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Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184.

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Brown eine debilitas indirecta. Der überreitzte Nerv
zuckt nun auch bey Zink und Gold nicht mehr. Gießen
Sie vorsichtig einige Tropfen Kochsalzsäure auf den
Nerv, so entsteht auf demselben natürlich ein heftiges
Brausen. Die Kohlensäure wird in Bläschen unter der
Nervenscheide sichtbar, ein Theil des Alkali ist abge-
stumpft -- und nun, nun gelingt das Galvanisiren wie-
der mit Zink und Zink. Die Reitzempfänglichkeit er-
scheint erhöhet wieder, sobald die Menge des auf den
Nerven wirkenden Alkali durch die Säure gemindert ist.
Vermehren Sie dieselbe noch einmal, so entsteht neue
Abstumpfung des Organs, neue debilitas indirecta; gießen
Sie noch einmal Salzsäure auf den Nerv, so stellen
Sie, (es ist mir in Gegenwart des Herrn Dr.von
Schallern
vollkommen geglückt,) zum zweytenmale
die erhöhte Reitzempfänglichkeit wieder her. Welch ein
wundersamer Organismus, welche Tenacität, welche
Unzerstöhrbarkeit der sensibelen Fiber!

Sie erinnern sich der Entdeckung, welche ich im
Winter 1793 über den Einfluß der oxygenirten Koch-
salzsäure machte*). Gemeine Kochsalzsäure tödtet alle
Keimkraft, in reinem Wasser keimt Lepid. fativum in
38 Stunden, in dephlogistisirter Salzsäure in 6 bis 7
Stunden. Vor wenigen Tagen ist es mir geglückt, wie-
derhohlt zu sehen, wie analog die oxygenirte Kochsalz-
säure auch auf die thierische Organisation wirkt. Jch
ließ zwey an sich schwache Froschschenkel durch siebenstün-
diges Galvanisiren ermatten. Sie zuckten nur schwach,
wenn Silber am Muskel, und Zink am Nerv lag, gar
nicht wenn das Silber den Zink und Nerv verband. Mit
Wasser bestrichen blieben die Erscheinungen sich gleich;
mit oxygenirter Kochsalzsäure aber den Nerv benetzt,
erfolgten sogleich lebhafte Contractionen, als das Sil-

ber
*) Flora Fribergensis. S. 156.
N 2

Brown eine debilitas indirecta. Der uͤberreitzte Nerv
zuckt nun auch bey Zink und Gold nicht mehr. Gießen
Sie vorſichtig einige Tropfen Kochſalzſaͤure auf den
Nerv, ſo entſteht auf demſelben natuͤrlich ein heftiges
Brauſen. Die Kohlenſaͤure wird in Blaͤschen unter der
Nervenſcheide ſichtbar, ein Theil des Alkali iſt abge-
ſtumpft — und nun, nun gelingt das Galvaniſiren wie-
der mit Zink und Zink. Die Reitzempfaͤnglichkeit er-
ſcheint erhoͤhet wieder, ſobald die Menge des auf den
Nerven wirkenden Alkali durch die Saͤure gemindert iſt.
Vermehren Sie dieſelbe noch einmal, ſo entſteht neue
Abſtumpfung des Organs, neue debilitas indirecta; gießen
Sie noch einmal Salzſaͤure auf den Nerv, ſo ſtellen
Sie, (es iſt mir in Gegenwart des Herrn Dr.von
Schallern
vollkommen gegluͤckt,) zum zweytenmale
die erhoͤhte Reitzempfaͤnglichkeit wieder her. Welch ein
wunderſamer Organismus, welche Tenacitaͤt, welche
Unzerſtoͤhrbarkeit der ſenſibelen Fiber!

Sie erinnern ſich der Entdeckung, welche ich im
Winter 1793 uͤber den Einfluß der oxygenirten Koch-
ſalzſaͤure machte*). Gemeine Kochſalzſaͤure toͤdtet alle
Keimkraft, in reinem Waſſer keimt Lepid. fativum in
38 Stunden, in dephlogiſtiſirter Salzſaͤure in 6 bis 7
Stunden. Vor wenigen Tagen iſt es mir gegluͤckt, wie-
derhohlt zu ſehen, wie analog die oxygenirte Kochſalz-
ſaͤure auch auf die thieriſche Organiſation wirkt. Jch
ließ zwey an ſich ſchwache Froſchſchenkel durch ſiebenſtuͤn-
diges Galvaniſiren ermatten. Sie zuckten nur ſchwach,
wenn Silber am Muskel, und Zink am Nerv lag, gar
nicht wenn das Silber den Zink und Nerv verband. Mit
Waſſer beſtrichen blieben die Erſcheinungen ſich gleich;
mit oxygenirter Kochſalzſaͤure aber den Nerv benetzt,
erfolgten ſogleich lebhafte Contractionen, als das Sil-

ber
*) Flora Fribergenſis. S. 156.
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[183/0020] Brown eine debilitas indirecta. Der uͤberreitzte Nerv zuckt nun auch bey Zink und Gold nicht mehr. Gießen Sie vorſichtig einige Tropfen Kochſalzſaͤure auf den Nerv, ſo entſteht auf demſelben natuͤrlich ein heftiges Brauſen. Die Kohlenſaͤure wird in Blaͤschen unter der Nervenſcheide ſichtbar, ein Theil des Alkali iſt abge- ſtumpft — und nun, nun gelingt das Galvaniſiren wie- der mit Zink und Zink. Die Reitzempfaͤnglichkeit er- ſcheint erhoͤhet wieder, ſobald die Menge des auf den Nerven wirkenden Alkali durch die Saͤure gemindert iſt. Vermehren Sie dieſelbe noch einmal, ſo entſteht neue Abſtumpfung des Organs, neue debilitas indirecta; gießen Sie noch einmal Salzſaͤure auf den Nerv, ſo ſtellen Sie, (es iſt mir in Gegenwart des Herrn Dr.von Schallern vollkommen gegluͤckt,) zum zweytenmale die erhoͤhte Reitzempfaͤnglichkeit wieder her. Welch ein wunderſamer Organismus, welche Tenacitaͤt, welche Unzerſtoͤhrbarkeit der ſenſibelen Fiber! Sie erinnern ſich der Entdeckung, welche ich im Winter 1793 uͤber den Einfluß der oxygenirten Koch- ſalzſaͤure machte *). Gemeine Kochſalzſaͤure toͤdtet alle Keimkraft, in reinem Waſſer keimt Lepid. fativum in 38 Stunden, in dephlogiſtiſirter Salzſaͤure in 6 bis 7 Stunden. Vor wenigen Tagen iſt es mir gegluͤckt, wie- derhohlt zu ſehen, wie analog die oxygenirte Kochſalz- ſaͤure auch auf die thieriſche Organiſation wirkt. Jch ließ zwey an ſich ſchwache Froſchſchenkel durch ſiebenſtuͤn- diges Galvaniſiren ermatten. Sie zuckten nur ſchwach, wenn Silber am Muskel, und Zink am Nerv lag, gar nicht wenn das Silber den Zink und Nerv verband. Mit Waſſer beſtrichen blieben die Erſcheinungen ſich gleich; mit oxygenirter Kochſalzſaͤure aber den Nerv benetzt, erfolgten ſogleich lebhafte Contractionen, als das Sil- ber *) Flora Fribergenſis. S. 156. N 2

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Neue Versuche über den Metallreiz, besonders in Hinsicht auf die verschiedenartige Empfänglichkeit der thierischen Organe. In: Neues Journal der Physik. Bd. 3, H. 2 (1796), S. 165-184, hier S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_metallreiz_1796/20>, abgerufen am 23.11.2024.