Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.gegen die Mittagsseite geneigt habe." In derselben Beziehung sagt Diogenes Laertius II, 9 von dem Klazomenier: "die Sterne hatten sich anfangs in kuppelartiger Lage fortgeschwungen, so daß der jedesmal erscheinende Pol scheitelrecht über der Erde stand; später aber hatten sie die schiefe Richtung angenommen." Die Entstehung der Schiefe der Ekliptik dachte man sich wie eine kosmische Begebenheit. Von einer fortschreitenden späteren Veränderung war keine Rede. Die Schilderung der beiden extremen, also entgegengesetzten Zustände, denen sich die Planeten Uranus und Jupiter am meisten nähern, sind dazu geeignet an die Veränderungen zu erinnern, welche die zunehmende oder abnehmende Schiefe der Ekliptik in den meteorologischen Verhältnissen unseres Planeten und in der Entwickelung der organischen Lebensformen hervorbringen würde, wenn diese Zu- oder Abnahme nicht in sehr enge Grenzen eingeschlossen wären. Die Kenntniß dieser Grenzen, Gegenstand der großen Arbeiten von Leonhard Euler, Lagrange und Laplace, kann für die neuere Zeit eine der glänzendsten Errungenschaften der theoretischen Astronomie und der vervollkommneten höheren Analysis genannt werden. Diese Grenzen sind so enge, daß Laplace (Expos. du Systeme du Monde, ed. 1824 p. 303) die Behauptung aufstellte, die Schiefe der Ekliptik oscillire nach beiden Seiten nur 1° 1/2 um ihre mittlere Lage. Nach dieser Angabe38 würde uns die Tropenzone (der Wendekreis des Krebses, als ihr nördlichster, äußerster Saum) nur um eben so viel näher kommen. Es wäre also, wenn man die Wirkung so vieler anderer meteorologischer Perturbationen ausschließt, als würde Berlin von seiner jetzigen isothermen Linie allmälig auf die von Prag versetzt. Die gegen die Mittagsseite geneigt habe.“ In derselben Beziehung sagt Diogenes Laertius II, 9 von dem Klazomenier: „die Sterne hatten sich anfangs in kuppelartiger Lage fortgeschwungen, so daß der jedesmal erscheinende Pol scheitelrecht über der Erde stand; später aber hatten sie die schiefe Richtung angenommen.“ Die Entstehung der Schiefe der Ekliptik dachte man sich wie eine kosmische Begebenheit. Von einer fortschreitenden späteren Veränderung war keine Rede. Die Schilderung der beiden extremen, also entgegengesetzten Zustände, denen sich die Planeten Uranus und Jupiter am meisten nähern, sind dazu geeignet an die Veränderungen zu erinnern, welche die zunehmende oder abnehmende Schiefe der Ekliptik in den meteorologischen Verhältnissen unseres Planeten und in der Entwickelung der organischen Lebensformen hervorbringen würde, wenn diese Zu- oder Abnahme nicht in sehr enge Grenzen eingeschlossen wären. Die Kenntniß dieser Grenzen, Gegenstand der großen Arbeiten von Leonhard Euler, Lagrange und Laplace, kann für die neuere Zeit eine der glänzendsten Errungenschaften der theoretischen Astronomie und der vervollkommneten höheren Analysis genannt werden. Diese Grenzen sind so enge, daß Laplace (Expos. du Système du Monde, éd. 1824 p. 303) die Behauptung aufstellte, die Schiefe der Ekliptik oscillire nach beiden Seiten nur 1° ½ um ihre mittlere Lage. Nach dieser Angabe38 würde uns die Tropenzone (der Wendekreis des Krebses, als ihr nördlichster, äußerster Saum) nur um eben so viel näher kommen. Es wäre also, wenn man die Wirkung so vieler anderer meteorologischer Perturbationen ausschließt, als würde Berlin von seiner jetzigen isothermen Linie allmälig auf die von Prag versetzt. Die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0457" n="452"/> gegen die Mittagsseite geneigt habe.“ In derselben Beziehung sagt Diogenes Laertius II, 9 von dem Klazomenier: „die Sterne hatten sich anfangs in kuppelartiger Lage fortgeschwungen, so daß der jedesmal erscheinende Pol <hi rendition="#g">scheitelrecht</hi> über der Erde stand; später aber hatten sie die schiefe Richtung angenommen.“ Die Entstehung der Schiefe der Ekliptik dachte man sich wie eine kosmische <hi rendition="#g">Begebenheit.</hi> Von einer fortschreitenden späteren Veränderung war keine Rede.</p> <p>Die Schilderung der beiden extremen, also entgegengesetzten Zustände, denen sich die Planeten Uranus und Jupiter am meisten nähern, sind dazu geeignet an die Veränderungen zu erinnern, welche die <hi rendition="#g">zunehmende</hi> oder <hi rendition="#g">abnehmende</hi> Schiefe der Ekliptik in den meteorologischen Verhältnissen unseres Planeten und in der Entwickelung der organischen Lebensformen hervorbringen würde, wenn diese Zu- oder Abnahme nicht in <hi rendition="#g">sehr enge Grenzen</hi> eingeschlossen wären. 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gegen die Mittagsseite geneigt habe.“ In derselben Beziehung sagt Diogenes Laertius II, 9 von dem Klazomenier: „die Sterne hatten sich anfangs in kuppelartiger Lage fortgeschwungen, so daß der jedesmal erscheinende Pol scheitelrecht über der Erde stand; später aber hatten sie die schiefe Richtung angenommen.“ Die Entstehung der Schiefe der Ekliptik dachte man sich wie eine kosmische Begebenheit. Von einer fortschreitenden späteren Veränderung war keine Rede.
Die Schilderung der beiden extremen, also entgegengesetzten Zustände, denen sich die Planeten Uranus und Jupiter am meisten nähern, sind dazu geeignet an die Veränderungen zu erinnern, welche die zunehmende oder abnehmende Schiefe der Ekliptik in den meteorologischen Verhältnissen unseres Planeten und in der Entwickelung der organischen Lebensformen hervorbringen würde, wenn diese Zu- oder Abnahme nicht in sehr enge Grenzen eingeschlossen wären. Die Kenntniß dieser Grenzen, Gegenstand der großen Arbeiten von Leonhard Euler, Lagrange und Laplace, kann für die neuere Zeit eine der glänzendsten Errungenschaften der theoretischen Astronomie und der vervollkommneten höheren Analysis genannt werden. Diese Grenzen sind so enge, daß Laplace (Expos. du Système du Monde, éd. 1824 p. 303) die Behauptung aufstellte, die Schiefe der Ekliptik oscillire nach beiden Seiten nur 1° ½ um ihre mittlere Lage. Nach dieser Angabe
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würde uns die Tropenzone (der Wendekreis des Krebses, als ihr nördlichster, äußerster Saum) nur um eben so viel näher kommen. Es wäre also, wenn man die Wirkung so vieler anderer meteorologischer Perturbationen ausschließt, als würde Berlin von seiner jetzigen isothermen Linie allmälig auf die von Prag versetzt. Die
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