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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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weit sichtbare Hügel, sehr fremdartigen Anblicks, allgemein la Cabeza del Inga genannt wird, so herrschen doch über seinen Ursprung unter den farbigen Eingeborenen (Indios) zwei sehr verschiedene Hypothesen: nach der einen wird bloß behauptet, ohne Angabe der Zeit, in der die Begebenheit vorgefallen sei, daß der Fels der herabgestürzte Gipfel des, einst in eine Spitze endigenden Vulkans sei; nach einer anderen Hypothese wird die Begebenheit in das Jahr (1533) verlegt, in welchem der Inca Atahuallpa in Caxamarca erdrosselt wurde: und so mit dem, in demselben Jahre erfolgten, von Herrera beschriebenen, furchtbaren Feuerausbruche des Cotopaxi, wie auch mit der dunklen Prophezeiung von Atahuallpa's Vater, Huayna Capac, über den nahen Untergang des peruanischen Reichs in Beziehung gesetzt. Sollte das, was beiden Hypothesen gemeinsam ist: die Ansicht, daß jenes Felsenstück vormals die Endspitze des Kegels bildete, der traditionelle Nachklang oder die dunkle Erinnerung einer wirklichen Begebenheit sein? Die Eingeborenen, sagt man, würden bei ihrer Uncultur wohl Thatsachen auffassen und im Gedächtniß bewahren, aber sich nicht zu geognostischen Combinationen erheben können. Ich bezweifle die Richtigkeit dieses Einwurfs. Die Idee, daß ein abgestumpfter Kegel "seine Spitze verloren", sie unzertrümmert weggeschleudert habe, wie bei späteren Ausbrüchen große Blöcke ausgeworfen wurden: kann sich auch bei großer Uncultur darbieten. Die Treppen-Pyramide von Cholula, ein Bauwerk der Tolteken, ist abgestumpft. Es war den Eingeborenen ein Bedürfniß sich die Pyramide als ursprünglich vollendet zu denken. Es wurde die Mythe ersonnen, ein Aerolith, vom Himmel gefallen, habe die Spitze zerstört; ja Theile des Aeroliths wurden den spanischen Conquistadoren gezeigt. Wie kann man dazu den ersten Ausbruch des Vulkans Cotopaxi in eine Zeit versetzen, wo der Aschenkegel (Resultat einer Reihe von Eruptionen) schon vorhanden gewesen sein soll? Mir ist es wahrscheinlich, daß die Cabeza del Inga an der Stelle, welche sie jetzt einnimmt, entstanden ist; daß sie dort erhoben wurde: wie am Fuß des Chimborazo der Yana-Urcu, wie am Cotopaxi selbst der Morro südlich von Suniguaicu und nordwestlich von der kleinen Lagune Yurakcocha (im Qquechhua: weißer See). Ueber den Namen des Cotopaxi habe ich im 1ten Bande meiner Kleineren Schriften (S. 463) gesagt, daß nur der
weit sichtbare Hügel, sehr fremdartigen Anblicks, allgemein la Cabeza del Inga genannt wird, so herrschen doch über seinen Ursprung unter den farbigen Eingeborenen (Indios) zwei sehr verschiedene Hypothesen: nach der einen wird bloß behauptet, ohne Angabe der Zeit, in der die Begebenheit vorgefallen sei, daß der Fels der herabgestürzte Gipfel des, einst in eine Spitze endigenden Vulkans sei; nach einer anderen Hypothese wird die Begebenheit in das Jahr (1533) verlegt, in welchem der Inca Atahuallpa in Caxamarca erdrosselt wurde: und so mit dem, in demselben Jahre erfolgten, von Herrera beschriebenen, furchtbaren Feuerausbruche des Cotopaxi, wie auch mit der dunklen Prophezeiung von Atahuallpa's Vater, Huayna Capac, über den nahen Untergang des peruanischen Reichs in Beziehung gesetzt. Sollte das, was beiden Hypothesen gemeinsam ist: die Ansicht, daß jenes Felsenstück vormals die Endspitze des Kegels bildete, der traditionelle Nachklang oder die dunkle Erinnerung einer wirklichen Begebenheit sein? Die Eingeborenen, sagt man, würden bei ihrer Uncultur wohl Thatsachen auffassen und im Gedächtniß bewahren, aber sich nicht zu geognostischen Combinationen erheben können. Ich bezweifle die Richtigkeit dieses Einwurfs. Die Idee, daß ein abgestumpfter Kegel „seine Spitze verloren", sie unzertrümmert weggeschleudert habe, wie bei späteren Ausbrüchen große Blöcke ausgeworfen wurden: kann sich auch bei großer Uncultur darbieten. Die Treppen-Pyramide von Cholula, ein Bauwerk der Tolteken, ist abgestumpft. Es war den Eingeborenen ein Bedürfniß sich die Pyramide als ursprünglich vollendet zu denken. Es wurde die Mythe ersonnen, ein Aërolith, vom Himmel gefallen, habe die Spitze zerstört; ja Theile des Aëroliths wurden den spanischen Conquistadoren gezeigt. Wie kann man dazu den ersten Ausbruch des Vulkans Cotopaxi in eine Zeit versetzen, wo der Aschenkegel (Resultat einer Reihe von Eruptionen) schon vorhanden gewesen sein soll? Mir ist es wahrscheinlich, daß die Cabeza del Inga an der Stelle, welche sie jetzt einnimmt, entstanden ist; daß sie dort erhoben wurde: wie am Fuß des Chimborazo der Yana-Urcu, wie am Cotopaxi selbst der Morro südlich von Suniguaicu und nordwestlich von der kleinen Lagune Yurakcocha (im Qquechhua: weißer See). Ueber den Namen des Cotopaxi habe ich im 1ten Bande meiner Kleineren Schriften (S. 463) gesagt, daß nur der
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weit sichtbare Hügel, sehr fremdartigen Anblicks, allgemein la Cabeza del Inga genannt wird, so herrschen doch über seinen Ursprung unter den farbigen Eingeborenen (Indios) zwei sehr verschiedene Hypothesen: nach der einen wird bloß behauptet, ohne Angabe der Zeit, in der die Begebenheit vorgefallen sei, daß der Fels der herabgestürzte Gipfel des, einst in eine Spitze endigenden Vulkans sei; nach einer anderen Hypothese wird die Begebenheit in das Jahr (1533) verlegt, in welchem der Inca Atahuallpa in Caxamarca erdrosselt wurde: und so mit dem, in demselben Jahre erfolgten, von Herrera beschriebenen, furchtbaren Feuerausbruche des Cotopaxi, wie auch mit der dunklen Prophezeiung von Atahuallpa's Vater, Huayna Capac, über den nahen Untergang des peruanischen Reichs in Beziehung gesetzt. Sollte das, was beiden Hypothesen gemeinsam ist: die Ansicht, daß jenes Felsenstück vormals die Endspitze des Kegels bildete, der traditionelle Nachklang oder die dunkle Erinnerung einer wirklichen Begebenheit sein? Die Eingeborenen, sagt man, würden bei ihrer Uncultur wohl Thatsachen auffassen und im Gedächtniß bewahren, aber sich nicht zu geognostischen Combinationen erheben können. Ich bezweifle die Richtigkeit dieses Einwurfs. Die Idee, daß ein abgestumpfter Kegel &#x201E;seine Spitze verloren", sie unzertrümmert weggeschleudert habe, wie bei späteren Ausbrüchen große Blöcke ausgeworfen wurden: kann sich auch bei großer Uncultur darbieten. Die Treppen-Pyramide von Cholula, ein Bauwerk der Tolteken, ist abgestumpft. Es war den Eingeborenen ein Bedürfniß sich die Pyramide als ursprünglich vollendet zu denken. Es wurde die Mythe ersonnen, ein Aërolith, vom Himmel gefallen, habe die Spitze zerstört; ja Theile des Aëroliths wurden den spanischen Conquistadoren gezeigt. Wie kann man dazu den ersten Ausbruch des Vulkans Cotopaxi in eine Zeit versetzen, wo der Aschenkegel (Resultat einer Reihe von Eruptionen) schon vorhanden gewesen sein soll? Mir ist es wahrscheinlich, daß die Cabeza del Inga an der Stelle, welche sie jetzt einnimmt, entstanden ist; daß sie dort erhoben wurde: wie am Fuß des Chimborazo der Yana-Urcu, wie am Cotopaxi selbst der Morro südlich von Suniguaicu und nordwestlich von der kleinen Lagune <hi rendition="#g">Yurakcocha</hi> (im Qquechhua: weißer See). Ueber den Namen des <hi rendition="#g">Cotopaxi</hi> habe ich im 1ten Bande meiner <hi rendition="#g">Kleineren Schriften</hi> (S. 463) gesagt, daß nur der
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[576/0581] ³⁰ weit sichtbare Hügel, sehr fremdartigen Anblicks, allgemein la Cabeza del Inga genannt wird, so herrschen doch über seinen Ursprung unter den farbigen Eingeborenen (Indios) zwei sehr verschiedene Hypothesen: nach der einen wird bloß behauptet, ohne Angabe der Zeit, in der die Begebenheit vorgefallen sei, daß der Fels der herabgestürzte Gipfel des, einst in eine Spitze endigenden Vulkans sei; nach einer anderen Hypothese wird die Begebenheit in das Jahr (1533) verlegt, in welchem der Inca Atahuallpa in Caxamarca erdrosselt wurde: und so mit dem, in demselben Jahre erfolgten, von Herrera beschriebenen, furchtbaren Feuerausbruche des Cotopaxi, wie auch mit der dunklen Prophezeiung von Atahuallpa's Vater, Huayna Capac, über den nahen Untergang des peruanischen Reichs in Beziehung gesetzt. Sollte das, was beiden Hypothesen gemeinsam ist: die Ansicht, daß jenes Felsenstück vormals die Endspitze des Kegels bildete, der traditionelle Nachklang oder die dunkle Erinnerung einer wirklichen Begebenheit sein? Die Eingeborenen, sagt man, würden bei ihrer Uncultur wohl Thatsachen auffassen und im Gedächtniß bewahren, aber sich nicht zu geognostischen Combinationen erheben können. Ich bezweifle die Richtigkeit dieses Einwurfs. Die Idee, daß ein abgestumpfter Kegel „seine Spitze verloren", sie unzertrümmert weggeschleudert habe, wie bei späteren Ausbrüchen große Blöcke ausgeworfen wurden: kann sich auch bei großer Uncultur darbieten. Die Treppen-Pyramide von Cholula, ein Bauwerk der Tolteken, ist abgestumpft. Es war den Eingeborenen ein Bedürfniß sich die Pyramide als ursprünglich vollendet zu denken. Es wurde die Mythe ersonnen, ein Aërolith, vom Himmel gefallen, habe die Spitze zerstört; ja Theile des Aëroliths wurden den spanischen Conquistadoren gezeigt. Wie kann man dazu den ersten Ausbruch des Vulkans Cotopaxi in eine Zeit versetzen, wo der Aschenkegel (Resultat einer Reihe von Eruptionen) schon vorhanden gewesen sein soll? Mir ist es wahrscheinlich, daß die Cabeza del Inga an der Stelle, welche sie jetzt einnimmt, entstanden ist; daß sie dort erhoben wurde: wie am Fuß des Chimborazo der Yana-Urcu, wie am Cotopaxi selbst der Morro südlich von Suniguaicu und nordwestlich von der kleinen Lagune Yurakcocha (im Qquechhua: weißer See). Ueber den Namen des Cotopaxi habe ich im 1ten Bande meiner Kleineren Schriften (S. 463) gesagt, daß nur der

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 576. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/581>, abgerufen am 22.11.2024.