Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Versuch über einige physikalische und chemische Grundsätze der Salzwerkskunde. In: Bergmännisches Journal, Bd. V.1 (1792), S. 1–45, S. 97–141.

Bild:
<< vorherige Seite

der der Ausübung selbst völlig verschieden ist.
Bey jener müssen Grundsätze aus allen verwand-
ten Wissenschaften gesammlet, Erfahrungen der
Physiker mit den technischen verglichen, jeder
auch noch so geringfügig scheinende Umstand be-
obachtet werden; diese hingegen, die Methode der
Ausübung muß, wenn sie ihren Zweck nicht verfeh-
len will, nicht zu ängstlicher Unentschlossenheit füh-
ren soll, einen entgegengesetzten Weg einschlagen.
Sie muß, wenn die Verfahrungsart einmal ge-
wählt ist, sich gleichsam auf ein Objekt isoliren,
mehr auf Lokalverhältnisse, als auf allgemeine
Spekulationen Rücksicht nehmen, sich durch kleine
Umstände nicht zerstreuen lassen, geringere Vor-
theile den größeren aufopfern u. s. f. Durch
diese Ansicht der Dinge ist dann der Streit zwi-
schen dem Theoretiker, der oft so ungestüm Be-
lehrung aufdringt, und dem Praktiker, der sich ihr
oft so absichtlich entzieht, von selbst entschieden;
ein Streit, welchen die unerfüllten Versprechun-
gen der einen, und die ungerechten Forderungen
der anderen Parthey veranlaßten, ja zum Scha-
den leider bis jetzt noch unterhalten.

"Eine falsche, nicht durch Erfahrung un-
"terstützte Theorie schadet im bürgerlichen Leben
"mehr, als alle Unwissenheit in wissenschaftli-

"chen

der der Ausuͤbung ſelbſt voͤllig verſchieden iſt.
Bey jener muͤſſen Grundſaͤtze aus allen verwand-
ten Wiſſenſchaften geſammlet, Erfahrungen der
Phyſiker mit den techniſchen verglichen, jeder
auch noch ſo geringfuͤgig ſcheinende Umſtand be-
obachtet werden; dieſe hingegen, die Methode der
Ausuͤbung muß, wenn ſie ihren Zweck nicht verfeh-
len will, nicht zu aͤngſtlicher Unentſchloſſenheit fuͤh-
ren ſoll, einen entgegengeſetzten Weg einſchlagen.
Sie muß, wenn die Verfahrungsart einmal ge-
waͤhlt iſt, ſich gleichſam auf ein Objekt iſoliren,
mehr auf Lokalverhaͤltniſſe, als auf allgemeine
Spekulationen Ruͤckſicht nehmen, ſich durch kleine
Umſtaͤnde nicht zerſtreuen laſſen, geringere Vor-
theile den groͤßeren aufopfern u. ſ. f. Durch
dieſe Anſicht der Dinge iſt dann der Streit zwi-
ſchen dem Theoretiker, der oft ſo ungeſtuͤm Be-
lehrung aufdringt, und dem Praktiker, der ſich ihr
oft ſo abſichtlich entzieht, von ſelbſt entſchieden;
ein Streit, welchen die unerfuͤllten Verſprechun-
gen der einen, und die ungerechten Forderungen
der anderen Parthey veranlaßten, ja zum Scha-
den leider bis jetzt noch unterhalten.

„Eine falſche, nicht durch Erfahrung un-
„terſtuͤtzte Theorie ſchadet im buͤrgerlichen Leben
„mehr, als alle Unwiſſenheit in wiſſenſchaftli-

„chen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <p><pb facs="#f0091" n="140"/>
der der Ausu&#x0364;bung &#x017F;elb&#x017F;t vo&#x0364;llig ver&#x017F;chieden i&#x017F;t.<lb/>
Bey jener mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tze aus allen verwand-<lb/>
ten Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften ge&#x017F;ammlet, Erfahrungen der<lb/>
Phy&#x017F;iker mit den techni&#x017F;chen verglichen, jeder<lb/>
auch noch &#x017F;o geringfu&#x0364;gig &#x017F;cheinende Um&#x017F;tand be-<lb/>
obachtet werden; die&#x017F;e hingegen, die Methode der<lb/>
Ausu&#x0364;bung muß, wenn &#x017F;ie ihren Zweck nicht verfeh-<lb/>
len will, nicht zu a&#x0364;ng&#x017F;tlicher Unent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;enheit fu&#x0364;h-<lb/>
ren &#x017F;oll, einen entgegenge&#x017F;etzten Weg ein&#x017F;chlagen.<lb/>
Sie muß, wenn die Verfahrungsart einmal ge-<lb/>
wa&#x0364;hlt i&#x017F;t, &#x017F;ich gleich&#x017F;am auf ein Objekt i&#x017F;oliren,<lb/>
mehr auf Lokalverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, als auf allgemeine<lb/>
Spekulationen Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nehmen, &#x017F;ich durch kleine<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nde nicht zer&#x017F;treuen la&#x017F;&#x017F;en, geringere Vor-<lb/>
theile den gro&#x0364;ßeren aufopfern u. &#x017F;. f. Durch<lb/>
die&#x017F;e An&#x017F;icht der Dinge i&#x017F;t dann der Streit zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem Theoretiker, der oft &#x017F;o unge&#x017F;tu&#x0364;m Be-<lb/>
lehrung aufdringt, und dem Praktiker, der &#x017F;ich ihr<lb/>
oft &#x017F;o ab&#x017F;ichtlich entzieht, von &#x017F;elb&#x017F;t ent&#x017F;chieden;<lb/>
ein Streit, welchen die unerfu&#x0364;llten Ver&#x017F;prechun-<lb/>
gen der einen, und die ungerechten Forderungen<lb/>
der anderen Parthey veranlaßten, ja zum Scha-<lb/>
den leider bis jetzt noch unterhalten.</p><lb/>
              <p>&#x201E;Eine fal&#x017F;che, nicht durch Erfahrung un-<lb/>
&#x201E;ter&#x017F;tu&#x0364;tzte Theorie &#x017F;chadet im bu&#x0364;rgerlichen Leben<lb/>
&#x201E;mehr, als alle Unwi&#x017F;&#x017F;enheit in wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftli-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;chen</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[140/0091] der der Ausuͤbung ſelbſt voͤllig verſchieden iſt. Bey jener muͤſſen Grundſaͤtze aus allen verwand- ten Wiſſenſchaften geſammlet, Erfahrungen der Phyſiker mit den techniſchen verglichen, jeder auch noch ſo geringfuͤgig ſcheinende Umſtand be- obachtet werden; dieſe hingegen, die Methode der Ausuͤbung muß, wenn ſie ihren Zweck nicht verfeh- len will, nicht zu aͤngſtlicher Unentſchloſſenheit fuͤh- ren ſoll, einen entgegengeſetzten Weg einſchlagen. Sie muß, wenn die Verfahrungsart einmal ge- waͤhlt iſt, ſich gleichſam auf ein Objekt iſoliren, mehr auf Lokalverhaͤltniſſe, als auf allgemeine Spekulationen Ruͤckſicht nehmen, ſich durch kleine Umſtaͤnde nicht zerſtreuen laſſen, geringere Vor- theile den groͤßeren aufopfern u. ſ. f. Durch dieſe Anſicht der Dinge iſt dann der Streit zwi- ſchen dem Theoretiker, der oft ſo ungeſtuͤm Be- lehrung aufdringt, und dem Praktiker, der ſich ihr oft ſo abſichtlich entzieht, von ſelbſt entſchieden; ein Streit, welchen die unerfuͤllten Verſprechun- gen der einen, und die ungerechten Forderungen der anderen Parthey veranlaßten, ja zum Scha- den leider bis jetzt noch unterhalten. „Eine falſche, nicht durch Erfahrung un- „terſtuͤtzte Theorie ſchadet im buͤrgerlichen Leben „mehr, als alle Unwiſſenheit in wiſſenſchaftli- „chen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Weitere Informationen:

Eine weitere Fassung dieses Textes finden Sie in der Ausgabe Sämtliche Schriften digital (2021 ff.) der Universität Bern.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_salzwerkskunde_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_salzwerkskunde_1792/91
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Versuch über einige physikalische und chemische Grundsätze der Salzwerkskunde. In: Bergmännisches Journal, Bd. V.1 (1792), S. 1–45, S. 97–141, hier S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_salzwerkskunde_1792/91>, abgerufen am 24.11.2024.