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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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85 Annalen Bd. XXXIV. S. 1-30) in demselben Jahre 1835 erschien, in welchem Leopold von Buch den Namen Andesit gebrauchte, hat sich weder in der eben genannten Abhandlung noch je später dieses Namens bedient: dessen Definition nach der jetzt erkannten Natur der Gemengtheile nicht Albit mit Hornblende, sondern in den Cordilleren von Südamerika Oligoklas mit Augit heißen müßte. Die nun schon veraltete Mythe des Andesits, welche ich hier nur zu umständlich behandelt habe, lehrt auf's neue, wie viele andere Beispiele aus der Entwicklungsgeschichte unseres physikalischen Wissens, daß irrige oder nicht genugsam begründete Behauptungen (z. B. der Hang Varietäten als Arten aufzuzählen) den beschreibenden Wissenschaften oft dadurch förderlich werden, daß sie zu genaueren Beobachtungen anregen.
86 (S. 475.) Schon 1840 beschrieb Abich (über die Natur und die Zusammensetzung der Vulkan-Bildungen S. 46) Oligoklas-Trachyte aus dem Gipfel-Gestein des Kasbegk und einem Theile des Ararats; auch 1835 äußerte Gustav Rose mit Vorsicht (Poggend. Ann. Bd. 34. S. 30), "daß er bis dahin bei seinen Bestimmungen nicht auf den Oligoklas und Periklin Rücksicht genommen habe, die doch wahrscheinlich ebenfalls als Gemengtheil vorkommen". Der ehemals viel verbreitete Glaube, daß ein bestimmtes Vorherrschen des Augits oder der Hornblende auch auf eine bestimmte Species aus der Feldspath-Reihe: auf glasigen Orthoklas (Sanidin), auf Labrador oder Oligoklas, schließen lasse; scheint sehr erschüttert durch Vergleichung der des Chimborazo- und Toluca-Gesteins, von Trachyten der 4ten und 3ten Abtheilung. In der Basalt-Formation kommen oft Hornblende und Augit gleich häufig vor; das ist keinesweges der Fall bei den Trachyten: aber sehr vereinzelt habe ich Augit-Krystalle in Toluca-Gestein; einige Hornblende-Krystalle in Theilen des Chimborazo-, Pichincha-, Purace- und Teneriffa-Gesteins gefunden. Olivine, die so überselten in den Basalten fehlen, sind in Trachyten eben so eine große Seltenheit, als sie es in den Phonolithen sind: und doch sehen wir bisweilen in einzelnen Lavaströmen sich Olivine neben Augiten in Menge bilden. Glimmer ist im ganzen sehr ungewöhnlich im Basalt: und doch enthalten einzelne Basaltkuppen des, von Reuß, Freiesleben und mir zuerst beschriebenen, böhmischen Mittelgebirges sie in Menge. Die ungewöhnliche Vereinzelung gewisser Mineralkörper und die Gründe ihrer gesetzlichen
85 Annalen Bd. XXXIV. S. 1–30) in demselben Jahre 1835 erschien, in welchem Leopold von Buch den Namen Andesit gebrauchte, hat sich weder in der eben genannten Abhandlung noch je später dieses Namens bedient: dessen Definition nach der jetzt erkannten Natur der Gemengtheile nicht Albit mit Hornblende, sondern in den Cordilleren von Südamerika Oligoklas mit Augit heißen müßte. Die nun schon veraltete Mythe des Andesits, welche ich hier nur zu umständlich behandelt habe, lehrt auf's neue, wie viele andere Beispiele aus der Entwicklungsgeschichte unseres physikalischen Wissens, daß irrige oder nicht genugsam begründete Behauptungen (z. B. der Hang Varietäten als Arten aufzuzählen) den beschreibenden Wissenschaften oft dadurch förderlich werden, daß sie zu genaueren Beobachtungen anregen.
86 (S. 475.) Schon 1840 beschrieb Abich (über die Natur und die Zusammensetzung der Vulkan-Bildungen S. 46) Oligoklas-Trachyte aus dem Gipfel-Gestein des Kasbegk und einem Theile des Ararats; auch 1835 äußerte Gustav Rose mit Vorsicht (Poggend. Ann. Bd. 34. S. 30), „daß er bis dahin bei seinen Bestimmungen nicht auf den Oligoklas und Periklin Rücksicht genommen habe, die doch wahrscheinlich ebenfalls als Gemengtheil vorkommen". Der ehemals viel verbreitete Glaube, daß ein bestimmtes Vorherrschen des Augits oder der Hornblende auch auf eine bestimmte Species aus der Feldspath-Reihe: auf glasigen Orthoklas (Sanidin), auf Labrador oder Oligoklas, schließen lasse; scheint sehr erschüttert durch Vergleichung der des Chimborazo- und Toluca-Gesteins, von Trachyten der 4ten und 3ten Abtheilung. In der Basalt-Formation kommen oft Hornblende und Augit gleich häufig vor; das ist keinesweges der Fall bei den Trachyten: aber sehr vereinzelt habe ich Augit-Krystalle in Toluca-Gestein; einige Hornblende-Krystalle in Theilen des Chimborazo-, Pichincha-, Puracé- und Teneriffa-Gesteins gefunden. Olivine, die so überselten in den Basalten fehlen, sind in Trachyten eben so eine große Seltenheit, als sie es in den Phonolithen sind: und doch sehen wir bisweilen in einzelnen Lavaströmen sich Olivine neben Augiten in Menge bilden. Glimmer ist im ganzen sehr ungewöhnlich im Basalt: und doch enthalten einzelne Basaltkuppen des, von Reuß, Freiesleben und mir zuerst beschriebenen, böhmischen Mittelgebirges sie in Menge. Die ungewöhnliche Vereinzelung gewisser Mineralkörper und die Gründe ihrer gesetzlichen
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[636/0641] ⁸⁵ Annalen Bd. XXXIV. S. 1–30) in demselben Jahre 1835 erschien, in welchem Leopold von Buch den Namen Andesit gebrauchte, hat sich weder in der eben genannten Abhandlung noch je später dieses Namens bedient: dessen Definition nach der jetzt erkannten Natur der Gemengtheile nicht Albit mit Hornblende, sondern in den Cordilleren von Südamerika Oligoklas mit Augit heißen müßte. Die nun schon veraltete Mythe des Andesits, welche ich hier nur zu umständlich behandelt habe, lehrt auf's neue, wie viele andere Beispiele aus der Entwicklungsgeschichte unseres physikalischen Wissens, daß irrige oder nicht genugsam begründete Behauptungen (z. B. der Hang Varietäten als Arten aufzuzählen) den beschreibenden Wissenschaften oft dadurch förderlich werden, daß sie zu genaueren Beobachtungen anregen. ⁸⁶ (S. 475.) Schon 1840 beschrieb Abich (über die Natur und die Zusammensetzung der Vulkan-Bildungen S. 46) Oligoklas-Trachyte aus dem Gipfel-Gestein des Kasbegk und einem Theile des Ararats; auch 1835 äußerte Gustav Rose mit Vorsicht (Poggend. Ann. Bd. 34. S. 30), „daß er bis dahin bei seinen Bestimmungen nicht auf den Oligoklas und Periklin Rücksicht genommen habe, die doch wahrscheinlich ebenfalls als Gemengtheil vorkommen". Der ehemals viel verbreitete Glaube, daß ein bestimmtes Vorherrschen des Augits oder der Hornblende auch auf eine bestimmte Species aus der Feldspath-Reihe: auf glasigen Orthoklas (Sanidin), auf Labrador oder Oligoklas, schließen lasse; scheint sehr erschüttert durch Vergleichung der des Chimborazo- und Toluca-Gesteins, von Trachyten der 4ten und 3ten Abtheilung. In der Basalt-Formation kommen oft Hornblende und Augit gleich häufig vor; das ist keinesweges der Fall bei den Trachyten: aber sehr vereinzelt habe ich Augit-Krystalle in Toluca-Gestein; einige Hornblende-Krystalle in Theilen des Chimborazo-, Pichincha-, Puracé- und Teneriffa-Gesteins gefunden. Olivine, die so überselten in den Basalten fehlen, sind in Trachyten eben so eine große Seltenheit, als sie es in den Phonolithen sind: und doch sehen wir bisweilen in einzelnen Lavaströmen sich Olivine neben Augiten in Menge bilden. Glimmer ist im ganzen sehr ungewöhnlich im Basalt: und doch enthalten einzelne Basaltkuppen des, von Reuß, Freiesleben und mir zuerst beschriebenen, böhmischen Mittelgebirges sie in Menge. Die ungewöhnliche Vereinzelung gewisser Mineralkörper und die Gründe ihrer gesetzlichen

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 636. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/641>, abgerufen am 29.06.2024.