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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858.

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segmenten mit dem Tympan darbietet, wie auch aus dem Commentar des Olympiodor (Ideler T. I. p. 301) erhellt. Ich habe absichtlich in dieser Uebersicht nicht zweier mir wohl bekannten Stellen des Agathemer (de Geographia lib. I cap. 1 p. 2 Hudson) und des Eusebius (Evangel. Praeparat. T. IV. p. 125 ed. Gaisford 1843) gedacht: weil sie beweisen, mit welcher Ungenauigkeit oft spätere Schriftsteller den Alten Meinungen zuschreiben, die denselben ganz fremd waren. "Eudoxus soll nach diesen Angaben der Erdscheibe eine Länge und Breite im Verhältniß der Dimensionen wie 1 zu 2 gegeben haben; eben so Dicäarch, der Schüler des Aristoteles, welcher doch eigene Beweise für die Kugelgestalt der Erde (Marcian. Capella lib. VI p. 192) vortrug. Hipparch habe die Erde für trapezoeid"j und Thales für eine Kugel gehalten!"
24 (S. 30.) "Mir scheint es oft, als nenne man bisweilen die Abplattung der Erde fast nur deshalb etwas zweifelhaft, weil man zu große Genauigkeit erreichen will. Nimmt man die Abplattungen zu 1/310, 1/300, 1/290, 1/280; so erhält man den Unterschied beider Halbmesser gleich 10554, 10905, 11281 und 11684 Toisen. Das Schwanken von 30 Einheiten im Nenner erzeugt nur ein Schwanken von 1130 Toisen in dem Polar-Halbmesser: eine Größe, die vergleichungsweise mit den sichtbaren Ungleichheiten der Oberfläche der Erde so wenig wesentlich erscheint, daß ich wirklich oft erstaune, wie die Experimente noch innerhalb solcher Grenzen zusammenstimmen. Zerstreute Beobachtungen, auf weiten Flächen vereinzelt, werden uns allerdings wenig mehr lehren, als wir schon wissen; aber wichtig wäre es, wenn man alle Messungen über die ganze Oberfläche von Europa mit einander verbände und alle astronomisch bestimmten Punkte in diese Operation hineinzöge." (Bessel in einem Briefe an mich vom Dec. 1828.) Nach diesem Vorschlage würde man aber doch nur die Erdgestaltung von dem kennen lernen, was man als die gegen Westen vortretende Peninsular-Gliederung des großen asiatischen Continents, in kaum 661/2 Längegraden, betrachten kann. -- Die Steppen des nördlichen Asiens, selbst die mittlere Kirghisen-Steppe, von der ich einen beträchtlichen Theil gesehen, sind oft hügelig und in Hinsicht der Raumverhältnisse ununterbrochener Söhligkeit im großen keinesweges mit den Pampas von Buenos Aires und den Llanos von Venezuela
segmenten mit dem Tympan darbietet, wie auch aus dem Commentar des Olympiodor (Ideler T. I. p. 301) erhellt. Ich habe absichtlich in dieser Uebersicht nicht zweier mir wohl bekannten Stellen des Agathemer (de Geographia lib. I cap. 1 p. 2 Hudson) und des Eusebius (Evangel. Praeparat. T. IV. p. 125 ed. Gaisford 1843) gedacht: weil sie beweisen, mit welcher Ungenauigkeit oft spätere Schriftsteller den Alten Meinungen zuschreiben, die denselben ganz fremd waren. „Eudoxus soll nach diesen Angaben der Erdscheibe eine Länge und Breite im Verhältniß der Dimensionen wie 1 zu 2 gegeben haben; eben so Dicäarch, der Schüler des Aristoteles, welcher doch eigene Beweise für die Kugelgestalt der Erde (Marcian. Capella lib. VI p. 192) vortrug. Hipparch habe die Erde für trapezoeid»j und Thales für eine Kugel gehalten!"
24 (S. 30.) „Mir scheint es oft, als nenne man bisweilen die Abplattung der Erde fast nur deshalb etwas zweifelhaft, weil man zu große Genauigkeit erreichen will. Nimmt man die Abplattungen zu 1/310, 1/300, 1/290, 1/280; so erhält man den Unterschied beider Halbmesser gleich 10554, 10905, 11281 und 11684 Toisen. Das Schwanken von 30 Einheiten im Nenner erzeugt nur ein Schwanken von 1130 Toisen in dem Polar-Halbmesser: eine Größe, die vergleichungsweise mit den sichtbaren Ungleichheiten der Oberfläche der Erde so wenig wesentlich erscheint, daß ich wirklich oft erstaune, wie die Experimente noch innerhalb solcher Grenzen zusammenstimmen. Zerstreute Beobachtungen, auf weiten Flächen vereinzelt, werden uns allerdings wenig mehr lehren, als wir schon wissen; aber wichtig wäre es, wenn man alle Messungen über die ganze Oberfläche von Europa mit einander verbände und alle astronomisch bestimmten Punkte in diese Operation hineinzöge." (Bessel in einem Briefe an mich vom Dec. 1828.) Nach diesem Vorschlage würde man aber doch nur die Erdgestaltung von dem kennen lernen, was man als die gegen Westen vortretende Peninsular-Gliederung des großen asiatischen Continents, in kaum 66½ Längegraden, betrachten kann. — Die Steppen des nördlichen Asiens, selbst die mittlere Kirghisen-Steppe, von der ich einen beträchtlichen Theil gesehen, sind oft hügelig und in Hinsicht der Raumverhältnisse ununterbrochener Söhligkeit im großen keinesweges mit den Pampas von Buenos Aires und den Llanos von Venezuela
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[161/0166] ²³ segmenten mit dem Tympan darbietet, wie auch aus dem Commentar des Olympiodor (Ideler T. I. p. 301) erhellt. Ich habe absichtlich in dieser Uebersicht nicht zweier mir wohl bekannten Stellen des Agathemer (de Geographia lib. I cap. 1 p. 2 Hudson) und des Eusebius (Evangel. Praeparat. T. IV. p. 125 ed. Gaisford 1843) gedacht: weil sie beweisen, mit welcher Ungenauigkeit oft spätere Schriftsteller den Alten Meinungen zuschreiben, die denselben ganz fremd waren. „Eudoxus soll nach diesen Angaben der Erdscheibe eine Länge und Breite im Verhältniß der Dimensionen wie 1 zu 2 gegeben haben; eben so Dicäarch, der Schüler des Aristoteles, welcher doch eigene Beweise für die Kugelgestalt der Erde (Marcian. Capella lib. VI p. 192) vortrug. Hipparch habe die Erde für trapezoeid»j und Thales für eine Kugel gehalten!" ²⁴ (S. 30.) „Mir scheint es oft, als nenne man bisweilen die Abplattung der Erde fast nur deshalb etwas zweifelhaft, weil man zu große Genauigkeit erreichen will. Nimmt man die Abplattungen zu 1/310, 1/300, 1/290, 1/280; so erhält man den Unterschied beider Halbmesser gleich 10554, 10905, 11281 und 11684 Toisen. Das Schwanken von 30 Einheiten im Nenner erzeugt nur ein Schwanken von 1130 Toisen in dem Polar-Halbmesser: eine Größe, die vergleichungsweise mit den sichtbaren Ungleichheiten der Oberfläche der Erde so wenig wesentlich erscheint, daß ich wirklich oft erstaune, wie die Experimente noch innerhalb solcher Grenzen zusammenstimmen. Zerstreute Beobachtungen, auf weiten Flächen vereinzelt, werden uns allerdings wenig mehr lehren, als wir schon wissen; aber wichtig wäre es, wenn man alle Messungen über die ganze Oberfläche von Europa mit einander verbände und alle astronomisch bestimmten Punkte in diese Operation hineinzöge." (Bessel in einem Briefe an mich vom Dec. 1828.) Nach diesem Vorschlage würde man aber doch nur die Erdgestaltung von dem kennen lernen, was man als die gegen Westen vortretende Peninsular-Gliederung des großen asiatischen Continents, in kaum 66½ Längegraden, betrachten kann. — Die Steppen des nördlichen Asiens, selbst die mittlere Kirghisen-Steppe, von der ich einen beträchtlichen Theil gesehen, sind oft hügelig und in Hinsicht der Raumverhältnisse ununterbrochener Söhligkeit im großen keinesweges mit den Pampas von Buenos Aires und den Llanos von Venezuela

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 4. Stuttgart u. a., 1858, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos04_1858/166>, abgerufen am 03.05.2024.