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Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850.

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Beobachtungen und Messungen keine Spur zu finden ist; so entstand eine große Verschiedenheit in den Hypothesen über die Reihung der Planeten und ihre relativen Abstände: sei es, wie nach dem am meisten herrschenden Systeme, über die Abstände von der im Centrum ruhenden Erde; oder, wie bei den Pythagoreern, über die Abstände von dem Heerd des Weltalls, der Hestia. Man schwankte besonders in der Stellung der Sonne, d. h. in ihrer relativen Lage gegen die unteren Planeten und den Mond.18 Die Pythagoreer, denen Zahl die Quelle der Erkenntniß, die Wesenheit der Dinge war, wandten ihre Zahlentheorie, die alles verschmelzende Lehre der Zahlverhältnisse auf die geometrische Betrachtung der früh erkannten 5 regelmäßigen Körper, auf die musikalischen Intervalle der Töne, welche die Accorde bestimmen und verschiedene Klanggeschlechter bilden, ja auf den Weltenbau selbst an: ahndend, daß die bewegten, gleichsam schwingenden, Klangwellen erregenden Planeten nach den harmonischen Verhältnissen ihrer räumlichen Intervalle eine Sphärenmusik hervorrufen müßten. "Diese Musik", setzten sie hinzu, "würde dem menschlichen Ohre vernehmbar sein, wenn sie nicht, eben darum weil sie perpetuirlich ist und weil der Mensch von Kindheit auf daran gewöhnt ist, überhört würde."19 Der harmonische Theil der pythagorischen Zahlenlehre schloß sich so der figürlichen Darstellung des Kosmos an, ganz im Sinne des Platonischen Timäus; denn "die Kosmogonie ist dem Plato das Werk der von der Harmonie zu Stande gebrachten Vereinigung entgegengesetzter Urgründe".20 Er versucht sogar in einem anmuthigen Bilde die Welttöne zu versinnlichen, indem er auf jede der Planetensphären eine Sirene setzt, die, von den ernsten Töchtern der Nothwendigkeit,

Beobachtungen und Messungen keine Spur zu finden ist; so entstand eine große Verschiedenheit in den Hypothesen über die Reihung der Planeten und ihre relativen Abstände: sei es, wie nach dem am meisten herrschenden Systeme, über die Abstände von der im Centrum ruhenden Erde; oder, wie bei den Pythagoreern, über die Abstände von dem Heerd des Weltalls, der Hestia. Man schwankte besonders in der Stellung der Sonne, d. h. in ihrer relativen Lage gegen die unteren Planeten und den Mond.18 Die Pythagoreer, denen Zahl die Quelle der Erkenntniß, die Wesenheit der Dinge war, wandten ihre Zahlentheorie, die alles verschmelzende Lehre der Zahlverhältnisse auf die geometrische Betrachtung der früh erkannten 5 regelmäßigen Körper, auf die musikalischen Intervalle der Töne, welche die Accorde bestimmen und verschiedene Klanggeschlechter bilden, ja auf den Weltenbau selbst an: ahndend, daß die bewegten, gleichsam schwingenden, Klangwellen erregenden Planeten nach den harmonischen Verhältnissen ihrer räumlichen Intervalle eine Sphärenmusik hervorrufen müßten. „Diese Musik“, setzten sie hinzu, „würde dem menschlichen Ohre vernehmbar sein, wenn sie nicht, eben darum weil sie perpetuirlich ist und weil der Mensch von Kindheit auf daran gewöhnt ist, überhört würde.“19 Der harmonische Theil der pythagorischen Zahlenlehre schloß sich so der figürlichen Darstellung des Kosmos an, ganz im Sinne des Platonischen Timäus; denn „die Kosmogonie ist dem Plato das Werk der von der Harmonie zu Stande gebrachten Vereinigung entgegengesetzter Urgründe“.20 Er versucht sogar in einem anmuthigen Bilde die Welttöne zu versinnlichen, indem er auf jede der Planetensphären eine Sirene setzt, die, von den ernsten Töchtern der Nothwendigkeit,

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[437/0442] Beobachtungen und Messungen keine Spur zu finden ist; so entstand eine große Verschiedenheit in den Hypothesen über die Reihung der Planeten und ihre relativen Abstände: sei es, wie nach dem am meisten herrschenden Systeme, über die Abstände von der im Centrum ruhenden Erde; oder, wie bei den Pythagoreern, über die Abstände von dem Heerd des Weltalls, der Hestia. Man schwankte besonders in der Stellung der Sonne, d. h. in ihrer relativen Lage gegen die unteren Planeten und den Mond. ¹⁸ Die Pythagoreer, denen Zahl die Quelle der Erkenntniß, die Wesenheit der Dinge war, wandten ihre Zahlentheorie, die alles verschmelzende Lehre der Zahlverhältnisse auf die geometrische Betrachtung der früh erkannten 5 regelmäßigen Körper, auf die musikalischen Intervalle der Töne, welche die Accorde bestimmen und verschiedene Klanggeschlechter bilden, ja auf den Weltenbau selbst an: ahndend, daß die bewegten, gleichsam schwingenden, Klangwellen erregenden Planeten nach den harmonischen Verhältnissen ihrer räumlichen Intervalle eine Sphärenmusik hervorrufen müßten. „Diese Musik“, setzten sie hinzu, „würde dem menschlichen Ohre vernehmbar sein, wenn sie nicht, eben darum weil sie perpetuirlich ist und weil der Mensch von Kindheit auf daran gewöhnt ist, überhört würde.“ ¹⁹ Der harmonische Theil der pythagorischen Zahlenlehre schloß sich so der figürlichen Darstellung des Kosmos an, ganz im Sinne des Platonischen Timäus; denn „die Kosmogonie ist dem Plato das Werk der von der Harmonie zu Stande gebrachten Vereinigung entgegengesetzter Urgründe“. ²⁰ Er versucht sogar in einem anmuthigen Bilde die Welttöne zu versinnlichen, indem er auf jede der Planetensphären eine Sirene setzt, die, von den ernsten Töchtern der Nothwendigkeit,

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Zitationshilfe: Humboldt, Alexander von: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung. Bd. 3. Stuttgart u. a., 1850, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/humboldt_kosmos03_1850/442>, abgerufen am 23.11.2024.