Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.Über die Geographie von Guyana. liegen sollte. Was zu der Annahme des fabelhaften Parime-Seeshat Veranlassung geben können, ist meiner Ansicht nach Folgendes. Jn einer ziemlich großen Entfernung von dem Wasserfalle Teboco zeigen die Wasser des Massaruni nicht mehr sichtbare Strömung, als die ruhigen Wasser eines Sees. Wenn nun in einer mehr oder weniger entfernten Zeit die horizontalen Schichten der Granit- Formation von Teboco vollkommeu dicht und ohne Spalten waren, so mußten sie sich wenigstens 50 Fuß über ihr jetziges Niveau er- heben, wodurch ein großer See von 10-12 Meilen Breite und 1500-2000 Meilen Länge gebildet wurde."*) Es ist hierbei nicht allein die Ausdehnung der angenommenen Überschwemmung, was mich verhindert, dieser Erklärung beizustimmen. Jch habe Ebenen (Llanos) gesehen, wo zur Regenzeit die Überschwemmungen der Zuflüsse des Orenoko, wegen der Erhebung der Gegen- hänge, jährlich eine Oberfläche von 400 Quadrat-Lieues mit Wasser bedecken. Das Labyrinth der Verzweigungen zwischen dem Apure, Arauca, Capanaparo und Sinaruco**) verschwindet dann gänzlich, die Gestalt der Flußbetten ist völlig verwischt und das Ganze erscheint wie ein großer See. Aber die Lokalität der Mythe von dem Dorado und dem Parime gehört historisch einer ganz anderen Gegend von Guyana an, nämlich der Gegend südlich von den Pa- caraina-Bergen. Es sind, wie ich vor funfzehn Jahren dar- gethan zu haben glaube, die Glimmer-Felsen des Ucucuamo, der Name des Rio Parime (Rio Branco), die Überschwemmungen sei- ner Zuflüsse und vor Allem die Existenz des Amucu-Sees, der dem Rio Rupunuwini (Rupunuri) benachbart ist und durch den Pirara mit dem Rio Parime in Ver- bindung steht, die zu der Fabel von dem weißen Meere und dem Dorado de la Parime Veranlassung gegeben haben. Jch habe die Genugthuung gehabt, zu sehen, daß die Reise *) Annales des Voyages, 1836, Septbr. pag. 316. **) Siehe die Karten 17 und 18 meines Atlas geographique et physi-
que der kürzlich in der Buchhandlung von Gide vollständig erschie- nen ist und dessen Analyse dem Examen critique de l'histoire de la geographie du Nouveau Continent et des progres de l'astronomie nautique aux XV et XVI siecles, in Folio und in Sto beigefügt worden ist. Über die Geographie von Guyana. liegen ſollte. Was zu der Annahme des fabelhaften Parime-Seeshat Veranlaſſung geben koͤnnen, iſt meiner Anſicht nach Folgendes. Jn einer ziemlich großen Entfernung von dem Waſſerfalle Teboco zeigen die Waſſer des Maſſaruni nicht mehr ſichtbare Stroͤmung, als die ruhigen Waſſer eines Sees. Wenn nun in einer mehr oder weniger entfernten Zeit die horizontalen Schichten der Granit- Formation von Teboco vollkommeu dicht und ohne Spalten waren, ſo mußten ſie ſich wenigſtens 50 Fuß uͤber ihr jetziges Niveau er- heben, wodurch ein großer See von 10–12 Meilen Breite und 1500–2000 Meilen Laͤnge gebildet wurde.“*) Es iſt hierbei nicht allein die Ausdehnung der angenommenen Überſchwemmung, was mich verhindert, dieſer Erklaͤrung beizuſtimmen. Jch habe Ebenen (Llanos) geſehen, wo zur Regenzeit die Überſchwemmungen der Zufluͤſſe des Orenoko, wegen der Erhebung der Gegen- haͤnge, jaͤhrlich eine Oberflaͤche von 400 Quadrat-Lieues mit Waſſer bedecken. Das Labyrinth der Verzweigungen zwiſchen dem Apure, Arauca, Capanaparo und Sinaruco**) verſchwindet dann gaͤnzlich, die Geſtalt der Flußbetten iſt voͤllig verwiſcht und das Ganze erſcheint wie ein großer See. Aber die Lokalitaͤt der Mythe von dem Dorado und dem Parime gehoͤrt hiſtoriſch einer ganz anderen Gegend von Guyana an, naͤmlich der Gegend ſuͤdlich von den Pa- caraina-Bergen. Es ſind, wie ich vor funfzehn Jahren dar- gethan zu haben glaube, die Glimmer-Felſen des Ucucuamo, der Name des Rio Parime (Rio Branco), die Überſchwemmungen ſei- ner Zufluͤſſe und vor Allem die Exiſtenz des Amucu-Sees, der dem Rio Rupunuwini (Rupunuri) benachbart iſt und durch den Pirara mit dem Rio Parime in Ver- bindung ſteht, die zu der Fabel von dem weißen Meere und dem Dorado de la Parime Veranlaſſung gegeben haben. Jch habe die Genugthuung gehabt, zu ſehen, daß die Reiſe *) Annales des Voyages, 1836, Septbr. pag. 316. **) Siehe die Karten 17 und 18 meines Atlas géographique et physi-
que der kuͤrzlich in der Buchhandlung von Gide vollſtaͤndig erſchie- nen iſt und deſſen Analyſe dem Examen critique de l'histoire de la géographie du Nouveau Continent et des progrès de l'astronomie nautique aux XV et XVI siècles, in Folio und in Sto beigefuͤgt worden iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0021" n="55"/><fw place="top" type="header">Über die Geographie von Guyana.</fw><lb/> liegen ſollte. Was zu der Annahme des fabelhaften Parime-Sees<lb/> hat Veranlaſſung geben koͤnnen, iſt meiner Anſicht nach Folgendes.<lb/> Jn einer ziemlich großen Entfernung von dem Waſſerfalle <hi rendition="#g">Teboco</hi><lb/> zeigen die Waſſer des Maſſaruni nicht mehr ſichtbare Stroͤmung,<lb/> als die ruhigen Waſſer eines Sees. Wenn nun in einer mehr<lb/> oder weniger entfernten Zeit die horizontalen Schichten der Granit-<lb/> Formation von Teboco vollkommeu dicht und ohne Spalten waren,<lb/> ſo mußten ſie ſich wenigſtens 50 Fuß uͤber ihr jetziges Niveau er-<lb/> heben, wodurch ein großer See von 10–12 Meilen Breite und<lb/> 1500–2000 Meilen Laͤnge gebildet wurde.“<note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Annales des Voyages, 1836, Septbr. pag</hi>. 316.</note> Es iſt hierbei<lb/> nicht allein die Ausdehnung der angenommenen Überſchwemmung,<lb/> was mich verhindert, dieſer Erklaͤrung beizuſtimmen. Jch habe<lb/> Ebenen (<hi rendition="#aq">Llanos</hi>) geſehen, wo zur Regenzeit die Überſchwemmungen<lb/> der Zufluͤſſe des Orenoko, wegen der Erhebung der Gegen-<lb/> haͤnge, jaͤhrlich eine Oberflaͤche von 400 Quadrat-Lieues mit<lb/> Waſſer bedecken. Das Labyrinth der Verzweigungen zwiſchen dem<lb/> Apure, Arauca, Capanaparo und Sinaruco<note place="foot" n="**)">Siehe die Karten 17 und 18 meines <hi rendition="#aq">Atlas géographique et physi-<lb/> que</hi> der kuͤrzlich in der Buchhandlung von Gide vollſtaͤndig erſchie-<lb/> nen iſt und deſſen Analyſe dem <hi rendition="#aq">Examen critique de l'histoire de la<lb/> géographie du Nouveau Continent et des progrès de l'astronomie<lb/> nautique aux XV et XVI siècles</hi>, in Folio und in Sto beigefuͤgt<lb/> worden iſt.</note> verſchwindet dann<lb/> gaͤnzlich, die Geſtalt der Flußbetten iſt voͤllig verwiſcht und das Ganze<lb/> erſcheint wie ein großer See. Aber die Lokalitaͤt der Mythe von<lb/> dem Dorado und dem Parime gehoͤrt hiſtoriſch einer ganz anderen<lb/> Gegend von Guyana an, naͤmlich der Gegend ſuͤdlich von den <hi rendition="#g">Pa-<lb/> caraina-Bergen</hi>. Es ſind, wie ich vor funfzehn Jahren dar-<lb/> gethan zu haben glaube, die Glimmer-Felſen des Ucucuamo, der<lb/> Name des Rio Parime (Rio Branco), die Überſchwemmungen ſei-<lb/> ner Zufluͤſſe und <hi rendition="#g">vor Allem die Exiſtenz des Amucu-Sees,<lb/> der dem Rio Rupunuwini</hi> (<hi rendition="#g">Rupunuri</hi>) <hi rendition="#g">benachbart iſt<lb/> und durch den Pirara mit dem Rio Parime in Ver-<lb/> bindung ſteht</hi>, die zu der Fabel von dem weißen Meere und dem<lb/><hi rendition="#g">Dorado de la Parime</hi> Veranlaſſung gegeben haben.</p><lb/> <p>Jch habe die Genugthuung gehabt, zu ſehen, daß die Reiſe<lb/> des Herrn Schomburgk dieſe erſten Berichte vollkommen beſtaͤtigt<lb/> hat. Der Theil ſeiner Karte, welcher den Lauf des Eſſequibo und<lb/> Rupunuri darſtellt, iſt voͤllig neuͤ und von großer Wichtigkeit fuͤr<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0021]
Über die Geographie von Guyana.
liegen ſollte. Was zu der Annahme des fabelhaften Parime-Sees
hat Veranlaſſung geben koͤnnen, iſt meiner Anſicht nach Folgendes.
Jn einer ziemlich großen Entfernung von dem Waſſerfalle Teboco
zeigen die Waſſer des Maſſaruni nicht mehr ſichtbare Stroͤmung,
als die ruhigen Waſſer eines Sees. Wenn nun in einer mehr
oder weniger entfernten Zeit die horizontalen Schichten der Granit-
Formation von Teboco vollkommeu dicht und ohne Spalten waren,
ſo mußten ſie ſich wenigſtens 50 Fuß uͤber ihr jetziges Niveau er-
heben, wodurch ein großer See von 10–12 Meilen Breite und
1500–2000 Meilen Laͤnge gebildet wurde.“ *) Es iſt hierbei
nicht allein die Ausdehnung der angenommenen Überſchwemmung,
was mich verhindert, dieſer Erklaͤrung beizuſtimmen. Jch habe
Ebenen (Llanos) geſehen, wo zur Regenzeit die Überſchwemmungen
der Zufluͤſſe des Orenoko, wegen der Erhebung der Gegen-
haͤnge, jaͤhrlich eine Oberflaͤche von 400 Quadrat-Lieues mit
Waſſer bedecken. Das Labyrinth der Verzweigungen zwiſchen dem
Apure, Arauca, Capanaparo und Sinaruco **) verſchwindet dann
gaͤnzlich, die Geſtalt der Flußbetten iſt voͤllig verwiſcht und das Ganze
erſcheint wie ein großer See. Aber die Lokalitaͤt der Mythe von
dem Dorado und dem Parime gehoͤrt hiſtoriſch einer ganz anderen
Gegend von Guyana an, naͤmlich der Gegend ſuͤdlich von den Pa-
caraina-Bergen. Es ſind, wie ich vor funfzehn Jahren dar-
gethan zu haben glaube, die Glimmer-Felſen des Ucucuamo, der
Name des Rio Parime (Rio Branco), die Überſchwemmungen ſei-
ner Zufluͤſſe und vor Allem die Exiſtenz des Amucu-Sees,
der dem Rio Rupunuwini (Rupunuri) benachbart iſt
und durch den Pirara mit dem Rio Parime in Ver-
bindung ſteht, die zu der Fabel von dem weißen Meere und dem
Dorado de la Parime Veranlaſſung gegeben haben.
Jch habe die Genugthuung gehabt, zu ſehen, daß die Reiſe
des Herrn Schomburgk dieſe erſten Berichte vollkommen beſtaͤtigt
hat. Der Theil ſeiner Karte, welcher den Lauf des Eſſequibo und
Rupunuri darſtellt, iſt voͤllig neuͤ und von großer Wichtigkeit fuͤr
*) Annales des Voyages, 1836, Septbr. pag. 316.
**) Siehe die Karten 17 und 18 meines Atlas géographique et physi-
que der kuͤrzlich in der Buchhandlung von Gide vollſtaͤndig erſchie-
nen iſt und deſſen Analyſe dem Examen critique de l'histoire de la
géographie du Nouveau Continent et des progrès de l'astronomie
nautique aux XV et XVI siècles, in Folio und in Sto beigefuͤgt
worden iſt.
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