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Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145.

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In dem Bericht über die zweite Entdeckungsreise handelt Hernando, wahrscheinlich durch eine, für uns ebenfalls verlorene Stelle aus dem Tagebuche des Vaters veranlaßt, weitläuftig von einem metallenen Küchengeräth, einer Art Tortenpfanne (tortera), die von Seefahrern mit großem Erstaunen in den Händen der Eingeborenen von Guadalupe gefunden wurde.1 Es wurde damals schon die Vermuthung ausgesprochen, daß dies Eisen, vielleicht von hölzernen Trümmern getragen, von irgend einem Schiffe herrühren könne, welches von den Küsten Spaniens durch die Gewalt der Strömungen

1 Vida del Almirante cap. 16. - Zwei Ereignisse des 18ten Jahrhunderts sind geeignet einiges Licht auf die im Texte berührte Vermuthung zu werfen. Man liest in der Geschichte der canarischen Entdeckung und Eroberung der canarischen Inseln (the history of the discovery and conquest of the Canary Islands) von Georg Glas, die im Jahre 1764 erschien: daß kurze Zeit vor der Bekanntmachung dieser wichtigen Schrift ein kleines, mit Getreide beladenes Fahrzeug, welches von Lancerote nach Santa Cruz auf Teneriffa bestimmt war, durch einen Sturm verschlagen wurde, ohne den Archipel der canarischen Inseln wiedergewinnen zu können. Durch den Aequinoctial-Strom und die Passatwinde gegen WSW getrieben, begegnete das verschlagene Boot zwei Tagereisen von der Küste von Caracas einem dahersegelnden englischen Handelsschiffe. Einige der unglücklichen Seeleute, welche die langen Leiden des Wassermangels überlebt hatten, wurden mit Wasser und Lebensmittel versorgt und nach dem Hafen von La Guama geführt. Ein-und-dreißig Jahre früher wurde, nach des Paters Gumilla Erzählung, ein mit Wein beladenes Schiff, mit einer Bemannung von nur sechs Leuten, auf dem kurzen Wege von Teneriffa nach Gomera, mit widrigen Winden kämpfend, durch die Gewalt der Ströme nach der antillischen Insel Trinidad, der Küste von Paria gegenüber, geführt. (Viera, Historia general de las Islas de Canaria T. II. p. 167; und Gumilla, Orinoco ilustrado cap. 31. - Eine temporäre Verbindung des nach Süden führenden Meeresstroms an der nördlichen Westküste von Afrika mit dem Aequinoctial-Strom wirkte in einem diametral entgegengesetzten Sinne (ost-westlich) als der temporär verlängerte südöstlichste Theil des Golfstroms, welcher im 15ten und 18ten Jahrhundert amerikanisches Bambusrohr (Guadua) und Cedrela-Stämme (west-östlich) an den Strand von Porto Santo und Teneriffa trieb.

In dem Bericht über die zweite Entdeckungsreise handelt Hernando, wahrscheinlich durch eine, für uns ebenfalls verlorene Stelle aus dem Tagebuche des Vaters veranlaßt, weitläuftig von einem metallenen Küchengeräth, einer Art Tortenpfanne (tortera), die von Seefahrern mit großem Erstaunen in den Händen der Eingeborenen von Guadalupe gefunden wurde.1 Es wurde damals schon die Vermuthung ausgesprochen, daß dies Eisen, vielleicht von hölzernen Trümmern getragen, von irgend einem Schiffe herrühren könne, welches von den Küsten Spaniens durch die Gewalt der Strömungen

1 Vida del Almirante cap. 16. – Zwei Ereignisse des 18ten Jahrhunderts sind geeignet einiges Licht auf die im Texte berührte Vermuthung zu werfen. Man liest in der Geschichte der canarischen Entdeckung und Eroberung der canarischen Inseln (the history of the discovery and conquest of the Canary Islands) von Georg Glas, die im Jahre 1764 erschien: daß kurze Zeit vor der Bekanntmachung dieser wichtigen Schrift ein kleines, mit Getreide beladenes Fahrzeug, welches von Lancerote nach Santa Cruz auf Teneriffa bestimmt war, durch einen Sturm verschlagen wurde, ohne den Archipel der canarischen Inseln wiedergewinnen zu können. Durch den Aequinoctial-Strom und die Passatwinde gegen WSW getrieben, begegnete das verschlagene Boot zwei Tagereisen von der Küste von Caracas einem dahersegelnden englischen Handelsschiffe. Einige der unglücklichen Seeleute, welche die langen Leiden des Wassermangels überlebt hatten, wurden mit Wasser und Lebensmittel versorgt und nach dem Hafen von La Guama geführt. Ein-und-dreißig Jahre früher wurde, nach des Paters Gumilla Erzählung, ein mit Wein beladenes Schiff, mit einer Bemannung von nur sechs Leuten, auf dem kurzen Wege von Teneriffa nach Gomera, mit widrigen Winden kämpfend, durch die Gewalt der Ströme nach der antillischen Insel Trinidad, der Küste von Paria gegenüber, geführt. (Viera, Historia general de las Islas de Canaria T. II. p. 167; und Gumilla, Orinoco ilustrado cap. 31. – Eine temporäre Verbindung des nach Süden führenden Meeresstroms an der nördlichen Westküste von Afrika mit dem Aequinoctial-Strom wirkte in einem diametral entgegengesetzten Sinne (ost-westlich) als der temporär verlängerte südöstlichste Theil des Golfstroms, welcher im 15ten und 18ten Jahrhundert amerikanisches Bambusrohr (Guadua) und Cedrela-Stämme (west-östlich) an den Strand von Porto Santo und Teneriffa trieb.
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[53/0023] In dem Bericht über die zweite Entdeckungsreise handelt Hernando, wahrscheinlich durch eine, für uns ebenfalls verlorene Stelle aus dem Tagebuche des Vaters veranlaßt, weitläuftig von einem metallenen Küchengeräth, einer Art Tortenpfanne (tortera), die von Seefahrern mit großem Erstaunen in den Händen der Eingeborenen von Guadalupe gefunden wurde. 1 Es wurde damals schon die Vermuthung ausgesprochen, daß dies Eisen, vielleicht von hölzernen Trümmern getragen, von irgend einem Schiffe herrühren könne, welches von den Küsten Spaniens durch die Gewalt der Strömungen 1 Vida del Almirante cap. 16. – Zwei Ereignisse des 18ten Jahrhunderts sind geeignet einiges Licht auf die im Texte berührte Vermuthung zu werfen. Man liest in der Geschichte der canarischen Entdeckung und Eroberung der canarischen Inseln (the history of the discovery and conquest of the Canary Islands) von Georg Glas, die im Jahre 1764 erschien: daß kurze Zeit vor der Bekanntmachung dieser wichtigen Schrift ein kleines, mit Getreide beladenes Fahrzeug, welches von Lancerote nach Santa Cruz auf Teneriffa bestimmt war, durch einen Sturm verschlagen wurde, ohne den Archipel der canarischen Inseln wiedergewinnen zu können. Durch den Aequinoctial-Strom und die Passatwinde gegen WSW getrieben, begegnete das verschlagene Boot zwei Tagereisen von der Küste von Caracas einem dahersegelnden englischen Handelsschiffe. Einige der unglücklichen Seeleute, welche die langen Leiden des Wassermangels überlebt hatten, wurden mit Wasser und Lebensmittel versorgt und nach dem Hafen von La Guama geführt. Ein-und-dreißig Jahre früher wurde, nach des Paters Gumilla Erzählung, ein mit Wein beladenes Schiff, mit einer Bemannung von nur sechs Leuten, auf dem kurzen Wege von Teneriffa nach Gomera, mit widrigen Winden kämpfend, durch die Gewalt der Ströme nach der antillischen Insel Trinidad, der Küste von Paria gegenüber, geführt. (Viera, Historia general de las Islas de Canaria T. II. p. 167; und Gumilla, Orinoco ilustrado cap. 31. – Eine temporäre Verbindung des nach Süden führenden Meeresstroms an der nördlichen Westküste von Afrika mit dem Aequinoctial-Strom wirkte in einem diametral entgegengesetzten Sinne (ost-westlich) als der temporär verlängerte südöstlichste Theil des Golfstroms, welcher im 15ten und 18ten Jahrhundert amerikanisches Bambusrohr (Guadua) und Cedrela-Stämme (west-östlich) an den Strand von Porto Santo und Teneriffa trieb.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145, hier S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_meer_1833/23>, abgerufen am 20.04.2024.