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Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40.

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der Goldproduktion.
Wärme und farbigen Menschen. Christoph Columbus, der dem
Golde einen moralischen und religiösen Werth zuschreibt, "weil,"
wie er sagt, "wer es besitzt, in dieser Welt erlangt, was er will,
ja selbst (durch Bezahlung von Messen?) viele Seelen dem Para-
diese zuführt,"* Christoph Columbus war ganz dem System des
Steinschneiders Ferrer zugethan. Er suchte Zipangu (Japan),
das man für die Goldinsel Chryse ausgab, und als er, am 14.
November 1492, längs den Küsten von Cuba, die er für Theile
des Continents von Ost-Asien (Cathan) hielt, hinsegelte, schrieb er
in sein Tagebuch nieder: "nach der vielen Hitze, die ich leide, muß
das Land reich an Gold seyn." So ließen falsche Analogien ver-
gessen, was das classische Alterthum von den Metallschätzen der
Massageten und der Arimaspen im hohen Norden von Europa er-
zählt hatte: ich sage von Europa,** denn das öde Flachland von
Nord-Asien, das heutige Sibirien, galt mit seinen Kiefernwäldern
für eine langweilige Fortsetzung des belgischen, baltischen und sar-
matischen Flachlandes.

Umfassen wir mit einem Blicke die Geschichte des Handels-
verkehrs von Europa, so finden wir die reichsten Quellen des Gol-
des im Alterthume in Asien. Seit dem Ausgange des Mittel-
alters, und drei Jahrhunderte nachher, gehören sie dem neuen Welt-
theile an. Gegenwärtig, seit dem Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts, strömen die Quellen wieder am reichlichsten in Asien,
aber in andern Zonen desselben Continents. Dieser Wechsel in der
Richtung der Strömung, dieser Ersatz, welchen zufällige Entdeckun-
gen im Norden darbieten, wenn im Süden die Goldausbeute plötzlich
schwindet, verdient eine ernste Betrachtung, eine Ergründung nach
numerischen Angaben; denn im politischen Haushalte, wie bei Er-
forschung von Naturerscheinungen, sind die Zahlen immer das Ent-
scheidende; sie sind die letzten, unerbittlichen Richter in den viel-
bestrittenen Verhältnissen der Staatswirthschaft.

* El oro, schreibt Columbus an die Königin Jsabella, es excellentissimo,
con el se hace tesoro y con el tesoro quien lo tiene, hace quanto
quiere en el mundo y llega a que hecha las animas al paraiso.

Siehe über dieses Lob des Goldes mein Examen critique de l'Histoire
de la Geographie et des progres de l'Astronomie nautique aux 15me
et 16me siecles (in Fol.) p. 38 et 131.
** Herod. III, 116.
1 *

der Goldproduktion.
Wärme und farbigen Menſchen. Chriſtoph Columbus, der dem
Golde einen moraliſchen und religiöſen Werth zuſchreibt, „weil,“
wie er ſagt, „wer es beſitzt, in dieſer Welt erlangt, was er will,
ja ſelbſt (durch Bezahlung von Meſſen?) viele Seelen dem Para-
dieſe zuführt,“* Chriſtoph Columbus war ganz dem Syſtem des
Steinſchneiders Ferrer zugethan. Er ſuchte Zipangu (Japan),
das man für die Goldinſel Chryſe ausgab, und als er, am 14.
November 1492, längs den Küſten von Cuba, die er für Theile
des Continents von Oſt-Aſien (Cathan) hielt, hinſegelte, ſchrieb er
in ſein Tagebuch nieder: „nach der vielen Hitze, die ich leide, muß
das Land reich an Gold ſeyn.“ So ließen falſche Analogien ver-
geſſen, was das claſſiſche Alterthum von den Metallſchätzen der
Maſſageten und der Arimaspen im hohen Norden von Europa er-
zählt hatte: ich ſage von Europa,** denn das öde Flachland von
Nord-Aſien, das heutige Sibirien, galt mit ſeinen Kiefernwäldern
für eine langweilige Fortſetzung des belgiſchen, baltiſchen und ſar-
matiſchen Flachlandes.

Umfaſſen wir mit einem Blicke die Geſchichte des Handels-
verkehrs von Europa, ſo finden wir die reichſten Quellen des Gol-
des im Alterthume in Aſien. Seit dem Ausgange des Mittel-
alters, und drei Jahrhunderte nachher, gehören ſie dem neuen Welt-
theile an. Gegenwärtig, ſeit dem Anfang des neunzehnten Jahr-
hunderts, ſtrömen die Quellen wieder am reichlichſten in Aſien,
aber in andern Zonen deſſelben Continents. Dieſer Wechſel in der
Richtung der Strömung, dieſer Erſatz, welchen zufällige Entdeckun-
gen im Norden darbieten, wenn im Süden die Goldausbeute plötzlich
ſchwindet, verdient eine ernſte Betrachtung, eine Ergründung nach
numeriſchen Angaben; denn im politiſchen Haushalte, wie bei Er-
forſchung von Naturerſcheinungen, ſind die Zahlen immer das Ent-
ſcheidende; ſie ſind die letzten, unerbittlichen Richter in den viel-
beſtrittenen Verhältniſſen der Staatswirthſchaft.

* El oro, ſchreibt Columbus an die Königin Jſabella, es excellentissimo,
con el se hace tesoro y con el tesoro quien lo tiene, hace quanto
quiere en el mundo y llega a que hecha las animas al paraiso.

Siehe über dieſes Lob des Goldes mein Examen critique de l'Histoire
de la Géographie et des progrès de l'Astronomie nautique aux 15me
et 16me ſiècles (in Fol.) p. 38 et 131.
** Herod. III, 116.
1 *
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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Schwankungen der Goldproduktion mit Rücksicht auf staatswirthschaftliche Probleme. In: Deutsche Vierteljahrs Schrift, Bd. 1, H. IV (1838), S. 1-40, hier S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_schwankungen_1838/4>, abgerufen am 21.11.2024.