Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.der Regenzeit viele Tage im voraus sich durch das zitternde Licht der Gestirne in großer Höhe über dem Horizont verkündigt. Wetterleuchten, einzelne Blitze am fernen Horizont ohne sichtbares Gewölk oder in schmalen, senkrecht aufsteigenden Wolkensäulen sind dann begleitende Erscheinungen. Ich habe diese charakteristischen Vorgänge, die physiognomischen Veränderungen der Himmelsluft in mehreren meiner Schriften zu schildern versucht.46 Ueber die Geschwindigkeit des Lichtes, über die Wahrscheinlichkeit, daß dasselbe eine gewisse Zeit zu seiner Fortpflanzung brauche, findet sich die älteste Ansicht bei Bacon von Verulam in dem zweiten Buche des Novum Organum. Er spricht von der Zeit, deren ein Lichtstrahl bedarf, die ungeheure Strecke des Weltraums zu durchlaufen; er wirft schon die Frage auf, ob die Sterne noch vorhanden sind, die wir gleichzeitig funkeln sehen.47 Man erstaunt diese glückliche Ahndung in einem Werke zu finden, dessen geistreicher Verfasser in mathematischem, astronomischem und physikalischem Wissen tief unter dem seiner Zeitgenossen stand. Gemessen wurden die Geschwindigkeit des reflectirten Sonnenlichtes durch Römer (November 1675) mittelst der Vergleichung von Verfinsterungs-Epochen der Jupiterstrabanten; die Geschwindigkeit des directen Lichtes der Fixsterne mittelst Bradley's großer Entdeckung der Aberration (Herbst 1727), des sinnlichen Beweises von der translatorischen Bewegung der Erde, d. i. von der Wahrheit des copernicanischen Systemes. In der neuesten Zeit ist eine dritte Methode der Messung durch Arago vorgeschlagen worden, die der Lichterscheinungen eines veränderlichen Sternes, z. B. des Algol im Perseus.48 Zu diesen der Regenzeit viele Tage im voraus sich durch das zitternde Licht der Gestirne in großer Höhe über dem Horizont verkündigt. Wetterleuchten, einzelne Blitze am fernen Horizont ohne sichtbares Gewölk oder in schmalen, senkrecht aufsteigenden Wolkensäulen sind dann begleitende Erscheinungen. Ich habe diese charakteristischen Vorgänge, die physiognomischen Veränderungen der Himmelsluft in mehreren meiner Schriften zu schildern versucht.46 Ueber die Geschwindigkeit des Lichtes, über die Wahrscheinlichkeit, daß dasselbe eine gewisse Zeit zu seiner Fortpflanzung brauche, findet sich die älteste Ansicht bei Bacon von Verulam in dem zweiten Buche des Novum Organum. Er spricht von der Zeit, deren ein Lichtstrahl bedarf, die ungeheure Strecke des Weltraums zu durchlaufen; er wirft schon die Frage auf, ob die Sterne noch vorhanden sind, die wir gleichzeitig funkeln sehen.47 Man erstaunt diese glückliche Ahndung in einem Werke zu finden, dessen geistreicher Verfasser in mathematischem, astronomischem und physikalischem Wissen tief unter dem seiner Zeitgenossen stand. Gemessen wurden die Geschwindigkeit des reflectirten Sonnenlichtes durch Römer (November 1675) mittelst der Vergleichung von Verfinsterungs-Epochen der Jupiterstrabanten; die Geschwindigkeit des directen Lichtes der Fixsterne mittelst Bradley's großer Entdeckung der Aberration (Herbst 1727), des sinnlichen Beweises von der translatorischen Bewegung der Erde, d. i. von der Wahrheit des copernicanischen Systemes. In der neuesten Zeit ist eine dritte Methode der Messung durch Arago vorgeschlagen worden, die der Lichterscheinungen eines veränderlichen Sternes, z. 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der Regenzeit viele Tage im voraus sich durch das zitternde Licht der Gestirne in großer Höhe über dem Horizont verkündigt. Wetterleuchten, einzelne Blitze am fernen Horizont ohne sichtbares Gewölk oder in schmalen, senkrecht aufsteigenden Wolkensäulen sind dann begleitende Erscheinungen. Ich habe diese charakteristischen Vorgänge, die physiognomischen Veränderungen der Himmelsluft in mehreren meiner Schriften zu schildern versucht.
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Ueber die Geschwindigkeit des Lichtes, über die Wahrscheinlichkeit, daß dasselbe eine gewisse Zeit zu seiner Fortpflanzung brauche, findet sich die älteste Ansicht bei Bacon von Verulam in dem zweiten Buche des Novum Organum. Er spricht von der Zeit, deren ein Lichtstrahl bedarf, die ungeheure Strecke des Weltraums zu durchlaufen; er wirft schon die Frage auf, ob die Sterne noch vorhanden sind, die wir gleichzeitig funkeln sehen.
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Man erstaunt diese glückliche Ahndung in einem Werke zu finden, dessen geistreicher Verfasser in mathematischem, astronomischem und physikalischem Wissen tief unter dem seiner Zeitgenossen stand. Gemessen wurden die Geschwindigkeit des reflectirten Sonnenlichtes durch Römer (November 1675) mittelst der Vergleichung von Verfinsterungs-Epochen der Jupiterstrabanten; die Geschwindigkeit des directen Lichtes der Fixsterne mittelst Bradley's großer Entdeckung der Aberration (Herbst 1727), des sinnlichen Beweises von der translatorischen Bewegung der Erde, d. i. von der Wahrheit des copernicanischen Systemes. In der neuesten Zeit ist eine dritte Methode der Messung durch Arago vorgeschlagen worden, die der Lichterscheinungen eines veränderlichen Sternes, z. B. des Algol im Perseus.
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/95>, abgerufen am 16.02.2025. |