Humboldt, Alexander von: Ueber einige wichtige Punkte der Geographie Guyanas. In: Annalen der Erd-, Völker- und Staatenkunde, 5 (1837/1838), S. 35-62.Annalen etc., Oktober 1837. -- Länder- und Völkerkunde. man von ver Bergkette von Pacaraina durch die schmale Zone kul-tivirten (oder vielmehr bewohnten) Landes, welches zur Capitania general von Groß-Para gehört, herabsteigt, so kann man die theils eingebildeten, theils von den Geographen vergrößerten Seen in zwei unterschiedene Gruppen theilen. Die erste dieser Gruppen umfaßt diejenigen, die man zwischen Esmeralda, der östlichsten Mis- sion des oberen Orenoko, und den Rio Branco setzt; zur zweiten gehören diejenigen Seen, die man in dem Landstriche zwischen dem Rio Branco und dem Französischen, Holländischen und Englischen Guyana annimmt. Diese Übersicht, welche die Reisenden nicht aus den Augen verlieren dürfen, beweist, daß die Frage, ob außer dem Amucu-See, der von Hortsmann, Santos, dem Obersten Ba- rata und Herrn Schomburgk gesehen worden ist, noch ein Parime- See existire, dem Problem der Orenoko-Quellen gänzlich fremd ist. Da der Name meines ausgezeichneten Freundes Don Felipe Bauza, ehmaligen Direktors des hydrographischen Depots in Madrid, in der Geographie von großem Gewichte ist, so macht die Unpartei- lichkeit, die bei jeder wissenschaftlichen Diskussion vorherrschen muß, es mir zur Pflicht, hier daran zu erinnern, daß dieser Gelehrte ei- nigermaßen geneigt war, an die Existenz von Seen, westlich vom Rio Branco, den Quellen des Orenoko ziemlich benachbart, zu glauben. Er schrieb mir, kurze Zeit vor seinem Tode, aus London: "Jch wünschte, Sie wären hier, damit wir die Geographie des Ore- noko, mit der Sie sich so viel beschäftigt haben, gemeinschaftlich dis- kutiren könnten. Jch bin ziemlich glücklich gewesen, die völlige Vernichtung der Dokumente zu verhindern, die dem General der Marine, Don Jose Solano, Vater desjenigen, der auf so traurige Weise in Cadix umkam, gehörten. Diese Dokumente beziehen sich auf die Gränz-Eintheilung*) zwischen den Spaniern und die Zuflüsse des Uraricuera, die den Parime, Mayari und Urarica- para bilden, haben ihre Quellen unmittelbar an dem Süd-Abhange der kleinen Cordillere von Pacaraina, so daß die Wasser des Rio Branco, dessen Zusammenfluß mit dem Rio Negro, nach dem Astro- nomen und Geographen Pontes Leme, in Lat. 1° 26' N. liegt, von Lat. 4° N. herabkommen. *) Um sich dieser Gränz-Expedition als Botaniker anzuschließen, be-
gab sich der berühmte Löffling, ein Schüler Linne's, nach Cumana. Er starb, nachdem er seit dem 22 Februar 1756 die Missionen von Piritu und Caroni durchstreift hatte, in der Mission Santa Eulalia de Murucuri, etwas südlich von dem Zusammenflusse des Orenoko und Caroni. Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde. man von ver Bergkette von Pacaraina durch die ſchmale Zone kul-tivirten (oder vielmehr bewohnten) Landes, welches zur Capitania general von Groß-Para gehoͤrt, herabſteigt, ſo kann man die theils eingebildeten, theils von den Geographen vergroͤßerten Seen in zwei unterſchiedene Gruppen theilen. Die erſte dieſer Gruppen umfaßt diejenigen, die man zwiſchen Esmeralda, der oͤſtlichſten Miſ- ſion des oberen Orenoko, und den Rio Branco ſetzt; zur zweiten gehoͤren diejenigen Seen, die man in dem Landſtriche zwiſchen dem Rio Branco und dem Franzoͤſiſchen, Hollaͤndiſchen und Engliſchen Guyana annimmt. Dieſe Überſicht, welche die Reiſenden nicht aus den Augen verlieren duͤrfen, beweiſt, daß die Frage, ob außer dem Amucu-See, der von Hortsmann, Santos, dem Oberſten Ba- rata und Herrn Schomburgk geſehen worden iſt, noch ein Parime- See exiſtire, dem Problem der Orenoko-Quellen gaͤnzlich fremd iſt. Da der Name meines ausgezeichneten Freundes Don Felipe Bauza, ehmaligen Direktors des hydrographiſchen Depots in Madrid, in der Geographie von großem Gewichte iſt, ſo macht die Unpartei- lichkeit, die bei jeder wiſſenſchaftlichen Diskuſſion vorherrſchen muß, es mir zur Pflicht, hier daran zu erinnern, daß dieſer Gelehrte ei- nigermaßen geneigt war, an die Exiſtenz von Seen, weſtlich vom Rio Branco, den Quellen des Orenoko ziemlich benachbart, zu glauben. Er ſchrieb mir, kurze Zeit vor ſeinem Tode, aus London: „Jch wuͤnſchte, Sie waͤren hier, damit wir die Geographie des Ore- noko, mit der Sie ſich ſo viel beſchaͤftigt haben, gemeinſchaftlich dis- kutiren koͤnnten. Jch bin ziemlich gluͤcklich geweſen, die voͤllige Vernichtung der Dokumente zu verhindern, die dem General der Marine, Don Joſe Solano, Vater desjenigen, der auf ſo traurige Weiſe in Cadix umkam, gehoͤrten. Dieſe Dokumente beziehen ſich auf die Graͤnz-Eintheilung*) zwiſchen den Spaniern und die Zufluͤſſe des Uraricuera, die den Parime, Mayari und Urarica- para bilden, haben ihre Quellen unmittelbar an dem Suͤd-Abhange der kleinen Cordillere von Pacaraina, ſo daß die Waſſer des Rio Branco, deſſen Zuſammenfluß mit dem Rio Negro, nach dem Aſtro- nomen und Geographen Pontes Leme, in Lat. 1° 26′ N. liegt, von Lat. 4° N. herabkommen. *) Um ſich dieſer Graͤnz-Expedition als Botaniker anzuſchließen, be-
gab ſich der beruͤhmte Loͤffling, ein Schuͤler Linné's, nach Cumana. Er ſtarb, nachdem er ſeit dem 22 Februar 1756 die Miſſionen von Piritu und Caroni durchſtreift hatte, in der Miſſion Santa Eulalia de Murucuri, etwas ſuͤdlich von dem Zuſammenfluſſe des Orenoko und Caroni. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0016" n="50"/><fw place="top" type="header">Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde.</fw><lb/> man von ver Bergkette von Pacaraina durch die ſchmale Zone kul-<lb/> tivirten (oder vielmehr bewohnten) Landes, welches zur <hi rendition="#aq">Capitania<lb/> general</hi> von Groß-Para gehoͤrt, herabſteigt, ſo kann man die theils<lb/> eingebildeten, theils von den Geographen vergroͤßerten Seen in<lb/> zwei unterſchiedene Gruppen theilen. Die erſte dieſer Gruppen<lb/> umfaßt diejenigen, die man zwiſchen Esmeralda, der oͤſtlichſten Miſ-<lb/> ſion des oberen Orenoko, und den Rio Branco ſetzt; zur zweiten<lb/> gehoͤren diejenigen Seen, die man in dem Landſtriche zwiſchen dem<lb/> Rio Branco und dem Franzoͤſiſchen, Hollaͤndiſchen und Engliſchen<lb/> Guyana annimmt. Dieſe Überſicht, welche die Reiſenden nicht<lb/> aus den Augen verlieren duͤrfen, beweiſt, daß die Frage, ob außer<lb/> dem Amucu-See, der von Hortsmann, Santos, dem Oberſten Ba-<lb/> rata und Herrn Schomburgk geſehen worden iſt, noch ein Parime-<lb/> See exiſtire, dem Problem der Orenoko-Quellen gaͤnzlich fremd iſt.<lb/> Da der Name meines ausgezeichneten Freundes Don Felipe Bauza,<lb/> ehmaligen Direktors des hydrographiſchen Depots in Madrid, in<lb/> der Geographie von großem Gewichte iſt, ſo macht die Unpartei-<lb/> lichkeit, die bei jeder wiſſenſchaftlichen Diskuſſion vorherrſchen muß,<lb/> es mir zur Pflicht, hier daran zu erinnern, daß dieſer Gelehrte ei-<lb/> nigermaßen geneigt war, an die Exiſtenz von Seen, <hi rendition="#g">weſtlich vom<lb/> Rio Branco</hi>, den Quellen des Orenoko ziemlich benachbart, zu<lb/> glauben. Er ſchrieb mir, kurze Zeit vor ſeinem Tode, aus London:<lb/> „Jch wuͤnſchte, Sie waͤren hier, damit wir die Geographie des Ore-<lb/> noko, mit der Sie ſich ſo viel beſchaͤftigt haben, gemeinſchaftlich dis-<lb/> kutiren koͤnnten. Jch bin ziemlich gluͤcklich geweſen, die voͤllige<lb/> Vernichtung der Dokumente zu verhindern, die dem General der<lb/> Marine, Don Joſe Solano, Vater desjenigen, der auf ſo traurige<lb/> Weiſe in Cadix umkam, gehoͤrten. Dieſe Dokumente beziehen ſich<lb/> auf die <hi rendition="#g">Graͤnz-Eintheilung</hi><note place="foot" n="*)">Um ſich dieſer Graͤnz-Expedition als Botaniker anzuſchließen, be-<lb/> gab ſich der beruͤhmte Loͤffling, ein Schuͤler Linné's, nach Cumana.<lb/> Er ſtarb, nachdem er ſeit dem 22 Februar 1756 die Miſſionen von<lb/> Piritu und Caroni durchſtreift hatte, in der Miſſion Santa Eulalia<lb/> de Murucuri, etwas ſuͤdlich von dem Zuſammenfluſſe des Orenoko<lb/> und Caroni.</note> zwiſchen den Spaniern und<lb/><note xml:id="fn4.1" prev="#fn4" place="foot" n="**)">die Zufluͤſſe des Uraricuera, die den Parime, Mayari und Urarica-<lb/> para bilden, haben ihre Quellen unmittelbar an dem Suͤd-Abhange<lb/> der kleinen Cordillere von Pacaraina, ſo daß die Waſſer des Rio<lb/> Branco, deſſen Zuſammenfluß mit dem Rio Negro, nach dem Aſtro-<lb/> nomen und Geographen Pontes Leme, in Lat. 1° 26′ N. liegt, von<lb/> Lat. 4° N. herabkommen.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0016]
Annalen ꝛc., Oktober 1837. — Laͤnder- und Voͤlkerkunde.
man von ver Bergkette von Pacaraina durch die ſchmale Zone kul-
tivirten (oder vielmehr bewohnten) Landes, welches zur Capitania
general von Groß-Para gehoͤrt, herabſteigt, ſo kann man die theils
eingebildeten, theils von den Geographen vergroͤßerten Seen in
zwei unterſchiedene Gruppen theilen. Die erſte dieſer Gruppen
umfaßt diejenigen, die man zwiſchen Esmeralda, der oͤſtlichſten Miſ-
ſion des oberen Orenoko, und den Rio Branco ſetzt; zur zweiten
gehoͤren diejenigen Seen, die man in dem Landſtriche zwiſchen dem
Rio Branco und dem Franzoͤſiſchen, Hollaͤndiſchen und Engliſchen
Guyana annimmt. Dieſe Überſicht, welche die Reiſenden nicht
aus den Augen verlieren duͤrfen, beweiſt, daß die Frage, ob außer
dem Amucu-See, der von Hortsmann, Santos, dem Oberſten Ba-
rata und Herrn Schomburgk geſehen worden iſt, noch ein Parime-
See exiſtire, dem Problem der Orenoko-Quellen gaͤnzlich fremd iſt.
Da der Name meines ausgezeichneten Freundes Don Felipe Bauza,
ehmaligen Direktors des hydrographiſchen Depots in Madrid, in
der Geographie von großem Gewichte iſt, ſo macht die Unpartei-
lichkeit, die bei jeder wiſſenſchaftlichen Diskuſſion vorherrſchen muß,
es mir zur Pflicht, hier daran zu erinnern, daß dieſer Gelehrte ei-
nigermaßen geneigt war, an die Exiſtenz von Seen, weſtlich vom
Rio Branco, den Quellen des Orenoko ziemlich benachbart, zu
glauben. Er ſchrieb mir, kurze Zeit vor ſeinem Tode, aus London:
„Jch wuͤnſchte, Sie waͤren hier, damit wir die Geographie des Ore-
noko, mit der Sie ſich ſo viel beſchaͤftigt haben, gemeinſchaftlich dis-
kutiren koͤnnten. Jch bin ziemlich gluͤcklich geweſen, die voͤllige
Vernichtung der Dokumente zu verhindern, die dem General der
Marine, Don Joſe Solano, Vater desjenigen, der auf ſo traurige
Weiſe in Cadix umkam, gehoͤrten. Dieſe Dokumente beziehen ſich
auf die Graͤnz-Eintheilung *) zwiſchen den Spaniern und
**)
*) Um ſich dieſer Graͤnz-Expedition als Botaniker anzuſchließen, be-
gab ſich der beruͤhmte Loͤffling, ein Schuͤler Linné's, nach Cumana.
Er ſtarb, nachdem er ſeit dem 22 Februar 1756 die Miſſionen von
Piritu und Caroni durchſtreift hatte, in der Miſſion Santa Eulalia
de Murucuri, etwas ſuͤdlich von dem Zuſammenfluſſe des Orenoko
und Caroni.
**) die Zufluͤſſe des Uraricuera, die den Parime, Mayari und Urarica-
para bilden, haben ihre Quellen unmittelbar an dem Suͤd-Abhange
der kleinen Cordillere von Pacaraina, ſo daß die Waſſer des Rio
Branco, deſſen Zuſammenfluß mit dem Rio Negro, nach dem Aſtro-
nomen und Geographen Pontes Leme, in Lat. 1° 26′ N. liegt, von
Lat. 4° N. herabkommen.
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