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Humboldt, Wilhelm von: Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1826. S. 161-188.

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zwischen der Buchstabenschrift und der Sprache auch an einer Thatsache zu erläutern, sei es mir erlaubt, diese Abhandlung mit einigen Betrachtungen über die Amerikanischen Sprachen in dieser Hinsicht zu beschließen.

Man kann es als eine Thatsache annehmen, daß sich in keinem Theile Amerika's eine Spur einer Buchstabenschrift gezeigt hat, obgleich es bisweilen behauptet oder vermuthet worden ist. Unter den Mexicanischen Hieroglyphen findet sich zwar eine, zum Theil den Chinesischen Coua's ähnliche Gattung, die noch nicht genau erläutert ist, und dies, bei den wenigen vorhandenen Ueberbleibseln, auch wahrscheinlich nicht zuläßt; wären aber darin auf irgend eine Weise Lautzeichen, so würden die Nachrichten, die wir über das Land und seine Geschichte besitzen, davon Spuren enthalten. Man könnte zwar hier die Einwendung machen, daß auch von Buchstabenzeichen in den Hieroglyphen das Alterthum schweigt. Allein hier ist der Fall durchaus anders. Daß Aegypten Buchstabenschrift besaß, fing nur in den allerneuesten Zeiten an bezweifelt zu werden, als man auch die demotische Schrift für Begriffszeichen erklärte, sonst gab es eine Menge von Zeugnissen, die es bewiesen, oder vermuthen ließen. Nur darüber stritt man, welche unter den Aegyptischen Schriftarten die alphabetische gewesen sei, oder suchte vielmehr den Sitz dieser bloß in der obengenannten demotischen.

Daß in Amerika ein Zustand früherer Cultur über die ältesten Anfänge der uns bekannten Geschichte hinaus untergegangen ist, beweist eine Reihe von Denkmälern, theils in Gebäuden, theils in künstlicher Bearbeitung des Erdbodens, die sich von den großen Seen des nördlichen Theiles bis zur südlichsten Gränze Peru's erstrecken, von welchen ich zu einem anderen Zweck theils aus der Reise meines Bruders, der ihre Gränzen, die Mittelpunkte dieser Civilisation, und den Strich, dem sie folgt, genau angiebt, und die Ursachen des letzteren sehr glücklich nachweist, theils aus anderen Quellen, vorzüglich den Werken der ersten Eroberer, ein Verzeichniß zusammengetragen habe.

Meine Aufmerksamkeit bei der Untersuchung der Amerikanischen Sprachen ist daher immer zugleich darauf gerichtet gewesen, ob ihr Bau Spuren des Gebrauchs verloren gegangener Alphabete an sich trage? Ich habe jedoch nie dergleichen angetroffen; vielmehr ist der Organismus

zwischen der Buchstabenschrift und der Sprache auch an einer Thatsache zu erläutern, sei es mir erlaubt, diese Abhandlung mit einigen Betrachtungen über die Amerikanischen Sprachen in dieser Hinsicht zu beschließen.

Man kann es als eine Thatsache annehmen, daß sich in keinem Theile Amerika’s eine Spur einer Buchstabenschrift gezeigt hat, obgleich es bisweilen behauptet oder vermuthet worden ist. Unter den Mexicanischen Hieroglyphen findet sich zwar eine, zum Theil den Chinesischen Coua’s ähnliche Gattung, die noch nicht genau erläutert ist, und dies, bei den wenigen vorhandenen Ueberbleibseln, auch wahrscheinlich nicht zuläßt; wären aber darin auf irgend eine Weise Lautzeichen, so würden die Nachrichten, die wir über das Land und seine Geschichte besitzen, davon Spuren enthalten. Man könnte zwar hier die Einwendung machen, daß auch von Buchstabenzeichen in den Hieroglyphen das Alterthum schweigt. Allein hier ist der Fall durchaus anders. Daß Aegypten Buchstabenschrift besaß, fing nur in den allerneuesten Zeiten an bezweifelt zu werden, als man auch die demotische Schrift für Begriffszeichen erklärte, sonst gab es eine Menge von Zeugnissen, die es bewiesen, oder vermuthen ließen. Nur darüber stritt man, welche unter den Aegyptischen Schriftarten die alphabetische gewesen sei, oder suchte vielmehr den Sitz dieser bloß in der obengenannten demotischen.

Daß in Amerika ein Zustand früherer Cultur über die ältesten Anfänge der uns bekannten Geschichte hinaus untergegangen ist, beweist eine Reihe von Denkmälern, theils in Gebäuden, theils in künstlicher Bearbeitung des Erdbodens, die sich von den großen Seen des nördlichen Theiles bis zur südlichsten Gränze Peru’s erstrecken, von welchen ich zu einem anderen Zweck theils aus der Reise meines Bruders, der ihre Gränzen, die Mittelpunkte dieser Civilisation, und den Strich, dem sie folgt, genau angiebt, und die Ursachen des letzteren sehr glücklich nachweist, theils aus anderen Quellen, vorzüglich den Werken der ersten Eroberer, ein Verzeichniß zusammengetragen habe.

Meine Aufmerksamkeit bei der Untersuchung der Amerikanischen Sprachen ist daher immer zugleich darauf gerichtet gewesen, ob ihr Bau Spuren des Gebrauchs verloren gegangener Alphabete an sich trage? Ich habe jedoch nie dergleichen angetroffen; vielmehr ist der Organismus

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[178/0018] zwischen der Buchstabenschrift und der Sprache auch an einer Thatsache zu erläutern, sei es mir erlaubt, diese Abhandlung mit einigen Betrachtungen über die Amerikanischen Sprachen in dieser Hinsicht zu beschließen. Man kann es als eine Thatsache annehmen, daß sich in keinem Theile Amerika’s eine Spur einer Buchstabenschrift gezeigt hat, obgleich es bisweilen behauptet oder vermuthet worden ist. Unter den Mexicanischen Hieroglyphen findet sich zwar eine, zum Theil den Chinesischen Coua’s ähnliche Gattung, die noch nicht genau erläutert ist, und dies, bei den wenigen vorhandenen Ueberbleibseln, auch wahrscheinlich nicht zuläßt; wären aber darin auf irgend eine Weise Lautzeichen, so würden die Nachrichten, die wir über das Land und seine Geschichte besitzen, davon Spuren enthalten. Man könnte zwar hier die Einwendung machen, daß auch von Buchstabenzeichen in den Hieroglyphen das Alterthum schweigt. Allein hier ist der Fall durchaus anders. Daß Aegypten Buchstabenschrift besaß, fing nur in den allerneuesten Zeiten an bezweifelt zu werden, als man auch die demotische Schrift für Begriffszeichen erklärte, sonst gab es eine Menge von Zeugnissen, die es bewiesen, oder vermuthen ließen. Nur darüber stritt man, welche unter den Aegyptischen Schriftarten die alphabetische gewesen sei, oder suchte vielmehr den Sitz dieser bloß in der obengenannten demotischen. Daß in Amerika ein Zustand früherer Cultur über die ältesten Anfänge der uns bekannten Geschichte hinaus untergegangen ist, beweist eine Reihe von Denkmälern, theils in Gebäuden, theils in künstlicher Bearbeitung des Erdbodens, die sich von den großen Seen des nördlichen Theiles bis zur südlichsten Gränze Peru’s erstrecken, von welchen ich zu einem anderen Zweck theils aus der Reise meines Bruders, der ihre Gränzen, die Mittelpunkte dieser Civilisation, und den Strich, dem sie folgt, genau angiebt, und die Ursachen des letzteren sehr glücklich nachweist, theils aus anderen Quellen, vorzüglich den Werken der ersten Eroberer, ein Verzeichniß zusammengetragen habe. Meine Aufmerksamkeit bei der Untersuchung der Amerikanischen Sprachen ist daher immer zugleich darauf gerichtet gewesen, ob ihr Bau Spuren des Gebrauchs verloren gegangener Alphabete an sich trage? Ich habe jedoch nie dergleichen angetroffen; vielmehr ist der Organismus

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Zitationshilfe: Humboldt, Wilhelm von: Ueber die Buchstabenschrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachbau. In: Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, 1826. S. 161-188, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_sprachbau_1826/18>, abgerufen am 24.04.2024.