Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

Bild:
<< vorherige Seite
14 Chronologie der Aeg. S. 132) erwiesen und Denkmäler bezeugen, welche bis in die ältesten Zeiten der großen Pyramidenbaue hinaufreichen, keine siebentägige, sondern zehntägige, der Woche ähnliche, kleine Perioden gehabt. Drei solcher Decaden bildeten einen der 12 Monate des Sonnenjahres. Wenn wir bei Dio Cassius (lib. XXXVII cap. 18) lesen: "daß der Gebrauch die Tage nach den sieben Planeten zu benennen zuerst bei den Aegyptern aufgekommen sei, und sich vor nicht gar langer Zeit von ihnen zu allen übrigen Völkern verbreitet habe, namentlich zu den Römern, bei denen er nun schon ganz einheimisch sei"; so muß man nicht vergessen, daß dieser Schriftsteller in der späten Zeit des Alexander Severus lebte, und es seit dem ersten Einbruche der orientalischen Astrologie unter den Cäsaren und bei dem frühen großen Verkehr so vieler Volksstämme in Alexandrien die Sitte des Abendlandes wurde, alles alt scheinende ägyptisch zu nennen. Am ursprünglichsten und verbreitetsten ist ohne Zweifel die siebentägige Woche bei den semitischen Völkern gewesen: nicht bloß bei den Hebräern, sondern selbst unter den arabischen Nomaden lange vor Mohammed. Ich habe einem gelehrten Forscher des semitischen Alterthums, dem orientalischen Reisenden, Prof. Tischendorf zu Leipzig, die Fragen vorgelegt: ob in den Schriften des Alten Bundes sich außer dem Sabbath Namen für die einzelnen Wochentage (andere als der 2te und 3te Tag des schebua) finden? ob nicht irgendwo im Neuen Testamente zu einer Zeit, wo fremde Bewohner von Palästina gewiß schon planetarische Astrologie trieben, eine Planeten-Benennung für einen Tag der 7tägigen Periode vorkomme? Die Antwort war: "Es fehlen nicht nur im Alten und Neuen Testamente alle Spuren für Wochentags-Benennung nach Planeten, sie fehlen auch in Mischna und Talmud. Man sagte auch nicht: der 2te oder 3te Tag des schebua, und zählte gewöhnlich die Tage des Monats; nannte auch den Tag vor dem Sabbath den 6ten Tag, ohne weiteren Zusatz. Das Wort Sabbath wurde auch geradezu auf die Woche übertragen (Ideler, Handb. der Chronol. Bd. I. S. 480); daher auch im Talmud für die einzelnen Wochentage: erster, zweiter, dritter des Sabbaths steht. Das Wort ebdomas für schebua hat das N. T. nicht. Der Talmud, der freilich vom 2ten bis in das 5te Jahrhundert seiner Redaction nach reicht, hat beschreibende
14 Chronologie der Aeg. S. 132) erwiesen und Denkmäler bezeugen, welche bis in die ältesten Zeiten der großen Pyramidenbaue hinaufreichen, keine siebentägige, sondern zehntägige, der Woche ähnliche, kleine Perioden gehabt. Drei solcher Decaden bildeten einen der 12 Monate des Sonnenjahres. Wenn wir bei Dio Cassius (lib. XXXVII cap. 18) lesen: „daß der Gebrauch die Tage nach den sieben Planeten zu benennen zuerst bei den Aegyptern aufgekommen sei, und sich vor nicht gar langer Zeit von ihnen zu allen übrigen Völkern verbreitet habe, namentlich zu den Römern, bei denen er nun schon ganz einheimisch sei“; so muß man nicht vergessen, daß dieser Schriftsteller in der späten Zeit des Alexander Severus lebte, und es seit dem ersten Einbruche der orientalischen Astrologie unter den Cäsaren und bei dem frühen großen Verkehr so vieler Volksstämme in Alexandrien die Sitte des Abendlandes wurde, alles alt scheinende ägyptisch zu nennen. Am ursprünglichsten und verbreitetsten ist ohne Zweifel die siebentägige Woche bei den semitischen Völkern gewesen: nicht bloß bei den Hebräern, sondern selbst unter den arabischen Nomaden lange vor Mohammed. Ich habe einem gelehrten Forscher des semitischen Alterthums, dem orientalischen Reisenden, Prof. Tischendorf zu Leipzig, die Fragen vorgelegt: ob in den Schriften des Alten Bundes sich außer dem Sabbath Namen für die einzelnen Wochentage (andere als der 2te und 3te Tag des schebua) finden? ob nicht irgendwo im Neuen Testamente zu einer Zeit, wo fremde Bewohner von Palästina gewiß schon planetarische Astrologie trieben, eine Planeten-Benennung für einen Tag der 7tägigen Periode vorkomme? Die Antwort war: „Es fehlen nicht nur im Alten und Neuen Testamente alle Spuren für Wochentags-Benennung nach Planeten, sie fehlen auch in Mischna und Talmud. Man sagte auch nicht: der 2te oder 3te Tag des schebua, und zählte gewöhnlich die Tage des Monats; nannte auch den Tag vor dem Sabbath den 6ten Tag, ohne weiteren Zusatz. Das Wort Sabbath wurde auch geradezu auf die Woche übertragen (Ideler, Handb. der Chronol. Bd. I. S. 480); daher auch im Talmud für die einzelnen Wochentage: erster, zweiter, dritter des Sabbaths steht. Das Wort ἐβδομάς für schebua hat das N. T. nicht. Der Talmud, der freilich vom 2ten bis in das 5te Jahrhundert seiner Redaction nach reicht, hat beschreibende
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <note xml:id="ftn506-text" prev="#ftn506" place="end" n="14"><hi rendition="#g"><pb facs="#f0476" n="471"/>
Chronologie der Aeg.</hi> S. 132) erwiesen und Denkmäler bezeugen, welche bis in die ältesten Zeiten der großen Pyramidenbaue hinaufreichen, keine siebentägige, sondern <hi rendition="#g">zehntägige,</hi> der Woche ähnliche, <hi rendition="#g">kleine Perioden</hi> gehabt. Drei solcher Decaden bildeten einen der 12 Monate des Sonnenjahres. Wenn wir bei <hi rendition="#g">Dio Cassius</hi> (lib. XXXVII cap. 18) lesen: &#x201E;daß der Gebrauch die Tage nach den sieben Planeten zu benennen zuerst bei den Aegyptern aufgekommen sei, und sich <hi rendition="#g">vor nicht gar langer Zeit</hi> von ihnen zu allen übrigen Völkern verbreitet habe, namentlich zu den Römern, bei denen er <hi rendition="#g">nun schon</hi> ganz einheimisch sei&#x201C;; so muß man nicht vergessen, daß dieser Schriftsteller in der späten Zeit des Alexander Severus lebte, und es seit dem ersten Einbruche der orientalischen Astrologie unter den Cäsaren und bei dem frühen großen Verkehr so vieler Volksstämme in Alexandrien die Sitte des Abendlandes wurde, alles alt scheinende <hi rendition="#g">ägyptisch</hi> zu nennen. Am ursprünglichsten und verbreitetsten ist ohne Zweifel die siebentägige Woche bei den semitischen Völkern gewesen: nicht bloß bei den Hebräern, sondern selbst unter den arabischen Nomaden lange vor Mohammed. Ich habe einem gelehrten Forscher des semitischen Alterthums, dem orientalischen Reisenden, Prof. Tischendorf zu Leipzig, die Fragen vorgelegt: ob in den Schriften des Alten Bundes sich außer dem Sabbath Namen für die einzelnen Wochentage (andere als der 2te und 3te Tag des schebua) finden? ob nicht irgendwo im Neuen Testamente zu einer Zeit, wo fremde Bewohner von Palästina gewiß schon <hi rendition="#g">planetarische Astrologie</hi> trieben, eine Planeten-Benennung für einen Tag der 7tägigen Periode vorkomme? Die Antwort war: &#x201E;Es fehlen nicht nur im Alten und Neuen Testamente alle Spuren für Wochentags-Benennung nach Planeten, sie fehlen auch in Mischna und Talmud. Man sagte auch nicht: der 2te oder 3te Tag des schebua, und zählte gewöhnlich die Tage des Monats; nannte auch den Tag <hi rendition="#g">vor</hi> dem Sabbath den 6ten Tag, ohne weiteren Zusatz. Das Wort Sabbath wurde auch geradezu auf die Woche übertragen <hi rendition="#g">(Ideler, Handb. der Chronol.</hi> Bd. I. S. 480); daher auch im Talmud für die einzelnen Wochentage: erster, zweiter, dritter des Sabbaths steht. Das Wort <hi rendition="#i"><foreign xml:lang="ell">&#x1F10;&#x03B2;&#x03B4;&#x03BF;&#x03BC;&#x03AC;&#x03C2;</foreign></hi> für schebua hat das N. T. nicht. Der Talmud, der freilich vom 2ten bis in das 5te Jahrhundert seiner Redaction nach reicht, hat <hi rendition="#g">beschreibende</hi> </note>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[471/0476] ¹⁴ Chronologie der Aeg. S. 132) erwiesen und Denkmäler bezeugen, welche bis in die ältesten Zeiten der großen Pyramidenbaue hinaufreichen, keine siebentägige, sondern zehntägige, der Woche ähnliche, kleine Perioden gehabt. Drei solcher Decaden bildeten einen der 12 Monate des Sonnenjahres. Wenn wir bei Dio Cassius (lib. XXXVII cap. 18) lesen: „daß der Gebrauch die Tage nach den sieben Planeten zu benennen zuerst bei den Aegyptern aufgekommen sei, und sich vor nicht gar langer Zeit von ihnen zu allen übrigen Völkern verbreitet habe, namentlich zu den Römern, bei denen er nun schon ganz einheimisch sei“; so muß man nicht vergessen, daß dieser Schriftsteller in der späten Zeit des Alexander Severus lebte, und es seit dem ersten Einbruche der orientalischen Astrologie unter den Cäsaren und bei dem frühen großen Verkehr so vieler Volksstämme in Alexandrien die Sitte des Abendlandes wurde, alles alt scheinende ägyptisch zu nennen. Am ursprünglichsten und verbreitetsten ist ohne Zweifel die siebentägige Woche bei den semitischen Völkern gewesen: nicht bloß bei den Hebräern, sondern selbst unter den arabischen Nomaden lange vor Mohammed. Ich habe einem gelehrten Forscher des semitischen Alterthums, dem orientalischen Reisenden, Prof. Tischendorf zu Leipzig, die Fragen vorgelegt: ob in den Schriften des Alten Bundes sich außer dem Sabbath Namen für die einzelnen Wochentage (andere als der 2te und 3te Tag des schebua) finden? ob nicht irgendwo im Neuen Testamente zu einer Zeit, wo fremde Bewohner von Palästina gewiß schon planetarische Astrologie trieben, eine Planeten-Benennung für einen Tag der 7tägigen Periode vorkomme? Die Antwort war: „Es fehlen nicht nur im Alten und Neuen Testamente alle Spuren für Wochentags-Benennung nach Planeten, sie fehlen auch in Mischna und Talmud. Man sagte auch nicht: der 2te oder 3te Tag des schebua, und zählte gewöhnlich die Tage des Monats; nannte auch den Tag vor dem Sabbath den 6ten Tag, ohne weiteren Zusatz. Das Wort Sabbath wurde auch geradezu auf die Woche übertragen (Ideler, Handb. der Chronol. Bd. I. S. 480); daher auch im Talmud für die einzelnen Wochentage: erster, zweiter, dritter des Sabbaths steht. Das Wort ἐβδομάς für schebua hat das N. T. nicht. Der Talmud, der freilich vom 2ten bis in das 5te Jahrhundert seiner Redaction nach reicht, hat beschreibende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Posner Collection: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-09T11:04:31Z)
Moritz Bodner: Erstellung bzw. Korrektur der griechischen Textpassagen (2013-04-18T11:04:31Z)



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/476
Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/476>, abgerufen am 18.10.2024.