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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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worden.21 Die Berge der dritten Vulkan-Gruppe, der von Popayan und Quito, stehen bereits seit mehr als einem Jahrhundert in dem Rufe keine Lavaströme, sondern nur unzusammenhangende, aus dem alleinigen Gipfel-Krater ausgestoßene, oft reihenartig herabrollende, glühende Schlackenmassen zu geben. Dies war schon die Meinung22 von La Condamine, als er im Frühjahr 1743 das Hochland von Quito und Cuenca verließ. Er hatte vierzehn Jahre später, da er von einer Besteigung des Vesuvs (4 Juni 1755) zurückkehrte, bei welcher er die Schwester Friedrichs des Großen, die Markgräfinn von Baireuth, begleitete, Gelegenheit sich in einer akademischen Sitzung über den Mangel von eigentlichen Lavaströmen (laves coulees par torrens de matieres liquefiees) aus den Vulkanen von Quito lebhaft zu äußern. Das in der Sitzung vom 20 April 1757 gelesene Journal d'un Voyage en Italie erschien erst 1762 in den Memoires der Pariser Akademie, und ist für die Geschichte der Erkennung alter ausgebrannter Vulkane in Frankreich auch darum geognostisch von einiger Wichtigkeit, weil La Condamine in demselben Tagebuche mit dem ihm eigenen Scharfsinn, ohne von Guettard's, allerdings früheren Behauptungen etwas zu wissen23, sich sehr bestimmt über die Existenz alter Kraterseen und ausgebrannter Vulkane im mittleren und nördlichen Italien wie im südlichen Frankreich ausspricht.

Eben dieser auffallende Contrast zwischen den so früh erkannten, schmalen und unbezweifelten Lavaströmen der Auvergne und der, oft nur allzu absolut behaupteten Abwesenheit jedes Lava-Ergusses in den Cordilleren hat mich während der ganzen Dauer meiner Expedition ernsthaft beschäftigt. Alle meine Tagebücher sind voll von Betrachtungen über dieses Problem,

worden.21 Die Berge der dritten Vulkan-Gruppe, der von Popayan und Quito, stehen bereits seit mehr als einem Jahrhundert in dem Rufe keine Lavaströme, sondern nur unzusammenhangende, aus dem alleinigen Gipfel-Krater ausgestoßene, oft reihenartig herabrollende, glühende Schlackenmassen zu geben. Dies war schon die Meinung22 von La Condamine, als er im Frühjahr 1743 das Hochland von Quito und Cuenca verließ. Er hatte vierzehn Jahre später, da er von einer Besteigung des Vesuvs (4 Juni 1755) zurückkehrte, bei welcher er die Schwester Friedrichs des Großen, die Markgräfinn von Baireuth, begleitete, Gelegenheit sich in einer akademischen Sitzung über den Mangel von eigentlichen Lavaströmen (laves coulées par torrens de matières liquefiées) aus den Vulkanen von Quito lebhaft zu äußern. Das in der Sitzung vom 20 April 1757 gelesene Journal d'un Voyage en Italie erschien erst 1762 in den Mémoires der Pariser Akademie, und ist für die Geschichte der Erkennung alter ausgebrannter Vulkane in Frankreich auch darum geognostisch von einiger Wichtigkeit, weil La Condamine in demselben Tagebuche mit dem ihm eigenen Scharfsinn, ohne von Guettard's, allerdings früheren Behauptungen etwas zu wissen23, sich sehr bestimmt über die Existenz alter Kraterseen und ausgebrannter Vulkane im mittleren und nördlichen Italien wie im südlichen Frankreich ausspricht.

Eben dieser auffallende Contrast zwischen den so früh erkannten, schmalen und unbezweifelten Lavaströmen der Auvergne und der, oft nur allzu absolut behaupteten Abwesenheit jedes Lava-Ergusses in den Cordilleren hat mich während der ganzen Dauer meiner Expedition ernsthaft beschäftigt. Alle meine Tagebücher sind voll von Betrachtungen über dieses Problem,

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[353/0358] worden. ²¹ Die Berge der dritten Vulkan-Gruppe, der von Popayan und Quito, stehen bereits seit mehr als einem Jahrhundert in dem Rufe keine Lavaströme, sondern nur unzusammenhangende, aus dem alleinigen Gipfel-Krater ausgestoßene, oft reihenartig herabrollende, glühende Schlackenmassen zu geben. Dies war schon die Meinung ²² von La Condamine, als er im Frühjahr 1743 das Hochland von Quito und Cuenca verließ. Er hatte vierzehn Jahre später, da er von einer Besteigung des Vesuvs (4 Juni 1755) zurückkehrte, bei welcher er die Schwester Friedrichs des Großen, die Markgräfinn von Baireuth, begleitete, Gelegenheit sich in einer akademischen Sitzung über den Mangel von eigentlichen Lavaströmen (laves coulées par torrens de matières liquefiées) aus den Vulkanen von Quito lebhaft zu äußern. Das in der Sitzung vom 20 April 1757 gelesene Journal d'un Voyage en Italie erschien erst 1762 in den Mémoires der Pariser Akademie, und ist für die Geschichte der Erkennung alter ausgebrannter Vulkane in Frankreich auch darum geognostisch von einiger Wichtigkeit, weil La Condamine in demselben Tagebuche mit dem ihm eigenen Scharfsinn, ohne von Guettard's, allerdings früheren Behauptungen etwas zu wissen ²³ , sich sehr bestimmt über die Existenz alter Kraterseen und ausgebrannter Vulkane im mittleren und nördlichen Italien wie im südlichen Frankreich ausspricht. Eben dieser auffallende Contrast zwischen den so früh erkannten, schmalen und unbezweifelten Lavaströmen der Auvergne und der, oft nur allzu absolut behaupteten Abwesenheit jedes Lava-Ergusses in den Cordilleren hat mich während der ganzen Dauer meiner Expedition ernsthaft beschäftigt. Alle meine Tagebücher sind voll von Betrachtungen über dieses Problem,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/358>, abgerufen am 18.05.2024.