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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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Gefälle, der Niveau-Unterschied von Pinantura (1482 T.) und Lecheyacu (1900 T.) in einem Abstande von etwa 7700 T. keinesweges dem, was wir jetzt von den, im Mittelwerthe so geringen Neigungs-Winkeln der Lavaströme zu wissen glauben. Aus dem Niveau-Unterschiede von 418 T. folgt eine Neigung von 3° 6'. Ein partielles Aufsteigen des Bodens in der Mitte der Thalsohle würde nicht einmal ein Hinderniß scheinen, weil Rückstauungen flüssiger, thalaufwärts getriebener Massen z. B. bei der Eruption des Scaptar Jökul auf Island im Jahr 1783 beobachtet worden sind (Naumann, Geognosie Bd. I. S. 160).

Das Wort Lava bezeichnet keine besondere mineralische Zusammensetzung des Gesteins; und wenn Leopold von Buch sagt, daß alles Lava ist, was im Vulkan fließt und durch seine Flüssigkeit neue Lagerstätten annimmt: so füge ich hinzu, daß auch nicht von neuem Flüssig-Gewordenes, aber in dem Inneren eines vulkanischen Kegels Enthaltenes, seine Lagerstätte verändern kann. Schon in der ersten Beschreibung25 meines Versuchs den Gipfel des Chimborazo zu ersteigen (veröffentlicht erst 1837 in Schumacher's astronomischem Jahrbuche) habe ich diese Vermuthung geäußert, indem ich von den merkwürdigen "Stücken von Augit-Porphyr sprach, welche ich am 23 Junius 1802 in achtzehntausend Fuß Höhe auf dem schmalen zum Gipfel führenden Felskamm in losen Stücken von zwölf bis vierzehn Zoll Durchmesser sammelte. Sie waren kleinzellig, mit glänzenden Zellen, porös und von rother Farbe. Die schwärzesten unter ihnen sind bisweilen bimssteinartig leicht und wie frisch durch Feuer verändert. Sie sind indeß nie in Strömen lavaartig geflossen, sondern wahrscheinlich auf Spalten an dem Abhange des früher emporgehobenen glockenförmigen Berges herausgeschoben." Diese

Gefälle, der Niveau-Unterschied von Pinantura (1482 T.) und Lecheyacu (1900 T.) in einem Abstande von etwa 7700 T. keinesweges dem, was wir jetzt von den, im Mittelwerthe so geringen Neigungs-Winkeln der Lavaströme zu wissen glauben. Aus dem Niveau-Unterschiede von 418 T. folgt eine Neigung von 3° 6′. Ein partielles Aufsteigen des Bodens in der Mitte der Thalsohle würde nicht einmal ein Hinderniß scheinen, weil Rückstauungen flüssiger, thalaufwärts getriebener Massen z. B. bei der Eruption des Scaptar Jökul auf Island im Jahr 1783 beobachtet worden sind (Naumann, Geognosie Bd. I. S. 160).

Das Wort Lava bezeichnet keine besondere mineralische Zusammensetzung des Gesteins; und wenn Leopold von Buch sagt, daß alles Lava ist, was im Vulkan fließt und durch seine Flüssigkeit neue Lagerstätten annimmt: so füge ich hinzu, daß auch nicht von neuem Flüssig-Gewordenes, aber in dem Inneren eines vulkanischen Kegels Enthaltenes, seine Lagerstätte verändern kann. Schon in der ersten Beschreibung25 meines Versuchs den Gipfel des Chimborazo zu ersteigen (veröffentlicht erst 1837 in Schumacher's astronomischem Jahrbuche) habe ich diese Vermuthung geäußert, indem ich von den merkwürdigen „Stücken von Augit-Porphyr sprach, welche ich am 23 Junius 1802 in achtzehntausend Fuß Höhe auf dem schmalen zum Gipfel führenden Felskamm in losen Stücken von zwölf bis vierzehn Zoll Durchmesser sammelte. Sie waren kleinzellig, mit glänzenden Zellen, porös und von rother Farbe. Die schwärzesten unter ihnen sind bisweilen bimssteinartig leicht und wie frisch durch Feuer verändert. Sie sind indeß nie in Strömen lavaartig geflossen, sondern wahrscheinlich auf Spalten an dem Abhange des früher emporgehobenen glockenförmigen Berges herausgeschoben." Diese

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[359/0364] Gefälle, der Niveau-Unterschied von Pinantura (1482 T.) und Lecheyacu (1900 T.) in einem Abstande von etwa 7700 T. keinesweges dem, was wir jetzt von den, im Mittelwerthe so geringen Neigungs-Winkeln der Lavaströme zu wissen glauben. Aus dem Niveau-Unterschiede von 418 T. folgt eine Neigung von 3° 6′. Ein partielles Aufsteigen des Bodens in der Mitte der Thalsohle würde nicht einmal ein Hinderniß scheinen, weil Rückstauungen flüssiger, thalaufwärts getriebener Massen z. B. bei der Eruption des Scaptar Jökul auf Island im Jahr 1783 beobachtet worden sind (Naumann, Geognosie Bd. I. S. 160). Das Wort Lava bezeichnet keine besondere mineralische Zusammensetzung des Gesteins; und wenn Leopold von Buch sagt, daß alles Lava ist, was im Vulkan fließt und durch seine Flüssigkeit neue Lagerstätten annimmt: so füge ich hinzu, daß auch nicht von neuem Flüssig-Gewordenes, aber in dem Inneren eines vulkanischen Kegels Enthaltenes, seine Lagerstätte verändern kann. Schon in der ersten Beschreibung ²⁵ meines Versuchs den Gipfel des Chimborazo zu ersteigen (veröffentlicht erst 1837 in Schumacher's astronomischem Jahrbuche) habe ich diese Vermuthung geäußert, indem ich von den merkwürdigen „Stücken von Augit-Porphyr sprach, welche ich am 23 Junius 1802 in achtzehntausend Fuß Höhe auf dem schmalen zum Gipfel führenden Felskamm in losen Stücken von zwölf bis vierzehn Zoll Durchmesser sammelte. Sie waren kleinzellig, mit glänzenden Zellen, porös und von rother Farbe. Die schwärzesten unter ihnen sind bisweilen bimssteinartig leicht und wie frisch durch Feuer verändert. Sie sind indeß nie in Strömen lavaartig geflossen, sondern wahrscheinlich auf Spalten an dem Abhange des früher emporgehobenen glockenförmigen Berges herausgeschoben." Diese

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Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/364>, abgerufen am 18.05.2024.