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Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471.

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die Unerregbarkeit von einem Fehler der Netzhaut und
des Sehenerven, oder von einem coexistirenden zufälli-
gen Umstande (etwa im zweyten Aste des fünften Paars)
abhängt? -- Des Vorschlags, bey der Amaurosis die
ganze Mundhöhle mit Metallplättchen zu füttern und
so die Wiederbelebung des paralytischen Organs zu ver-
suchen, habe ich bereits in meinem Werke über die
Muskelfaser
erwähnt.

Der Metallreiz dient dazu, Nerven von anderen
Organen zu unterscheiden. Dieser Nebenvortheil ist ei-
ner der wichtigsten, welchen der Galvanismus je gewäh-
ren kann. Was ist der anatomischen und physiologi-
schen Untersuchung thierischer Körper willkommner, als
ein sicheres Kriterium zwischen Nerven und Gefäßen?
Welche Fortschritte hat die Naturkunde sich von dieser
Entdeckung zu verheißen! Welche Vortheile müssen der
Chirurgie, wenigstens ihrem theoretischen Theile, nicht
dadurch zufallen! Die stärksten Vergrößerungen zeigen
doch nur Umrisse und Farben. Wir erstaunen über das
wunderbare Geflechte von Organen, welches die gallert-
artigen Seebewohner in ihrem Jnneren dem Auge dar-
legen. Wir sehen und zeichnen, ohne zu wissen, was
wir gesehen und gezeichnet haben. Ein einfaches Expe-
riment belehrt uns hierüber. Wir können keck entschei-
den, ob wir dem Lauf einer sensiblen Fiber, oder eines
Gefäßes, gefolgt sind. Auf diesem Wege haben Pres-
ciani
und Mangili die Nerven der Schaalthiere

die Unerregbarkeit von einem Fehler der Netzhaut und
des Sehenerven, oder von einem coexiſtirenden zufaͤlli-
gen Umſtande (etwa im zweyten Aſte des fuͤnften Paars)
abhaͤngt? — Des Vorſchlags, bey der Amauroſis die
ganze Mundhoͤhle mit Metallplaͤttchen zu fuͤttern und
ſo die Wiederbelebung des paralytiſchen Organs zu ver-
ſuchen, habe ich bereits in meinem Werke uͤber die
Muſkelfaſer
erwaͤhnt.

Der Metallreiz dient dazu, Nerven von anderen
Organen zu unterſcheiden. Dieſer Nebenvortheil iſt ei-
ner der wichtigſten, welchen der Galvanismus je gewaͤh-
ren kann. Was iſt der anatomiſchen und phyſiologi-
ſchen Unterſuchung thieriſcher Koͤrper willkommner, als
ein ſicheres Kriterium zwiſchen Nerven und Gefaͤßen?
Welche Fortſchritte hat die Naturkunde ſich von dieſer
Entdeckung zu verheißen! Welche Vortheile muͤſſen der
Chirurgie, wenigſtens ihrem theoretiſchen Theile, nicht
dadurch zufallen! Die ſtaͤrkſten Vergroͤßerungen zeigen
doch nur Umriſſe und Farben. Wir erſtaunen uͤber das
wunderbare Geflechte von Organen, welches die gallert-
artigen Seebewohner in ihrem Jnneren dem Auge dar-
legen. Wir ſehen und zeichnen, ohne zu wiſſen, was
wir geſehen und gezeichnet haben. Ein einfaches Expe-
riment belehrt uns hieruͤber. Wir koͤnnen keck entſchei-
den, ob wir dem Lauf einer ſenſiblen Fiber, oder eines
Gefaͤßes, gefolgt ſind. Auf dieſem Wege haben Pres-
ciani
und Mangili die Nerven der Schaalthiere

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[468/0023] die Unerregbarkeit von einem Fehler der Netzhaut und des Sehenerven, oder von einem coexiſtirenden zufaͤlli- gen Umſtande (etwa im zweyten Aſte des fuͤnften Paars) abhaͤngt? — Des Vorſchlags, bey der Amauroſis die ganze Mundhoͤhle mit Metallplaͤttchen zu fuͤttern und ſo die Wiederbelebung des paralytiſchen Organs zu ver- ſuchen, habe ich bereits in meinem Werke uͤber die Muſkelfaſer erwaͤhnt. Der Metallreiz dient dazu, Nerven von anderen Organen zu unterſcheiden. Dieſer Nebenvortheil iſt ei- ner der wichtigſten, welchen der Galvanismus je gewaͤh- ren kann. Was iſt der anatomiſchen und phyſiologi- ſchen Unterſuchung thieriſcher Koͤrper willkommner, als ein ſicheres Kriterium zwiſchen Nerven und Gefaͤßen? Welche Fortſchritte hat die Naturkunde ſich von dieſer Entdeckung zu verheißen! Welche Vortheile muͤſſen der Chirurgie, wenigſtens ihrem theoretiſchen Theile, nicht dadurch zufallen! Die ſtaͤrkſten Vergroͤßerungen zeigen doch nur Umriſſe und Farben. Wir erſtaunen uͤber das wunderbare Geflechte von Organen, welches die gallert- artigen Seebewohner in ihrem Jnneren dem Auge dar- legen. Wir ſehen und zeichnen, ohne zu wiſſen, was wir geſehen und gezeichnet haben. Ein einfaches Expe- riment belehrt uns hieruͤber. Wir koͤnnen keck entſchei- den, ob wir dem Lauf einer ſenſiblen Fiber, oder eines Gefaͤßes, gefolgt ſind. Auf dieſem Wege haben Pres- ciani und Mangili die Nerven der Schaalthiere

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber die Anwendung des Galvanischen Reizmittels auf die praktische Heilkunde. Ein Schreiben des Hrn. Obergerbraths von Humboldt an den Herausgeber. In: Journal für die Chirurgie, Geburtshülfe und gerichtliche Arzneykunde, Bd. 1 (1797), S. 447-471, hier S. 468. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_reizmittel_1797/23>, abgerufen am 28.04.2024.