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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862.

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dem Menschen bewohnbare Feste erlitten hat; die Ansicht von Versteinerungen von Meercorallen (sogenannten Fossilien) in den Steinbrüchen von Syracus, ja von Fischen im Marmor von Paros: leiteten bei den Hellenen Xenophanes von Kolophon (Ol. 60) und die eleatische Schule auf die Verallgemeinerung der Ansicht, daß die ganze Erdrinde früh vom Ocean bedeckt war.1 Strabo, aufmerksam auf die oft veränderten Grenzen zwischen Meer und Land, dachte sich nicht bloß viele kleine und große Inseln, sondern auch ganze Continente aus dem Meere durch Anschwellung und Erhebung seines Bodens emporgestiegen.2 Apulejus von Madaura schrieb die Muschel-Versteinerungen, die er in Nord-Afrika in den gätulischen Gebirgen sammelte, der Deucalionischen Fluth zu: welche er demnach eben so allgemein glaubte als die Hebräer die Noachidische und die Mexicaner im Azteken-Lande (Anahuac) die Fluth des Coxcox3. Entgegengesetzt diesen alten Zeugnissen neptunischer Sedimentbildungen, hatten sich gleichzeitig und vielleicht noch früher der typhonische Caucasus-Mythos und die Idee des Pyriphlegethon als der gemeinsamen Quelle der vulkanischen Thätigkeit wie der Entstehung aller Brandländer verbreitet. Die Laven (oi Ruakes) und vulkanischen Schlacken, alle Feuerströme, "wo auf der Erde sie sich finden mögen", sind Theile des Pyriphlegethon. Typhon, der tobende Enceladus, ist in griechischer Volksphantasie eine Bezeichnung des Centralfeuers: einer unbekannten, im Inneren der Erde liegenden Ursach vulkanischer Erscheinungen. Man erkannte den räumlichen Zusammenhang einzelner vulkanischer Systeme: von der Pithecusischen Insel Aenaria (Ischia) bis Cumä (Phlegra) und Sicilien; die Abhängigkeit einer gewissen Classe der Erdbeben in Griechenland von den Lava-Ausbrüchen des

dem Menschen bewohnbare Feste erlitten hat; die Ansicht von Versteinerungen von Meercorallen (sogenannten Fossilien) in den Steinbrüchen von Syracus, ja von Fischen im Marmor von Paros: leiteten bei den Hellenen Xenophanes von Kolophon (Ol. 60) und die eleatische Schule auf die Verallgemeinerung der Ansicht, daß die ganze Erdrinde früh vom Ocean bedeckt war.1 Strabo, aufmerksam auf die oft veränderten Grenzen zwischen Meer und Land, dachte sich nicht bloß viele kleine und große Inseln, sondern auch ganze Continente aus dem Meere durch Anschwellung und Erhebung seines Bodens emporgestiegen.2 Apulejus von Madaura schrieb die Muschel-Versteinerungen, die er in Nord-Afrika in den gätulischen Gebirgen sammelte, der Deucalionischen Fluth zu: welche er demnach eben so allgemein glaubte als die Hebräer die Noachidische und die Mexicaner im Azteken-Lande (Anahuac) die Fluth des Coxcox3. Entgegengesetzt diesen alten Zeugnissen neptunischer Sedimentbildungen, hatten sich gleichzeitig und vielleicht noch früher der typhonische Caucasus-Mythos und die Idee des Pyriphlegethon als der gemeinsamen Quelle der vulkanischen Thätigkeit wie der Entstehung aller Brandländer verbreitet. Die Laven (οἱ ῥύακες) und vulkanischen Schlacken, alle Feuerströme, „wo auf der Erde sie sich finden mögen“, sind Theile des Pyriphlegethon. Typhon, der tobende Enceladus, ist in griechischer Volksphantasie eine Bezeichnung des Centralfeuers: einer unbekannten, im Inneren der Erde liegenden Ursach vulkanischer Erscheinungen. Man erkannte den räumlichen Zusammenhang einzelner vulkanischer Systeme: von der Pithecusischen Insel Aenaria (Ischia) bis Cumä (Phlegra) und Sicilien; die Abhängigkeit einer gewissen Classe der Erdbeben in Griechenland von den Lava-Ausbrüchen des

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dem Menschen bewohnbare Feste erlitten hat; die Ansicht von Versteinerungen von Meercorallen (sogenannten Fossilien) in den Steinbrüchen von Syracus, ja von Fischen im Marmor von Paros: leiteten bei den Hellenen Xenophanes von Kolophon (Ol. 60) und die eleatische Schule auf die Verallgemeinerung der Ansicht, daß die ganze Erdrinde früh vom Ocean bedeckt war.<note xml:id="ftn61" next="#ftn61-text" place="end" n="1"/> Strabo, aufmerksam auf die oft veränderten Grenzen zwischen Meer und Land, dachte sich nicht bloß viele kleine und große Inseln, sondern auch ganze Continente aus dem Meere durch Anschwellung und Erhebung seines Bodens emporgestiegen.<note xml:id="ftn62" next="#ftn62-text" place="end" n="2"/> Apulejus von Madaura schrieb die Muschel-Versteinerungen, die er in Nord-Afrika in den gätulischen Gebirgen sammelte, der Deucalionischen Fluth zu: welche er demnach eben so allgemein glaubte als die Hebräer die Noachidische und die Mexicaner im Azteken-Lande (Anahuac) die Fluth des Coxcox<note xml:id="ftn63" next="#ftn63-text" place="end" n="3"/>. Entgegengesetzt diesen alten Zeugnissen neptunischer Sedimentbildungen, hatten sich gleichzeitig und vielleicht noch früher der typhonische Caucasus-Mythos und die Idee des <hi rendition="#g">Pyriphlegethon</hi> als der gemeinsamen Quelle der vulkanischen Thätigkeit wie der Entstehung aller Brandländer verbreitet. Die Laven (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x03BF;&#x1F31; &#x1FE5;&#x03CD;&#x03B1;&#x03BA;&#x03B5;&#x03C2;</foreign></hi>) und vulkanischen Schlacken, alle Feuerströme, &#x201E;wo auf der Erde sie sich finden mögen&#x201C;, sind Theile des Pyriphlegethon. Typhon, der tobende Enceladus, ist in griechischer Volksphantasie eine Bezeichnung des <hi rendition="#g">Centralfeuers:</hi> einer unbekannten, im Inneren der Erde liegenden Ursach vulkanischer Erscheinungen. Man erkannte den räumlichen Zusammenhang einzelner vulkanischer Systeme: von der Pithecusischen Insel Aenaria (Ischia) bis Cumä (Phlegra) und Sicilien; die Abhängigkeit einer gewissen Classe der Erdbeben in Griechenland von den Lava-Ausbrüchen des
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[58/0065] dem Menschen bewohnbare Feste erlitten hat; die Ansicht von Versteinerungen von Meercorallen (sogenannten Fossilien) in den Steinbrüchen von Syracus, ja von Fischen im Marmor von Paros: leiteten bei den Hellenen Xenophanes von Kolophon (Ol. 60) und die eleatische Schule auf die Verallgemeinerung der Ansicht, daß die ganze Erdrinde früh vom Ocean bedeckt war. ¹ Strabo, aufmerksam auf die oft veränderten Grenzen zwischen Meer und Land, dachte sich nicht bloß viele kleine und große Inseln, sondern auch ganze Continente aus dem Meere durch Anschwellung und Erhebung seines Bodens emporgestiegen. ² Apulejus von Madaura schrieb die Muschel-Versteinerungen, die er in Nord-Afrika in den gätulischen Gebirgen sammelte, der Deucalionischen Fluth zu: welche er demnach eben so allgemein glaubte als die Hebräer die Noachidische und die Mexicaner im Azteken-Lande (Anahuac) die Fluth des Coxcox ³ . Entgegengesetzt diesen alten Zeugnissen neptunischer Sedimentbildungen, hatten sich gleichzeitig und vielleicht noch früher der typhonische Caucasus-Mythos und die Idee des Pyriphlegethon als der gemeinsamen Quelle der vulkanischen Thätigkeit wie der Entstehung aller Brandländer verbreitet. Die Laven (οἱ ῥύακες) und vulkanischen Schlacken, alle Feuerströme, „wo auf der Erde sie sich finden mögen“, sind Theile des Pyriphlegethon. Typhon, der tobende Enceladus, ist in griechischer Volksphantasie eine Bezeichnung des Centralfeuers: einer unbekannten, im Inneren der Erde liegenden Ursach vulkanischer Erscheinungen. Man erkannte den räumlichen Zusammenhang einzelner vulkanischer Systeme: von der Pithecusischen Insel Aenaria (Ischia) bis Cumä (Phlegra) und Sicilien; die Abhängigkeit einer gewissen Classe der Erdbeben in Griechenland von den Lava-Ausbrüchen des

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 5. Stuttgart u. a., 1862, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos0501_1862/65>, abgerufen am 27.11.2024.