Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

des Guyot von Provins wird (1199) von dem Seecompaß als von einem in der Christenwelt längst bekannten Werkzeuge gesprochen; eben dies ist der Fall in der Beschreibung von Palästina, die wir dem Bischof von Ptolemais, Jacob von Vitry, verdanken und deren Vollendung zwischen 1204 und 1215 fällt. Von der Magnetnadel geleitet, schifften die Catalanen nach den nord-schottischen Inseln wie an die Westküste des tropischen Afrika, die Basken auf den Wallfischfang, die Normannen nach den Azoren, den Bracir-Inseln des Picigano. Die spanischen Leyes de las Partidas (del sabio Rey Don Alonso el nono), aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, rühmen die Nadel als "treue Vermittlerinn (medianera) zwischen dem Magnetsteine (la piedra) und dem Nordstern". Auch Gilbert, in seinem berühmten Werke: de Magnete Physiologia nova, spricht vom Seecompaß als einer chinesischen Erfindung, setzt aber unvorsichtig hinzu: daß sie Marco Polo, qui apud Chinas artem pyxidis didicit, zuerst nach Italien brachte. Da Marco Polo seine Reisen erst 1271 begann und 1295 zurückkehrte, so beweisen die Zeugnisse von Guyot de Provins und Jaques de Vitry, daß wenigstens schon 60 bis 70 Jahre vor der Abreise des Marco Polo nach dem Compaß in europäischen Meeren geschifft wurde. Die Benennungen zohron und aphron, die Vincenz von Beauvais in seinem Naturspiegel dem südlichen und nördlichen Ende der Magnetnadel (1254) gab, deuten auch auf eine Vermittelung arabischer Piloten, durch welche die Europäer die chinesische Boussole erhielten. Sie deuten auf dasselbe gelehrte und betriebsame Volk der asiatischen Halbinsel, dessen Sprache auf unsren Sternkarten nur zu oft verstümmelt erscheint.

Nach dem, was ich hier in Erinnerung gebracht, kann

des Guyot von Provins wird (1199) von dem Seecompaß als von einem in der Christenwelt längst bekannten Werkzeuge gesprochen; eben dies ist der Fall in der Beschreibung von Palästina, die wir dem Bischof von Ptolemais, Jacob von Vitry, verdanken und deren Vollendung zwischen 1204 und 1215 fällt. Von der Magnetnadel geleitet, schifften die Catalanen nach den nord-schottischen Inseln wie an die Westküste des tropischen Afrika, die Basken auf den Wallfischfang, die Normannen nach den Azoren, den Bracir-Inseln des Picigano. Die spanischen Leyes de las Partidas (del sabio Rey Don Alonso el nono), aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, rühmen die Nadel als „treue Vermittlerinn (medianera) zwischen dem Magnetsteine (la piedra) und dem Nordstern". Auch Gilbert, in seinem berühmten Werke: de Magnete Physiologia nova, spricht vom Seecompaß als einer chinesischen Erfindung, setzt aber unvorsichtig hinzu: daß sie Marco Polo, qui apud Chinas artem pyxidis didicit, zuerst nach Italien brachte. Da Marco Polo seine Reisen erst 1271 begann und 1295 zurückkehrte, so beweisen die Zeugnisse von Guyot de Provins und Jaques de Vitry, daß wenigstens schon 60 bis 70 Jahre vor der Abreise des Marco Polo nach dem Compaß in europäischen Meeren geschifft wurde. Die Benennungen zohron und aphron, die Vincenz von Beauvais in seinem Naturspiegel dem südlichen und nördlichen Ende der Magnetnadel (1254) gab, deuten auch auf eine Vermittelung arabischer Piloten, durch welche die Europäer die chinesische Boussole erhielten. Sie deuten auf dasselbe gelehrte und betriebsame Volk der asiatischen Halbinsel, dessen Sprache auf unsren Sternkarten nur zu oft verstümmelt erscheint.

Nach dem, was ich hier in Erinnerung gebracht, kann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0057" n="52"/>
des Guyot von Provins wird (1199) von dem Seecompaß als von einem in der Christenwelt längst bekannten Werkzeuge gesprochen; eben dies ist der Fall in der Beschreibung von Palästina, die wir dem Bischof von Ptolemais, Jacob von Vitry, verdanken und deren Vollendung zwischen 1204 und 1215 fällt. Von der Magnetnadel geleitet, schifften die Catalanen nach den nord-schottischen Inseln wie an die Westküste des tropischen Afrika, die Basken auf den Wallfischfang, die Normannen nach den Azoren, den <hi rendition="#g">Bracir-</hi>Inseln des Picigano. Die spanischen Leyes de las Partidas (del sabio Rey Don Alonso el nono), aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, rühmen die Nadel als &#x201E;treue Vermittlerinn (medianera) zwischen dem Magnetsteine (la piedra) und dem Nordstern". Auch Gilbert, in seinem berühmten Werke: <hi rendition="#g">de Magnete Physiologia nova,</hi> spricht vom Seecompaß als einer <hi rendition="#g">chinesischen</hi> Erfindung, setzt aber unvorsichtig hinzu: daß sie Marco Polo, qui apud Chinas artem pyxidis didicit, zuerst nach Italien brachte. Da Marco Polo seine Reisen erst 1271 begann und 1295 zurückkehrte, so beweisen die Zeugnisse von Guyot de Provins und Jaques de Vitry, daß wenigstens schon 60 bis 70 Jahre vor der Abreise des Marco Polo nach dem Compaß in europäischen Meeren geschifft wurde. Die Benennungen zohron und aphron, die Vincenz von Beauvais in seinem <hi rendition="#g">Naturspiegel</hi> dem südlichen und nördlichen Ende der Magnetnadel (1254) gab, deuten auch auf eine Vermittelung <hi rendition="#g">arabischer</hi> Piloten, durch welche die Europäer die chinesische Boussole erhielten. Sie deuten auf dasselbe gelehrte und betriebsame Volk der asiatischen Halbinsel, dessen Sprache auf unsren Sternkarten nur zu oft verstümmelt erscheint.</p>
                <p>Nach dem, was ich hier in Erinnerung gebracht, kann
</p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[52/0057] des Guyot von Provins wird (1199) von dem Seecompaß als von einem in der Christenwelt längst bekannten Werkzeuge gesprochen; eben dies ist der Fall in der Beschreibung von Palästina, die wir dem Bischof von Ptolemais, Jacob von Vitry, verdanken und deren Vollendung zwischen 1204 und 1215 fällt. Von der Magnetnadel geleitet, schifften die Catalanen nach den nord-schottischen Inseln wie an die Westküste des tropischen Afrika, die Basken auf den Wallfischfang, die Normannen nach den Azoren, den Bracir-Inseln des Picigano. Die spanischen Leyes de las Partidas (del sabio Rey Don Alonso el nono), aus der ersten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, rühmen die Nadel als „treue Vermittlerinn (medianera) zwischen dem Magnetsteine (la piedra) und dem Nordstern". Auch Gilbert, in seinem berühmten Werke: de Magnete Physiologia nova, spricht vom Seecompaß als einer chinesischen Erfindung, setzt aber unvorsichtig hinzu: daß sie Marco Polo, qui apud Chinas artem pyxidis didicit, zuerst nach Italien brachte. Da Marco Polo seine Reisen erst 1271 begann und 1295 zurückkehrte, so beweisen die Zeugnisse von Guyot de Provins und Jaques de Vitry, daß wenigstens schon 60 bis 70 Jahre vor der Abreise des Marco Polo nach dem Compaß in europäischen Meeren geschifft wurde. Die Benennungen zohron und aphron, die Vincenz von Beauvais in seinem Naturspiegel dem südlichen und nördlichen Ende der Magnetnadel (1254) gab, deuten auch auf eine Vermittelung arabischer Piloten, durch welche die Europäer die chinesische Boussole erhielten. Sie deuten auf dasselbe gelehrte und betriebsame Volk der asiatischen Halbinsel, dessen Sprache auf unsren Sternkarten nur zu oft verstümmelt erscheint. Nach dem, was ich hier in Erinnerung gebracht, kann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/57
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/57>, abgerufen am 05.05.2024.