Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.brennen (aithein): die später sonderbar genug aus Vorliebe für mechanische Ansichten, wegen des beständigen Umschwunges und Kreislaufes, von Plato und Aristoteles wortspielend in eine andere (aei thein) umgewandelt wurde.17 Der Begriff der Feinheit und Dünne des hohen Aethers scheint nicht etwa Folge der Kenntniß reiner, von schweren Erddünsten mehr befreiter Bergluft, oder gar der mit der Höhe abnehmenden Dichte der Luftschichten gewesen zu sein. In so fern die Elemente der Alten weniger Stoffverschiedenheiten oder gar Einfachheit (Unzerlegbarkeit) von Stoffen als Zustände der Materie ausdrücken, wurzelt der Begriff des hohen Aethers (der feurigen Himmelsluft) in dem ersten und normalen Gegensatze von schwer und leicht, von unten und oben, von Erde und Feuer. Zwischen diesen Extremen liegen zwei mittlere Elementar-Zustände: Wasser, der schweren Erde; Luft, dem leichten Feuer näher.18 Der Aether des Empedocles hat als ein den Weltraum füllendes Mittel nur durch Feinheit und Dünne Analogie mit dem Aether, durch dessen Transversal-Schwingungen die neuere Physik die Fortpflanzung des Lichtes und alle Eigenschaften desselben (doppelte Brechung, Polarisation, Interferenz) so glücklich nach rein mathematischer Gedankenentwickelung erklärt. In der Naturphilosophie des Aristoteles wird dazu noch gelehrt, daß der ätherische Stoff alle lebendigen Organismen der Erde, Pflanzen und Thiere, durchdringe; daß er in ihnen das Princip der Lebenswärme, ja der Keim eines seelischen Principes werde, welches unvermischt mit dem Körper die Menschen zur Selbstthätigkeit anfache.19 Diese Phantasien ziehen den Aether aus dem höheren Weltraum brennen (αἴθειν): die später sonderbar genug aus Vorliebe für mechanische Ansichten, wegen des beständigen Umschwunges und Kreislaufes, von Plato und Aristoteles wortspielend in eine andere (αεὶ θεῖν) umgewandelt wurde.17 Der Begriff der Feinheit und Dünne des hohen Aethers scheint nicht etwa Folge der Kenntniß reiner, von schweren Erddünsten mehr befreiter Bergluft, oder gar der mit der Höhe abnehmenden Dichte der Luftschichten gewesen zu sein. In so fern die Elemente der Alten weniger Stoffverschiedenheiten oder gar Einfachheit (Unzerlegbarkeit) von Stoffen als Zustände der Materie ausdrücken, wurzelt der Begriff des hohen Aethers (der feurigen Himmelsluft) in dem ersten und normalen Gegensatze von schwer und leicht, von unten und oben, von Erde und Feuer. Zwischen diesen Extremen liegen zwei mittlere Elementar-Zustände: Wasser, der schweren Erde; Luft, dem leichten Feuer näher.18 Der Aether des Empedocles hat als ein den Weltraum füllendes Mittel nur durch Feinheit und Dünne Analogie mit dem Aether, durch dessen Transversal-Schwingungen die neuere Physik die Fortpflanzung des Lichtes und alle Eigenschaften desselben (doppelte Brechung, Polarisation, Interferenz) so glücklich nach rein mathematischer Gedankenentwickelung erklärt. In der Naturphilosophie des Aristoteles wird dazu noch gelehrt, daß der ätherische Stoff alle lebendigen Organismen der Erde, Pflanzen und Thiere, durchdringe; daß er in ihnen das Princip der Lebenswärme, ja der Keim eines seelischen Principes werde, welches unvermischt mit dem Körper die Menschen zur Selbstthätigkeit anfache.19 Diese Phantasien ziehen den Aether aus dem höheren Weltraum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0048" n="43"/><hi rendition="#g">brennen</hi> (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">αἴθειν</foreign></hi>): die später sonderbar genug aus Vorliebe für mechanische Ansichten, wegen des beständigen Umschwunges und <hi rendition="#g">Kreislaufes,</hi> von Plato und Aristoteles wortspielend in eine andere (<hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">αεὶ θεῖν</foreign></hi>) umgewandelt wurde.<note xml:id="ftn63" next="ftn63-text" place="end" n="17"/> Der Begriff der Feinheit und Dünne des hohen Aethers scheint nicht etwa Folge der Kenntniß reiner, von schweren Erddünsten mehr befreiter <hi rendition="#g">Bergluft,</hi> oder gar der mit der Höhe abnehmenden Dichte der Luftschichten gewesen zu sein. 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brennen (αἴθειν): die später sonderbar genug aus Vorliebe für mechanische Ansichten, wegen des beständigen Umschwunges und Kreislaufes, von Plato und Aristoteles wortspielend in eine andere (αεὶ θεῖν) umgewandelt wurde.
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Der Begriff der Feinheit und Dünne des hohen Aethers scheint nicht etwa Folge der Kenntniß reiner, von schweren Erddünsten mehr befreiter Bergluft, oder gar der mit der Höhe abnehmenden Dichte der Luftschichten gewesen zu sein. In so fern die Elemente der Alten weniger Stoffverschiedenheiten oder gar Einfachheit (Unzerlegbarkeit) von Stoffen als Zustände der Materie ausdrücken, wurzelt der Begriff des hohen Aethers (der feurigen Himmelsluft) in dem ersten und normalen Gegensatze von schwer und leicht, von unten und oben, von Erde und Feuer. Zwischen diesen Extremen liegen zwei mittlere Elementar-Zustände: Wasser, der schweren Erde; Luft, dem leichten Feuer näher.
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Der Aether des Empedocles hat als ein den Weltraum füllendes Mittel nur durch Feinheit und Dünne Analogie mit dem Aether, durch dessen Transversal-Schwingungen die neuere Physik die Fortpflanzung des Lichtes und alle Eigenschaften desselben (doppelte Brechung, Polarisation, Interferenz) so glücklich nach rein mathematischer Gedankenentwickelung erklärt. In der Naturphilosophie des Aristoteles wird dazu noch gelehrt, daß der ätherische Stoff alle lebendigen Organismen der Erde, Pflanzen und Thiere, durchdringe; daß er in ihnen das Princip der Lebenswärme, ja der Keim eines seelischen Principes werde, welches unvermischt mit dem Körper die Menschen zur Selbstthätigkeit anfache.
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Diese Phantasien ziehen den Aether aus dem höheren Weltraum
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Zitationshilfe: | Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/48>, abgerufen am 16.07.2024. |