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Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145.

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Die Davis-Straße, welche das Eis und die kalten Wasser der Baffins- und Hudsonsbai längs der Küste von Labrador nach Nova Scotiaund Neufundland in niedere Breiten führt, ist aber nicht die einzige arctische Strömung. Zu ihr gesellt sich, wie es scheint, ehe dieselbe ihre primitive süd-süd-östliche Richtung in eine südwestliche verwandelt (also im Parallel des labradorischen Südcaps St. Charles), ein zweiter, lange verkannter, von Spitzbergen in der Richtung NO-SW zwischen Island und Ost-Grönland hervorkommender Polarstrom. Nach anderen Angaben, denen auch Capitän Beechey, Kerhallet und Findlay auf ihren neuesten Stromkarten folgen, ist in dem angegebenen Parallel das Herabkommen des zweiten Stromes erst 8 bis 10 Längengrade östlicher, weit jenseits der Großen Bank. Man hat lange geglaubt, daß ein großer Theil des Eises, dem man im Frühjahr zwischen long. 50° und 60° (lat. 42°-46°) auf der Ueberfahrt von Boston und Neu-York nach Europa begegnet, seinen Ursprung der Küste von Grönland verdanke; aber die sorgfältigen Untersuchungen des dänischen Marine-Capitäns Irminger1 haben gelehrt, daß die kalte südwestliche Strömung,

1 Vergleiche auch das Log-book der Grinnell-Exped. p. 511-514. Gegen Norden treibende Eismassen wurden in dem östlichen Theile der Davis-Straße und Baffinsbai gesehen zwischen 60° und 75°. "Die Strömung", sagt Capitän Irminger, "welche vom Eismeere längs der Küste Ost-Grönlands läuft, wird irrig so angegeben, als wenn sie ihren Lauf in gerader Richtung nach Neufundland und so weiter fortsetze. Sie wendet sich um das Cap Farewell: wo die ungeheuren Eismassen, die sie führt, sich, angehäuft, manchmal bis 20 deutsche Meilen vom Lande in das Meer erstrecken. Strom und Eis biegen in die Davis-Straße hinein. Als ein Beweis für diese nautische Angabe dient noch Folgendes: von Kopenhagen gehen jährlich viele Schiffe nach den, an der Davis-Straße, auf der Westseite von Grönland, liegenden Colonien; und wenn die Schiffe ihren Curs so nehmen, daß sie 15 bis 20 deutsche Meilen südlich vom Cap Farewell passiren, sind sie immer sicher kein Eis anzutreffen, ehe sie in der Davis-Straße angekommen sind." Siehe Irminger in Gumprecht's Zeitschrift für Allg. Erdkunde Bd. I. S. 490 und Bd. III. S. 175 und 186: mit einer interessanten Karte der Meeresströmungen im nördlichen Theile des atlantischen Oceans (zwischen den Shetland- und Färöer-Inseln und Ost-Grönland).

Die Davis-Straße, welche das Eis und die kalten Wasser der Baffins- und Hudsonsbai längs der Küste von Labrador nach Nova Scotiaund Neufundland in niedere Breiten führt, ist aber nicht die einzige arctische Strömung. Zu ihr gesellt sich, wie es scheint, ehe dieselbe ihre primitive süd-süd-östliche Richtung in eine südwestliche verwandelt (also im Parallel des labradorischen Südcaps St. Charles), ein zweiter, lange verkannter, von Spitzbergen in der Richtung NO–SW zwischen Island und Ost-Grönland hervorkommender Polarstrom. Nach anderen Angaben, denen auch Capitän Beechey, Kerhallet und Findlay auf ihren neuesten Stromkarten folgen, ist in dem angegebenen Parallel das Herabkommen des zweiten Stromes erst 8 bis 10 Längengrade östlicher, weit jenseits der Großen Bank. Man hat lange geglaubt, daß ein großer Theil des Eises, dem man im Frühjahr zwischen long. 50° und 60° (lat. 42°–46°) auf der Ueberfahrt von Boston und Neu-York nach Europa begegnet, seinen Ursprung der Küste von Grönland verdanke; aber die sorgfältigen Untersuchungen des dänischen Marine-Capitäns Irminger1 haben gelehrt, daß die kalte südwestliche Strömung,

1 Vergleiche auch das Log-book der Grinnell-Exped. p. 511–514. Gegen Norden treibende Eismassen wurden in dem östlichen Theile der Davis-Straße und Baffinsbai gesehen zwischen 60° und 75°. „Die Strömung“, sagt Capitän Irminger, „welche vom Eismeere längs der Küste Ost-Grönlands läuft, wird irrig so angegeben, als wenn sie ihren Lauf in gerader Richtung nach Neufundland und so weiter fortsetze. Sie wendet sich um das Cap Farewell: wo die ungeheuren Eismassen, die sie führt, sich, angehäuft, manchmal bis 20 deutsche Meilen vom Lande in das Meer erstrecken. Strom und Eis biegen in die Davis-Straße hinein. Als ein Beweis für diese nautische Angabe dient noch Folgendes: von Kopenhagen gehen jährlich viele Schiffe nach den, an der Davis-Straße, auf der Westseite von Grönland, liegenden Colonien; und wenn die Schiffe ihren Curs so nehmen, daß sie 15 bis 20 deutsche Meilen südlich vom Cap Farewell passiren, sind sie immer sicher kein Eis anzutreffen, ehe sie in der Davis-Straße angekommen sind.“ Siehe Irminger in Gumprecht's Zeitschrift für Allg. Erdkunde Bd. I. S. 490 und Bd. III. S. 175 und 186: mit einer interessanten Karte der Meeresströmungen im nördlichen Theile des atlantischen Oceans (zwischen den Shetland- und Färöer-Inseln und Ost-Grönland).
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[143/0113] Die Davis-Straße, welche das Eis und die kalten Wasser der Baffins- und Hudsonsbai längs der Küste von Labrador nach Nova Scotiaund Neufundland in niedere Breiten führt, ist aber nicht die einzige arctische Strömung. Zu ihr gesellt sich, wie es scheint, ehe dieselbe ihre primitive süd-süd-östliche Richtung in eine südwestliche verwandelt (also im Parallel des labradorischen Südcaps St. Charles), ein zweiter, lange verkannter, von Spitzbergen in der Richtung NO–SW zwischen Island und Ost-Grönland hervorkommender Polarstrom. Nach anderen Angaben, denen auch Cap. Beechey, Kerhallet und Findlay auf ihren neuesten Stromkarten folgen, ist in dem angegebenen Parallel das Herabkommen des zweiten Stromes erst 8 bis 10 Längengrade östlicher, weit jenseits der Großen Bank. Man hat lange geglaubt, daß ein großer Theil des Eises, dem man im Frühjahr zwischen long. 50° und 60° (lat. 42°–46°) auf der Ueberfahrt von Boston und Neu-York nach Europa begegnet, seinen Ursprung der Küste von Grönland verdanke; aber die sorgfältigen Untersuchungen des dänischen Marine-Capitäns Irminger 1 haben gelehrt, daß die kalte südwestliche Strömung, 1 Vergl. auch das Log-book der Grinnell-Exped. p. 511–514. Gegen Norden treibende Eismassen wurden in dem östlichen Theile der Davis-Straße und Baffinsbai gesehen zwischen 60° und 75°. „Die Strömung“, sagt Cap. Irminger, „welche vom Eismeere längs der Küste Ost-Grönlands läuft, wird irrig so angegeben, als wenn sie ihren Lauf in gerader Richtung nach Neufundland und so weiter fortsetze. Sie wendet sich um das Cap Farewell: wo die ungeheuren Eismassen, die sie führt, sich, angehäuft, manchmal bis 20 deutsche Meilen vom Lande in das Meer erstrecken. Strom und Eis biegen in die Davis-Straße hinein. Als ein Beweis für diese nautische Angabe dient noch Folgendes: von Kopenhagen gehen jährlich viele Schiffe nach den, an der Davis-Straße, auf der Westseite von Grönland, liegenden Colonien; und wenn die Schiffe ihren Curs so nehmen, daß sie 15 bis 20 deutsche Meilen südlich vom Cap Farewell passiren, sind sie immer sicher kein Eis anzutreffen, ehe sie in der Davis-Straße angekommen sind.“ S. Irminger in Gumprecht's Zeitschrift für Allg. Erdkunde Bd. I. S. 490 und Bd. III. S. 175 und 186: mit einer interessanten Karte der Meeresströmungen im nördlichen Theile des atlantischen Oceans (zwischen den Shetland- und Färöer-Inseln und Ost-Grönland).

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145, hier S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_meer_1833/113>, abgerufen am 29.11.2024.