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Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145.

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Von der Westküste Norwegens sind es hauptsächlich die nördlicheren und mittleren Theile, deren Küsten-Klima durch die warmen Golfstrom-Wasser gemildert wird. "Den südlichen Theilen", bemerkt scharfsinnig Dove, "ist durch das vorliegende Großbritannien der warme Einfluß des Stromes mehr entzogen als den nördlichen. Daher wird es wärmer, wenn man im Januar von Norbotten nach Finmark, d. h. von Süd nach Nord, geht."1 Wenn die mittlere Winter-Temperatur von Christiana (lat. 59° 54') zu 5°,3 herabsinkt, so ist2 die von Magerö und des Nordcaps (lat. 71° 10') 4°,5; die von Drontheim (lat. 63° 25'), wo im Sommer noch Kirschen reifen, 2°,8; die von Bergen (lat. 60° 24') +2°,4. Die Häfen von Tromsö (lat. 69° 38') und Hammerfest (lat. 70° 38') haben kein Eis, wenn das Meer bei Christiana längst gefroren ist. Bei Kielweg, ganz nahe am Nordcap, findet man sehr häufig den angeschwemmten Saamen der Mimosa scandens aus den Antillen. Martins und Lottin haben davon selbst dort zwischen Geschieben am Strande gefunden, und Robert versichert sie noch östlich von Magerö an dem Gestade des Weißen Meeres bemerkt zu haben.3 Den denkwürdigsten Beweis aber von einer wundersamen durch Drift-Wasser4 be-

1 Dove, die Verbreitung der Wärme auf der Erde 1852 S. 9. Vergleiche auch S. 20-23.
2 Dove, Temperaturtabellen S. 34
3 Martins, Cours complet de Meteorologie 1843 (traduction de l'ouvrage de Kaemtz) p. 191; Robert, Mineralogie et Geologie du Voyage en Islande et au Groenland, sur la Corv. la Recherche, Partie I. p. 131.
4 Ich bediene mich der Ausdrücke Drift, Drift-Wasser, Drift-Strömung (nachgebildet der in der englischen Marine gebräuchlichen Nomenclatur von Surface-Drift, Drift-Current) für eine schwache Bewegung der Oberfläche des Meeres, welche die Folge einer constanten und lange vorherrschenden Windrichtung in einer gewissen Zone ist. (Rennell p. 21, Manual of the Admirality 1849 p. 61 und Maury, Phys. Geography of the Sea 1855 p. 244.) "Wenn die Drift", sagt Rennell, "ein Hinderniß findet, so häufen sich die stauenden Wasser an und erregen dadurch eine wirkliche Strömung, einen Stream-Current, indem sich Wasser bis in die große Tiefe bewegen. Trift und Seetrift werden in der deutschen Seesprache mehr, wie Seewurf, für das vom Meere Ausgeworfene, Angetriebene gesagt.

Von der Westküste Norwegens sind es hauptsächlich die nördlicheren und mittleren Theile, deren Küsten-Klima durch die warmen Golfstrom-Wasser gemildert wird. „Den südlichen Theilen“, bemerkt scharfsinnig Dove, „ist durch das vorliegende Großbritannien der warme Einfluß des Stromes mehr entzogen als den nördlichen. Daher wird es wärmer, wenn man im Januar von Norbotten nach Finmark, d. h. von Süd nach Nord, geht.“1 Wenn die mittlere Winter-Temperatur von Christiana (lat. 59° 54′) zu −5°,3 herabsinkt, so ist2 die von Magerö und des Nordcaps (lat. 71° 10′) −4°,5; die von Drontheim (lat. 63° 25′), wo im Sommer noch Kirschen reifen, −2°,8; die von Bergen (lat. 60° 24′) +2°,4. Die Häfen von Tromsö (lat. 69° 38′) und Hammerfest (lat. 70° 38′) haben kein Eis, wenn das Meer bei Christiana längst gefroren ist. Bei Kielweg, ganz nahe am Nordcap, findet man sehr häufig den angeschwemmten Saamen der Mimosa scandens aus den Antillen. Martins und Lottin haben davon selbst dort zwischen Geschieben am Strande gefunden, und Robert versichert sie noch östlich von Magerö an dem Gestade des Weißen Meeres bemerkt zu haben.3 Den denkwürdigsten Beweis aber von einer wundersamen durch Drift-Wasser4 be-

1 Dove, die Verbreitung der Wärme auf der Erde 1852 S. 9. Vergleiche auch S. 20–23.
2 Dove, Temperaturtabellen S. 34
3 Martins, Cours complet de Météorologie 1843 (traduction de l'ouvrage de Kaemtz) p. 191; Robert, Minéralogie et Géologie du Voyage en Islande et au Groënland, sur la Corv. la Recherche, Partie I. p. 131.
4 Ich bediene mich der Ausdrücke Drift, Drift-Wasser, Drift-Strömung (nachgebildet der in der englischen Marine gebräuchlichen Nomenclatur von Surface-Drift, Drift-Current) für eine schwache Bewegung der Oberfläche des Meeres, welche die Folge einer constanten und lange vorherrschenden Windrichtung in einer gewissen Zone ist. (Rennell p. 21, Manual of the Admirality 1849 p. 61 und Maury, Phys. Geography of the Sea 1855 p. 244.) „Wenn die Drift“, sagt Rennell, „ein Hinderniß findet, so häufen sich die stauenden Wasser an und erregen dadurch eine wirkliche Strömung, einen Stream-Current, indem sich Wasser bis in die große Tiefe bewegen. Trift und Seetrift werden in der deutschen Seesprache mehr, wie Seewurf, für das vom Meere Ausgeworfene, Angetriebene gesagt.
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[130/0100] Von der Westküste Norwegens sind es hauptsächlich die nördlicheren und mittleren Theile, deren Küsten-Klima durch die warmen Golfstrom-Wasser gemildert wird. „Den südlichen Theilen“, bemerkt scharfsinnig Dove, „ist durch das vorliegende Großbritannien der warme Einfluß des Stromes mehr entzogen als den nördlichen. Daher wird es wärmer, wenn man im Januar von Norbotten nach Finmark, d. h. von Süd nach Nord, geht.“ 1 Wenn die mittlere Winter-Temperatur von Christiana (lat. 59° 54′) zu −5°,3 herabsinkt, so ist 2 die von Magerö und des Nordcaps (lat. 71° 10′) −4°,5; die von Drontheim (lat. 63° 25′), wo im Sommer noch Kirschen reifen, −2°,8; die von Bergen (lat. 60° 24′) +2°,4. Die Häfen von Tromsö (lat. 69° 38′) und Hammerfest (lat. 70° 38′) haben kein Eis, wenn das Meer bei Christiana längst gefroren ist. Bei Kielweg, ganz nahe am Nordcap, findet man sehr häufig den angeschwemmten Saamen der Mimosa scandens aus den Antillen. Martins und Lottin haben davon selbst dort zwischen Geschieben am Strande gefunden, und Robert versichert sie noch östlich von Magerö an dem Gestade des Weißen Meeres bemerkt zu haben. 3 Den denkwürdigsten Beweis aber von einer wundersamen durch Drift-Wasser 4 be- 1 Dove, die Verbreitung der Wärme auf der Erde 1852 S. 9. Vergl. auch S. 20–23. 2 Dove, Temperaturtabellen S. 34 3 Martins, Cours complet de Météorologie 1843 (traduction de l'ouvrage de Kaemtz) p. 191; Robert, Minéralogie et Géologie du Voyage en Islande et au Groënland, sur la Corv. la Recherche, Partie I. p. 131. 4 Ich bediene mich der Ausdrücke Drift, Drift-Wasser, Drift-Strömung (nachgebildet der in der englischen Marine gebräuchlichen Nomenclatur von Surface-Drift, Drift-Current) für eine schwache Bewegung der Oberfläche des Meeres, welche die Folge einer constanten und lange vorherrschenden Windrichtung in einer gewissen Zone ist. (Rennell p. 21, Manual of the Admirality 1849 p. 61 und Maury, Phys. Geography of the Sea 1855 p. 244.) „Wenn die Drift“, sagt Rennell, „ein Hinderniß findet, so häufen sich die stauenden Wasser an und erregen dadurch eine wirkliche Strömung, einen Stream-Current, indem sich Wasser bis in die große Tiefe bewegen. Trift und Seetrift werden in der deutschen Seesprache mehr, wie Seewurf, für das vom Meere Ausgeworfene, Angetriebene gesagt.

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Ueber Meeresströmungen im allgemeinen; und über die kalte peruanische Strömung der Südsee, im Gegensatze zu dem warmen Golf- oder Florida-Strome. [Druck vorgesehen für: Kleinere Schriften von Alexander von Humboldt. Zweiter Band (nicht erschienen).] Korrekturbogen aus dem Schiller Nationalmuseum, Deutsches Literaturarchiv in Marbach a. N.: Cotta-Archiv, s. e., [1833-ca. 1855], S. 31-145, hier S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_meer_1833/100>, abgerufen am 28.11.2024.