im Sommer 1788. fand ich eine Parnaſſie, in wel- cher der Fruchtknoten von zwey Staubfäden zugleich befruchtet wurde. Dieſer Umſtand ſchien mir ſonderbar und anomaliſch, weil ich das germen für zu wenig ge- öfnet hielt, um den Saamen zweyer Antheren auf ein- mal zu empfangen. Durch wiederhohlte und genaue- re Beobachtung bemerkte ich indeſs daſs dieſe vermeinte Anomalie der Oekonomie der Pflanze eigen ſey, Wenn drei ſtamina nach einander ihren pollen verſchüttet ha- ben, ſo iſt das Germen gröſſer, für den Saamen em- pfänglicher geworden, und dann eilen die zwey noch übrigen Staubfäden ihr Befruchtungsgeſchäft auf einmal zu verrichten. Beide neigen ſich zugleich über das ger- men, beide entfernen ſich zugleich (ſelten nach einan- der, wenn der eine Staubbeutel früher ausgeleert iſt) von demſelben. Für zufällig kann ich dieſen ſonderbaren Umſtand nicht halten, da ich ihn zu ſo verſchiedenen Zeiten und an ſo verſchiedenen Orten (zu Tegel bey Berlin, bei Allmerode im Heſſiſchen Gebirge, am Ufer des Avon zwiſchen Beechen-Cliff und Bath, und zulezt noch bey Mükkenberg in der Lauſniz) beobachtete. Für den philoſophiſchen Naturforſcher, der mit den Erfahrungen der neueren Chemie vertraut, den genauen Zuſammenhang zwiſchen der thieriſchen und vegetabi-

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Beobachtungen über die Staubfäden der Parnassia palustris. In: Annalen der Botanick, Bd. 1 (1792), S. 7-9, hier S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_staubfaeden_1792/2>, abgerufen am 28.04.2024.